Während man in Italien Spiele im römischen Kolosseum plant, gehen die Engländer am neu entdeckten Charme von Samuel Eto'o zu Grunde. Ex-Oasis-Frontmann zerstört die Gitarre einer United-Legende und in Spanien werden im Zuge der Internationalisierung jetzt sogar schon Nachnamen übersetzt. Die Blitzlichter aus Europas Topligen.
Serie A
Von Oliver Birkner
70 des Spieltags: Soeben hat sich Carlos Tevez gedreht. Er entledigt sich in der eigenen Hälfte eines Gegenspielers. Dann rennt Carlos. 20 Meter, 30. Schneidet wie ein Messer durch die warme Parma-Butter. Carlos rennt. 40, 50, 60. Lässt ein Hütchen stehen, legt den Ball am nächsten vorbei. Hinter ihm hecheln einige Parma-Stangen in scheußlich erbsengrünen Gewändern. Carlos ist bei 70 Metern angekommen, das reicht nun aber auch. Er sieht auf und schiebt die Kugel leger rechts unten ein.
Ein Wahnsinnstor bei Juves 7:0-Demolierung der Gäste und eine nette Visitenkarte für Tevez' Rückkehr in die argentinische Nationalelf nach drei Jahren. Das Blatt "Marca" nannte den Treffer "maradoniano", in der Heimat feierte man den Stürmer als "Tevezdona". Naja, zu Dieguito besteht dann doch noch reichlich Platz nach oben, aber es war schlicht das genialste Tor seit der Eröffnung des Juventus Stadium Mitte 2011. Zuletzt siegte Juventus in der Serie A in dieser Höhe gegen Ascoli und bei den Torschützen wie Paolo Rossi oder Michel Platini ahnt man, dass es lange her ist - am 11. September 1983. Im Radio hieß es am Sonntag übrigens: "Juve mahlt die Heimspiele wie der Müller aus Grimms Märchen." Oder so ähnlich.
Zirkus des Spieltags: Der American Dream kennt keine Grenzen. Vom Tellerwäscher zum Millionär oder vom Stadio Olimpico ins Kolosseum. Dort, so schlug der Bostoner Presidente der Roma James Pallotta kürzlich vor, könnte man doch auch mal Kicken. Stimmt. Das Colosseo steht seit Jahrhunderten eh bloß unnütz hinter Touristen-Neppern in Gladiatorentrachten rum. Der Kultusminister äußerte Sicherheitsbedenken, und überhaupt würde die interne Arena gar keine offiziellen Maße für eine Fußball-Partie bieten.
Mit den Maßen sind Amerikaner jedoch nicht so pingelig, Mark Twain überlieferte die Länge nach einer Rom-Reise einst mit großzügig verschätzten 300 Metern. Pallotta mag nicht aufgeben und schwenkte als möglichen Spielort auf den Circus Maximus um. Partien gegen Topteams aus Europa sollen dort stattfinden, übertragen im Pay-TV weltweit, regte Pallotta an. Eventuell könnte man bei den Bayern nachfragen, die ihre Pilgerfahrt nach Rom jüngst gewiss erbaulich fanden. Bei 621 Metern Länge könnten womöglich fünf CL-Vorrunden-Kicks gleichzeitig stattfinden. Hoffentlich verrät Pallotta, Miteigner der Boston Celtics, niemand, dass ein Basketball-Court akkurat ins Pantheon passen würde.
Und sonst? Sechshundertzweiundzwanzig ist ausgeschrieben eine quälend lange Zahl. So viele Tage auf ein Ligator zu warten, gleichermaßen qualvoll. Stephan El Shaarawy hatte für Milan in der Serie A zuletzt am 24. Februar 2013 im Mailänder Derby getroffen - es folgten Verletzungen, Formtiefs und Stille um den "Pharao". Dem Sohn eines Ägypters (und für Silvio Berlusconi deshalb meist "der kleine Ägypter") gelang am Samstag bei Sampdoria endlich wieder ein Erfolgserlebnis, und der Außenstürmer brach daraufhin in Tränen der Erleichterung aus. Zur Belohnung erhielt der Pharao seine erste Länderspielnominierung seit Juni 2013 in der Hoffnung, sechshundertzweiundzwanzig nie wieder lesen zu müssen.
Serie A: Das schönste Tor im Juventus Stadium und Spiele im Colosseo
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Premier League
Von Frank Oschwald
Ryan Gosling des Spieltags: Irgendwie scheiden sich an Samuel Eto'o weiterhin die Geister. Nein, nicht an der genauen Ortung des fußballerischen Zenits des Kameruners. Der ist, hier sind sich Experten und Fans einig, seit einem komfortablen Zeitfenster überschritten. Vielmehr wird immer wieder über den Charakter von Eto'o diskutiert. Der Opa-Jubel für den lieben Jose im letzten Jahr beispielsweise: ein Streich eines jung gebliebenen Schlitzohrs oder doch die senile Trotzreaktion eines Eigenbrötlers? Da die Antwort sowieso nur er weiß, stürzen wir uns auf die Gegenwart.
Und die könnte ehrlich gesagt verstörender nicht sein. In einem Video machte der Kameruner an der Seite von Teamkollege Steven Pienaar Werbung für ein spezielles Dauerkarten-Angebot zu Weihnachten. Eingepackt im wolligsten und kitschigsten aller Winterpullover sowie mit einer blauen Nikolausmütze ausgestattet, legte Eto'o eine oscarreife Schauspielleistung aufs Parkett. Vergesst Johnny Depp, werft Hugh Grant in die Themse und gebt Ryan Gosling Flirt-Nachhilfe. Bei diesen Schmachtblicken und der Augenbrauen-Akrobatik des Lovers aus Kamerun wäre alles andere als ein bis zum Saisonende ausverkaufter Goodison Park ein schlechter Witz.
Interview des Spieltags: Die guten, alten Field-Interviews hören einfach nicht auf, gute Punkte für die Blitzlichter zu liefern. Nach dem Erdbeer-Auftritt von Eden Hazard in der letzten Woche, musste diesmal Nemanja Matic vor dem Mikrofon brutzeln. Der Serbe wurde gegen Liverpool zum Spieler der Partie gewählt und stand im Anschluss am Rockzipfel von John Terry der TV-Kamera Rede und Antwort. Zunächst lief alles wunderbar. Der Verteidiger spielte mit dem Reporter lässig und gekonnt das Frage-Antwort-Spiel. Doch als BT-Sports-Reporter Ray Stubbs, noch im Muttersprachen-Modus nach einer Frage an Terry, selbst leicht ins straucheln kam, war Matic irritiert.
Statt irgendeinen Müll zu blubbern, gab der Serbe ehrlich zu, dass er die Frage nicht verstanden habe und schaute wie ein eingeschüchterter Schuljunge zu Terry. Der komprimierte die 15-Sekunden-Frage in wenige Worte und Matic antwortete artig. Als der Reporter dann zur nächsten Frage ausholte, sprach er Matic mit einer Lautstärke und einer Geschwindigkeit an, als habe dieser innerhalb des Interview sämtlich Latten am Zaun verloren. "ICH GLAUBE, ES FÜHLT SICH SEHR GUT FÜR SIE AN, GANZ OBEN IN DER TABELLE ZU STEHEN. RICHTIG?" Er hat nur eine Frage nicht verstanden...er ist nicht plötzlich hirntot, Herr Stubbs.
Anything else? United-Legende Gary Neville hatte eine tolle Idee. Er wollte sich auf seine wunderschöne Jazz-Gitarre im Great-Britain-Look ein Autogramm von Ur-Brite und Ex-Oasis-Frontmann Noel Gallagher holen. Deshalb schickte der Verteidiger a.D. dem Rockstar das Prachtstück zu und bekam sie wie versprochen kurz darauf unterschrieben zurück. Was Neville allerdings vor dem Absenden der Gitarre hätte bedenken können: Gallegher ist blühender und bekennender City-Fan. Auch deshalb bekam Neville neben dem Autogramm noch einige nette Sätze zusätzlich. Auf der Rückseite des Korpus stand geschrieben: "Lieber Gary, wie viele Länderspieleinsätze für England hattest du? Wie viele davon hast du verdient? Ich werde es dir sagen: Fucking none! Liebe Grüße, Noel Gallagher. MCFC!" Nett von ihm, dass er sich extra die Zeit nimmt und der Interview-Anfrage noch einen persönlichen Touch gibt.
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Primera Division
Von Frank Oschwald
Namensänderung des Spieltags: beIN-Sports ist ein TV-Sender, der international agiert und überall seine Finger im Spiel hat. Ein Big Player im Business, global denkend und überhaupt. Amtssprache? Pff, ein schlechter Witz, English, of course. Auch das Spiel zwischen Real Madrid und Rayo Vallecano strahlte der Sender in die Welt hinaus. Als die Spieler sich in der Halbzeit in die Kabine verabschiedeten, wurde obligatorisch der Spielstand und die Torschützen eingeblendet.
Da Super/Panzer/Superlativ Kroos erst in der 2. Halbzeit sein Unwesen trieb, war der Stand mit 2:1 recht knapp. Doch beIN-Sports wäre kein Global Player, wenn sie nicht ständig international denken würden. Klar, die Torschützen von Real, die kennt jeder. Die kann man ohne schlechtes Gewissen einblenden: G. Bale, S. Ramos. No problem! Bei Rayos Torschütze war man sich dann aber nicht mehr so sicher. Alberto Bueno? Den kennt außerhalb von Spanien doch keine Sau. Das musste geändert werden. Schwupps, wurde aus dem "(44.) Bueno" ein internationales "(44.) Good". Internationalisierung oder Späßchen eines Praktikanten, Toni Big durfte seinen richtigen Namen behalten.
Auswechslung des Spieltags: Der Fußball ist schnelllebig geworden, klar. Kaum sitzt ein vermeintlicher Star mal für 3,5 Millisekunden auf der Bank, wird ihm von sämtlichen Seiten direkt ein Wechsel nahegelegt. Der Vorvertrag ist dann meist schon unterschrieben, der Wechsel im Winter sowieso durch. Welcher Klub? Egal. Nur weg, meist auf die Insel. Nachzufragen bei Herrn Alves oder bei Herrn Pique in Barcelona. Inwiefern beide nun bei Coach Enrique unten durch sind, lässt sich zwar nur mithilfe der geheimen Aufzeichnungen herausfinden.
Einen kleinen Hinweis hat am Wochenende aber zumindest Pique bekommen. Artig wärmte sich der Spanier auf und setzte sich wortlos wieder auf die Bank, als Xavi als dritten Einwechselspieler das Kontingent erschöpfte. Enrique, gerade mit der Auswechslung beschäftigt, drehte sich zur Bank um und sah den Spanier, wie er es sich gerade wieder bequem machen wollte. Lediglich mit einem kaum leichten und kurzen Anheben des Kopfes zeigte er dem Verteidiger allerdings an, er solle sich doch weiter aufwärmen. Wie ein beleidigtes Kleinkind stapfte Pique von der Bank an die Seitenlinie und drehte weiter fleißig seine Bahnen. Der 27-Jährige kam komischerweise nicht mehr in die Partie und hatte den Nachmittag frei.
Algo mas? Zum Schluss müssen hier mal noch zwei Spieler geehrt werden, die im Messi-Ronaldo-Schatten niemand wirklich auf dem Zettel hat, aktuell aber dennoch heiß wie lange nicht laufen. Da ist zum einen Mikel Arruabarrena. Der Stürmer von Eibar ist mit vier Hütten in der aktuellen Saison zumindest mitverantwortlich für die irre Saison des krassen Außenseiters. Vor allem in den letzten beiden Spielen lief der 31-Jährige heiß. Mit seinen letzten vier Schüssen aufs Tor erzielte Arruabarrena drei Buden. In ähnlichen Prozentbereichen ist auch Nordin Amrabat von Malaga unterwegs. Der von Gala ausgeliehene Angreifer ist an sechs von letzten acht Toren seines Vereins direkt beteiligt. Bei gut 600 Minuten Einsatzzeit also jede 100 Minuten gut eine Torbeteiligung. Chapeau, die Herren!
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