"Ich bin Aufbauhelfer"

Thomas Doll wurde beim BVB am 13. März 2007 Nachfolger von Jürgen Röber
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SPOX: In Saudi-Arabien herrscht Geschlechter-Trennung, Alkohol ist verboten, es gibt keine Kinos, Bars oder Diskotheken. Wie haben Sie unter diesen Bedingungen Ihre Freizeit verbracht?

Doll: Das war schon nicht so einfach, die Abende waren manchmal wirklich lang. Ich konnte ja nicht den ganzen Tag in der Shopping Mall herumlaufen (lacht). Man ist letztlich auf das Internet angewiesen. Ich habe mich oft via Skype mit Familie und Freunden unterhalten. Freizeit im üblichen Sinne konnte man das nicht unbedingt nennen. Allerdings war auch mein Trainerteam relativ groß, so dass wir zusammen viel Zeit in unserem Compound verbracht haben.

SPOX: Ein Compound ist so etwas wie ein abgeriegeltes Ausländerviertel. Was konnte man dort anstellen?

Doll: Erst einmal gab es strikte Einlasskontrollen, wenn man mit dem Auto hineinfuhr. Jedes Mal wurde das gesamte Fahrzeug durchleuchtet und nach Sprengstoff abgesucht. Wir hatten dort mehrere Restaurants oder auch ein großes Fitnesscenter. Das war alles vollkommen in Ordnung. Die Menschen waren sehr zuvorkommend und hilfsbereit, es war organisatorisch alles bestens geregelt. Ich habe dort sehr viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die ich aber als wertvoll empfinde und nicht missen möchte.

SPOX: Wie sah es außerhalb des Compounds aus, welchen Eindruck haben Sie von der dortigen Bevölkerung gewonnen?

Doll: Der Kontakt nach außen war auf ein Minimum eingeschränkt, weil ich eben auch beruflich stark beansprucht war. Letztlich ist es doch so: Wenn man in ein solches Land kommt und dort arbeitet, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich den Gegebenheiten anzupassen. Ich hatte mich im Vorfeld informiert, was auf mich zukommt und habe nicht lange gebraucht, um mich an alles zu gewöhnen. Natürlich herrschen dort andere Regeln und Standards, aber wir konnten uns alle gut damit arrangieren.

SPOX: Wieso haben Sie jeweils in Ankara und Riad zugesagt und in diesen Phasen nicht länger auf eine vermeintlich attraktivere Offerte gewartet?

Doll: Man ist ja auch abhängig von Angeboten. Es ist nicht so, dass sich die ganze Welt um Trainer reißen würde, die schon einmal in der Bundesliga gearbeitet haben. Auch der umgekehrte Weg, wieder in die Bundesliga zu kommen, ist nicht leicht. Die deutschen Klubs sind weiterhin mutig und bauen häufig auf Nachwuchstrainer, deren Arbeit sie aus dem Alltag genau kennen. Daher ist es in diesem Beruf normal, dass man sich auch einmal an Standorte begibt, die nicht so im Fokus wie die europäischen Top-Ligen stehen. Man muss einfach offen sein für neue Dinge, die man zuvor vielleicht noch nicht im Detail kennengelernt hat - das war und bin ich durchaus.

SPOX: Sie haben in Hamburg Champions League, in Dortmund UEFA-Cup gespielt und standen im DFB-Pokal-Finale - und waren danach bei Genclerbirligi und Al-Hilal in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten unterwegs. Wie fremd war das damals unmittelbar nach Ihren Jahren in der Bundesliga?

Doll: Ich war gerade in Ankara anfangs sehr ungeduldig. Die sportliche Qualität im Vergleich zur Bundesliga veränderte sich natürlich enorm. Die Trainingseinheiten sehen unter diesen Voraussetzungen einfach anders aus, man muss andere Schwerpunkte wählen als gewohnt. Es gab Spieler, die Einsatzzeiten gefordert haben, bei denen ich mich aber fragte, wie die überhaupt in der ersten Liga gelandet sind (lacht). Es hat deshalb etwas gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe. Das hat man mir auch angesehen. Ich musste mich total umstellen und bin sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle angeeckt, so ehrlich bin ich.

SPOX: Ihr letzter Job bei einem deutschen Verein liegt bald sieben Jahre zurück. Von Ihren bisherigen Engagements, auch jetzt in Budapest, bekommt man in Deutschland kaum etwas mit. Stört es Sie, dass Sie etwas aus dem Fokus geraten sind?

Doll: Nein, überhaupt nicht. Mir reicht die Aufmerksamkeit, die ich im jeweiligen Land genieße. Wer es schade findet, nicht mehr regelmäßig in den deutschen Medien vertreten zu sein, der hat ein Problem mit sich selbst. Früher habe ich immer gehofft, schnellstmöglich wieder zurück in die Bundesliga zu kommen.

SPOX: Und jetzt?

Doll: Dieses Gefühl ist momentan ganz weit weg für mich. Ich brauche das nicht mehr, um glücklich zu sein und mache davon auch nicht meine Laune abhängig. Ich bin davon überzeugt, dass ich ein guter Coach bin. Mir ist wichtig, einen guten Job abzuliefern, mit dem man in Budapest zufrieden ist. Das ist keine Durchgangsstation für mich, das soll auch mein Arbeitgeber sehen und wissen. Ich lebe im Hier und Jetzt und habe gelernt, dass man mit hätte, wenn und aber nicht weit kommt.

SPOX: Sie hatten in Deutschland als Spieler und Trainer den Ruf, locker und nahbar zu sein. Glauben Sie, dass sich dieses Bild mittlerweile verändert hat?

Doll: Das weiß ich nicht und das ist mir auch völlig egal. Es zählen nicht die Schubladen, in die man als Trainer gesteckt wird, sondern letztlich die Ergebnisse. Als wir damals mit dem HSV in die Champions League eingezogen sind, hieß es, ich sei ein moderner Trainer. Die Sache mit der Lockerheit wurde dann herausgekramt, als wir Schwierigkeiten in der Liga bekamen. Daher kann ich mit diesen ganzen Attributen, die man Trainern in unterschiedlichen Phasen anheftet, überhaupt nichts anfangen. Da habe ich mir zu meiner Anfangszeit vielleicht mal ein paar Gedanken gemacht, aber jetzt ist das kein Thema mehr.

SPOX: Mussten Sie sich als Trainer auf eine gewisse Weise neu erfinden, um zu dieser Gelassenheit zu kommen?

Doll: Ich bin sicherlich ruhiger und realistischer geworden. Meine Arbeit auf dem Platz und mein fußballerisches Denken sind davon im Kern aber unberührt geblieben. Früher war ich ein sehr junger Trainer und habe teilweise zu viel Nähe zugelassen. Nun gelingt es mir besser, auf der einen Seite offen und ehrlich zu kommunizieren, auf der anderen aber auch eine natürliche Distanz zu wahren. Ich werde jetzt gesiezt, früher hatte mich der eine oder andere noch geduzt. In dieser Hinsicht habe ich sicherlich dazu gelernt, denke aber auch, dass es normal ist, durch solche Lernprozesse zu gehen.

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