"Das Leben als Fußballer ist premium"

Adrian Fink
14. April 201712:10
Sejad Salihovic ist mit Hoffenheim bis in die Bundesliga aufgestiegenimago
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Bei der TSG Hoffenheim wurde Sejad Salihovic zur Vereinslegende, ehe er Sinsheim 2015 verließ und nach China wechselte. Nach einem Jahr zog es den heute 32-Jährigen zurück nach Europa zum FC St. Gallen. Ein Gespräch über den Hoffenheimer Durchmarsch in die Bundesliga, Julian Nagelsmann, das Abenteuer in China mit Kumpel Zvjezdan Misimovic und die Arbeit unter Joe Zinnbauer.

SPOX: Herr Salihovic, Sie wurden mit der TSG Hoffenheim 2008 als Bundesliga-Neuling Herbstmeister. Wie oft denken Sie noch daran zurück?

Sejad Salihovic: Es war eine schöne Zeit mit tollen Mitspielern und Verantwortlichen. Ich bin stolz auf diesen Erfolg und freue mich, dass ich dabei sein durfte und diese Ära auch prägen konnte.

SPOX: Sie sind mit Hoffenheim von der Regionalliga in die Bundesliga gestürmt und haben einer ganzen Generation Ihren Stempel aufgedrückt. Selbst Dietmar Hopp hat sich nach Ihrem Abgang zu Wort gemeldet.

Salihovic: Das war sehr emotional. Grundsätzlich kann ich über Dietmar Hopp nur lobende Wort verlieren. Er hat sehr viel Geld investiert - nicht nur in den Verein, sondern für die Gegend allgemein. Er hilft den Menschen in der Region und erschafft ganz neue Möglichkeiten. So ein Engagement gibt es nicht oft in Deutschland und trotzdem wirft er nicht mit dem Geld durch die Gegend wie andere Investoren in Europa. Er macht das auf eine positive und schlaue Art und Weise.

SPOX: War diese rasante Entwicklung für Sie schon von Anfang an absehbar?

Salihovic: Als ich in Regionalliga gewechselt bin, hat mir Ralf Rangnick seine Pläne offen geschildert. Das war ambitioniert und realistisch zugleich. Es hat sich alles gut angehört, aber ich habe nicht erwartet, dass es so schnell so hoch hinausgeht. Im Endeffekt war Hoffenheim das Sprungbrett für meine Karriere und auch für meine persönliche Entwicklung war das ein wichtiger Schritt. Es war auf allen Ebenen die beste Entscheidung, nach Hoffenheim zu wechseln. Dort konnte ich ein tolles Projekt vorantreiben.

SPOX: Sie haben es angesprochen: Rangnick hatte auch einen großen Anteil daran. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Salihovic: Rangnick ist fußballbesessen, ehrgeizig und arbeitet sehr hart. Er hat eine klare Philosophie und lässt sich nicht dazwischenreden - er weiß ganz genau, was er will. Bei ihm darf man nicht aus der Reihe tanzen, sondern muss so arbeiten, wie er es vorgibt. Damals haben wir das alle gemacht und dadurch haben wir seine und unsere Ziele erreicht. Man sieht ja auch jetzt, was für einen Erfolg er in Leipzig feiert. Das kommt nicht von alleine. Obwohl dort keine großen Stars in der Mannschaft sind, sorgt er für Furore. Rangnick setzt überall seine Philosophie durch. Er hat den Grundstein für das Projekt Hoffenheim gelegt.

SPOX: Nach dem rasanten Aufstieg stagnierte Hoffenheim in den letzten Jahren ein wenig. Mit Julian Nagelsmann, den Sie noch als Co-Trainer kennengelernt haben, ist neuer Schwung da. Wie sehen Sie ihn?

Salihovic: Nagelsmann ist ein unheimlich positiver Mensch, der sehr gekonnt mit dem Erfolg umgeht. Andere Trainer würden bei seinem Erfolg durchdrehen. Egal, ob es gut oder schlecht läuft, er verfolgt seine klare Linie und macht einen super Job. Hoffenheim kann sich glücklich schätzen, einen Trainer wie ihn zu haben. In den Jahren zuvor war es ein wildes Hin und Her und jeder Trainer hat auf andere Spieler und Strategien gesetzt, das war chaotisch. Ich wünsche der TSG, dass sie ihn noch lange halten kann.

SPOX: Käme das internationale Geschäft noch zu früh?

Salihovic: Hoffenheim verdient sich gerade den internationalen Fußball. Der Kader hat genug Qualität und Breite, um in der nächsten Saison Bundesliga und gleichzeitig in Europa zu spielen. Die Euphorie in Hoffenheim ist im Moment mit der Herbstmeistersaison vergleichbar. Das ist ein verschworener Haufen und die Jungs haben Spaß auf dem Platz. Das ist ein Zeichen der Arbeit von Julian Nagelsmann. In der Bundesliga spielen wenige Vereine so ansehnlich wie Hoffenheim. Der Verein liegt mir immer noch am Herzen und ich pflege regen Kontakt mit den Verantwortlichen.

SPOX: Trotzdem wechselten Sie im Sommer 2015 nach China zu Guizhou Renhe. Wie kam der Kontakt zustande?

Salihovic: Ich war in Hoffenheim unzufrieden, weil ich unter Markus Gisdol kaum gespielt habe. Wir haben uns offen unterhalten und uns auf einen Abschied geeinigt. Zvjezdan Misimovic war bereits bei diesem Verein und der Präsident hat ihn gefragt, ob er einen guten Sechser kennt. Daraufhin hat mich Zwetschge angerufen und das mit dem Präsidenten geklärt. Zwetschge hat also den Kontakt nach China hergestellt, ich habe das dann noch mit meiner Familie besprochen und zugesagt.

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SPOX: Was war ausschlaggebend für den Wechsel nach China?

Salihovic: Natürlich hat Geld eine große Rolle gespielt, aber für mich waren auch die neue Erfahrung und Misimovic sehr wichtig. Wir kannten uns davor schon aus der Nationalmannschaft und privat und er hat mir den Einstieg in diesem fremden Land erleichtert. Besonders bei so einem radikalen Schritt ist es hilfreich, wenn man einen guten Freund hat, der einem gewisse Gepflogenheiten zeigen kann.

SPOX: Welche Umstellung fiel Ihnen am schwersten?

Salihovic: Zum Glück bin ich ein einfacher Mensch und habe die Einschränkungen von Anfang an ohne größere Probleme ausgehalten. Aber ich habe im ersten halben Jahr in einer Vier-Millionen-Stadt gelebt, in der überhaupt nichts los war. Das war schon langweilig. Die Kultur ist natürlich grundlegend anders als in Europa und daran muss man sich gewöhnen.

SPOX: Sah Ihr fußballerischer Alltag in China auch anders aus als in Europa?

Salihovic: Grundsätzlich ist das Leben als Fußballer premium: Man geht zum Training, hat Spaß, geht nach Hause und hat viel Freizeit. Das ist in China nicht anders und deshalb habe ich schon ein bisschen was vom Land gesehen. Ich habe mir die Stadt und Sehenswürdigkeiten angeschaut und war auf der Chinesischen Mauer. In Europa sind die Strukturen jedoch professioneller, das war mir aber auch im Vorhinein klar.

SPOX: Wie äußert sich das im Detail?

Salihovic: In China gibt es beispielsweise keinen Ernährungsberater und ich habe mich anfangs nur von Reis und Nudeln ernährt. In Europa ist das gesamte System auf einem sehr hohen Niveau, da liegen Welten dazwischen. Das wird zwar bereits in Angriff genommen und es werden reihenweise Fußballschulen gebaut, aber bis das Früchte trägt, dauert es noch.

SPOX: Auf welchem Niveau sehen Sie den Fußball in China aktuell?

Salihovic: Mit den ausländischen Spielern, die dorthin gewechselt sind, ist die Qualität stark gestiegen. Einige chinesische Teams können es mit der Bundesliga aufnehmen, weil sich in der Offensive bereits viel Qualität tummelt. Andere Teams sind aber vielleicht auf dem Niveau der 2. Liga. Grundsätzlich sind die chinesischen Teams in der Defensive taktisch deutlich hinterher, weil sie undiszipliniert stehen.

SPOX: Gibt es dort durch das viele Geld eine Aufbruchsstimmung im Fußball?

Salihovic: Das auf jeden Fall. Vor allem in der 1. Liga sieht man schon sehr viele begeisterte Fans, die die Superstars feiern. Da kommen zwischen 30.000 und 40.000 Zuschauer zu den Spielen. Da herrscht eine Aufbruchsstimmung.

SPOX: Würden Sie einem Kollegen raten, nach China zu wechseln?

Salihovic: Das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber für einen 25-Jährigen ist es schon ein fraglicher Schritt. Man weiß ja, worauf man sich einlässt. Nach China wechselt man hauptsächlich des Geldes wegen - und man verdient tatsächlich unheimlich viel. Aber ich war keine 25 mehr, sondern über 30 und es war ein guter Zeitpunkt, dieses Abenteuer anzugehen.

SPOX: Nachdem der Aufstieg mit BJ Renhe knapp scheiterte, war das Abenteuer wieder vorbei und Sie haben die vergangene Wintervorbereitung bei Hoffenheim mitgemacht. Wie kam es dazu?

Salihovic: In China war die Saison schon im Sommer zu Ende und ich habe meinen Vertrag dort aufgelöst. Zu Hoffenheim hatte ich durchgehend Kontakt und ich wollte mich während der langen Pause fit halten. Mit Alexander Rosen stand ich auch in China im Austausch und als ich gefragt habe, ob ich mich dort fit halten darf, hat er sofort zugestimmt. Ich wusste, dass im Winter ein Verein kommen könnte und dafür wollte ich bereit sein.

SPOX: Warum fiel die Wahl auf St. Gallen?

Salihovic: Ich kannte Joe Zinnbauer bereits aus meiner Zeit in Deutschland. Wir hatten ab und zu Kontakt und dann hat er mich im Winter gefragt, ob ich Lust auf die Aufgabe in St. Gallen habe. Da es tolle Gespräche waren, habe ich bis zum Sommer unterschrieben.

SPOX: Im SPOX-Interview hat Zinnbauer langfristige Überlegungen mit St. Gallen angestellt. Wie spürt man diese strategische Arbeitsweise im Alltag?

Salihovic: Er will hier etwas aufbauen und unter ihm geht es mit der Mannschaft und dem ganzen Verein aufwärts. Besonders, wenn man das Budget mit den anderen Teams vergleicht, leisten er und der Verein eine gute Arbeit hier.

SPOX: Welches Potenzial sehen Sie bei St. Gallen?

Salihovic: Es sind viele gute Spieler im Kader und wir haben die Möglichkeit, um Europa mitzuspielen. Die Mischung in der Mannschaft stimmt: Mit Karim Haggui und Tranquillo Barnetta etwa haben wir erfahrene Spieler, mit Gianluca Gaudino hingegen auch ein großes Talent.

SPOX: Sie selbst kamen bislang lediglich zu ein paar Kurzeinsätzen. Hatten Sie sich den Start einfacher vorgestellt?

Salihovic: Natürlich habe ich in letzter Zeit nicht viel gespielt, aber ich warte auf meine Chance und werde sie dann nutzen. Auch wenn Joe Zinnbauer mich verpflichtet hat, kann er meinetwegen nicht alles auf den Kopf stellen.

SPOX: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Gibt es da schon Überlegungen, wie es weitergeht?

Salihovic: Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Ich will im Endspurt so viele Spiele wie möglich bestreiten und dann werden wir uns zusammensetzen. Grundsätzlich bin ich noch für alle Optionen offen und genau so ist das mit dem Verein abgesprochen.

SPOX: Ist auch eine Rückkehr nach Deutschland ein Thema?

Salihovic: Grundsätzlich auf jeden Fall. Es gibt natürlich Gedankenspiele über die Zeit nach meiner aktiven Karriere. Es könnte zum Beispiel passieren, dass ich nochmal bei Hoffenheim aufschlage. Aber ich bin noch fit und will noch ein paar Jahre Fußball spielen. Deshalb ist es jetzt noch zu früh, um da seriöse Prognosen abzugeben.

Sejad Salihovic im Steckbrief