Serie A
Von Oliver Birkner
Schuppen des Spieltags: 90 Minuten sind rum, nachweislich sind die wichtigen Entscheidungen also so gut wie gefallen. Juventus wird die fünfte Meisterschaft in Folge nicht holen und steckt in einer der fettesten Krisen seit Menschengedenken. Auch bei der Roma herrscht das totale Chaos, folglich wird es wieder nicht zum Scudetto langen. Der AC Milan verpasst auch im dritten Jahr den Europapokal und die Fiorentina offeriert unter dem neuen Coach Paulo Sousa den sprudelndsten Fußball der Liga. Ungefähr so richtete der traditionell besonnene italienische Pressechor nach dem ersten Spieltag. Freilich war Juves 0:1-Niederlage gegen Udinese dermaßen sensationell, dass die 264 angereisten Tifosi aus dem Friaul im punktuell besetzten Gästeblock tobten, als wären sie auf Walter White's bombastischem Crystal Meth.
Seit Erfindung des Rads hatten die Turiner bei 33 Siegen und sieben Remis kein Heimspiel zum Saisonauftakt verloren. Ungefähr genauso lange stand Juventus ununterbrochen an der Tabellenspitze, nämlich seit schlanken 64 Spieltagen. Nun rangieren die Bianconeri einen Platz vor den Abstiegsrängen und die Roma ist Zehnter. Am nächsten Sonntag steigt zwischen beiden im Olimpico demnach das erste brisante Kellerduell. Bisweilen wirkte Juve ohne Ideen, verpasste einige Großchancen, litt an der übertriebenen Fintenmanie der neuen Nummer zehn Paul Pogba und kassierte beim ersten Udine-Schuss aufs Tor gleich den Gegentreffer (78., Thereau). Doch Ausfälle wie Sami Khedira, Claudio Marchisio und Alvaro Morata sind nicht von Pappe, zudem muss der Meister den Rückgrat-Verlust Pirlo/Vidal/Tevez langsam verdauen.
Ganz weg ist Pirlo eigentlich doch nicht. Aktuell flimmert der Iceman mit Schuppen über die Bildschirme und stellt die Malaise natürlich prompt mit dem richtigen Shampoo ab. Der Höllenhund besitzt wirklich auf alles eine Antwort - du fehlst nicht nur Juve, grande Maestro.
Fauler Apfel des Spieltags: Treffen sich zwei auf einem Parkplatz der Peripherie in einem abgedunkelten Mini Van. Die Szene könnte aus Homeland stammen oder die neue Weltrettungs-Sause des Jack Bauer einläuten. Letztlich saßen in der Karre jedoch nur Milan-Coach Sinisa Mihajlovic und Mario Balotelli. Beide arbeiteten 2008 schon bei Inter zusammen, und Mario steht nach dem Geheimtreff in Florenz vor einer Rückkehr zu Milan.
Am Ende so la la geheim, weil die Nachricht rasend auch den letzten Winkel der Halbinsel erreichte. In jedem Fall soll Supermario wieder ins rotschwarze Trikot, in dem er in 54 Partien 30 Tore schoss. Liverpool möchte Mario händeringend von der Insel schippern und bot eine kostenfreie Leihgabe mit der Verpflichtung, 50 Prozent des Gehalts weiterzuzahlen. Balotelli versprach Mihajlovic aufopferungsvollen Einsatz in Training und Spiel, ferner sei er mittlerweile ein völlig anderer Mensch und eskapadenfrei. Moment, das kommt einem irgendwie bekannt vor. Und hatte Patron Silvio Berlusconi nicht im letzten Jahr gestöhnt "Balotelli ist ein fauler Apfel, der den gesamten Kader infiziert"? Alles vergessen, wie Sportchef Adriano Galliani versicherte: "Manche Liebe nimmt große Umwege und kehrt dann zurück. Der Presidente und ich sind eben Romantiker."
Da kullern vor Rührung beinahe Freudentränen. Schade bloß, dass der Transfer zu Sampdoria damit platzt. Balotelli, Antonio Cassano und Präsident Massimo "die Viper" Ferrero unter einem Dach - das wäre die grandioseste Rock-Show des Universums geworden.
Und sonst? Zum Abschluss noch die neueste Gelehrtheit der Fußballfachwelt. Die verkündete allen Calcio-Jüngern weltweit Roma-Coach Rudi Garcia nach dem 1:1 bei Hellas: "Wenn man nicht gewinnt, ist ein Remis das beste Ergebnis." Kein Einspruch, Euer Ehren.
Serie A: Walter White's bombastisches Crystal Meth