SPOX: Sah Ihr fußballerischer Alltag in China auch anders aus als in Europa?
Salihovic: Grundsätzlich ist das Leben als Fußballer premium: Man geht zum Training, hat Spaß, geht nach Hause und hat viel Freizeit. Das ist in China nicht anders und deshalb habe ich schon ein bisschen was vom Land gesehen. Ich habe mir die Stadt und Sehenswürdigkeiten angeschaut und war auf der Chinesischen Mauer. In Europa sind die Strukturen jedoch professioneller, das war mir aber auch im Vorhinein klar.
SPOX: Wie äußert sich das im Detail?
Salihovic: In China gibt es beispielsweise keinen Ernährungsberater und ich habe mich anfangs nur von Reis und Nudeln ernährt. In Europa ist das gesamte System auf einem sehr hohen Niveau, da liegen Welten dazwischen. Das wird zwar bereits in Angriff genommen und es werden reihenweise Fußballschulen gebaut, aber bis das Früchte trägt, dauert es noch.
SPOX: Auf welchem Niveau sehen Sie den Fußball in China aktuell?
Salihovic: Mit den ausländischen Spielern, die dorthin gewechselt sind, ist die Qualität stark gestiegen. Einige chinesische Teams können es mit der Bundesliga aufnehmen, weil sich in der Offensive bereits viel Qualität tummelt. Andere Teams sind aber vielleicht auf dem Niveau der 2. Liga. Grundsätzlich sind die chinesischen Teams in der Defensive taktisch deutlich hinterher, weil sie undiszipliniert stehen.
SPOX: Gibt es dort durch das viele Geld eine Aufbruchsstimmung im Fußball?
Salihovic: Das auf jeden Fall. Vor allem in der 1. Liga sieht man schon sehr viele begeisterte Fans, die die Superstars feiern. Da kommen zwischen 30.000 und 40.000 Zuschauer zu den Spielen. Da herrscht eine Aufbruchsstimmung.
SPOX: Würden Sie einem Kollegen raten, nach China zu wechseln?
Salihovic: Das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber für einen 25-Jährigen ist es schon ein fraglicher Schritt. Man weiß ja, worauf man sich einlässt. Nach China wechselt man hauptsächlich des Geldes wegen - und man verdient tatsächlich unheimlich viel. Aber ich war keine 25 mehr, sondern über 30 und es war ein guter Zeitpunkt, dieses Abenteuer anzugehen.
SPOX: Nachdem der Aufstieg mit BJ Renhe knapp scheiterte, war das Abenteuer wieder vorbei und Sie haben die vergangene Wintervorbereitung bei Hoffenheim mitgemacht. Wie kam es dazu?
Salihovic: In China war die Saison schon im Sommer zu Ende und ich habe meinen Vertrag dort aufgelöst. Zu Hoffenheim hatte ich durchgehend Kontakt und ich wollte mich während der langen Pause fit halten. Mit Alexander Rosen stand ich auch in China im Austausch und als ich gefragt habe, ob ich mich dort fit halten darf, hat er sofort zugestimmt. Ich wusste, dass im Winter ein Verein kommen könnte und dafür wollte ich bereit sein.
SPOX: Warum fiel die Wahl auf St. Gallen?
Salihovic: Ich kannte Joe Zinnbauer bereits aus meiner Zeit in Deutschland. Wir hatten ab und zu Kontakt und dann hat er mich im Winter gefragt, ob ich Lust auf die Aufgabe in St. Gallen habe. Da es tolle Gespräche waren, habe ich bis zum Sommer unterschrieben.
SPOX: Im SPOX-Interview hat Zinnbauer langfristige Überlegungen mit St. Gallen angestellt. Wie spürt man diese strategische Arbeitsweise im Alltag?
Salihovic: Er will hier etwas aufbauen und unter ihm geht es mit der Mannschaft und dem ganzen Verein aufwärts. Besonders, wenn man das Budget mit den anderen Teams vergleicht, leisten er und der Verein eine gute Arbeit hier.
SPOX: Welches Potenzial sehen Sie bei St. Gallen?
Salihovic: Es sind viele gute Spieler im Kader und wir haben die Möglichkeit, um Europa mitzuspielen. Die Mischung in der Mannschaft stimmt: Mit Karim Haggui und Tranquillo Barnetta etwa haben wir erfahrene Spieler, mit Gianluca Gaudino hingegen auch ein großes Talent.
SPOX: Sie selbst kamen bislang lediglich zu ein paar Kurzeinsätzen. Hatten Sie sich den Start einfacher vorgestellt?
Salihovic: Natürlich habe ich in letzter Zeit nicht viel gespielt, aber ich warte auf meine Chance und werde sie dann nutzen. Auch wenn Joe Zinnbauer mich verpflichtet hat, kann er meinetwegen nicht alles auf den Kopf stellen.
SPOX: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Gibt es da schon Überlegungen, wie es weitergeht?
Salihovic: Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Ich will im Endspurt so viele Spiele wie möglich bestreiten und dann werden wir uns zusammensetzen. Grundsätzlich bin ich noch für alle Optionen offen und genau so ist das mit dem Verein abgesprochen.
SPOX: Ist auch eine Rückkehr nach Deutschland ein Thema?
Salihovic: Grundsätzlich auf jeden Fall. Es gibt natürlich Gedankenspiele über die Zeit nach meiner aktiven Karriere. Es könnte zum Beispiel passieren, dass ich nochmal bei Hoffenheim aufschlage. Aber ich bin noch fit und will noch ein paar Jahre Fußball spielen. Deshalb ist es jetzt noch zu früh, um da seriöse Prognosen abzugeben.
Sejad Salihovic im Steckbrief