"Jetzt hat er Messi und mich trainiert"

Von Mario Krischel
Julian Gressel spielte in Deutschland Landesliga und Regionalliga, bevor er in die USA ging
© imago
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SPOX: Wenn man Ihr Twitter-Profil durchstöbert, stößt man ganz schön häufig auf #Gresselmania. Gerade erst in der MLS und schon ein eigener Hashtag, was für eine Ehre!

Gressel: Das habe ich den Fans zu verdanken, die haben sich das ausgedacht. Natürlich ehrt es einen, wenn die Fans die eigene Leistung anerkennen. Es gibt sogar ein T-Shirt mit diesem Hashtag.

SPOX: Gegen die New York Red Bulls standen Sie zum Saisonauftakt bei ihrem Debüt vor 45.000 Zuschauern in der Startelf. Mehr als vielen in den europäischen Top-Ligen vergönnt ist.

Gressel: Ein unbeschreibliches Gefühl. Mein Profi-Debüt, das erste Spiel des Vereins überhaupt und dann vor so einer Kulisse. Auch wenn wir verloren haben, war es ein richtig cooler Tag. Meine Mutter ist extra für das Spiel rübergeflogen und hat es sich angeschaut.

SPOX: Aus dem Nichts wird man auf einmal von so einer Riesenkulisse bejubelt, die den Verein vor wenigen Monaten logischerweise noch gar nicht gekannt hat. Inwiefern kann man das vielleicht auch mit RB Leipzig aus der Bundesliga vergleichen?

Gressel: Atlanta war ähnlich wie Leipzig ein Riesenmarkt, der noch kein Fußball-Team in der Nähe hatte. Der Verein hat es geschafft, den Fans das zu geben, wonach sie sich gesehnt haben. Unsere nächsten 15 Heimspiele sind alle ausverkauft, das sagt wohl alles.

SPOX: Haben Sie NBA-Star Dennis Schröder eigentlich schon kennengelernt?

Gressel: Tatsächlich ja, er hat mich schon oft zu Spielen von den Hawks eingeladen und besitzt sogar eine Dauerkarte bei uns. Wir schreiben uns bei Twitter häufig, neulich haben wir uns nach einem Spiel von ihm mal unterhalten.

SPOX: Washingtons Julian Büscher und Philadelphias Fabian Herbers haben den gleichen Werdegang wie Sie hinter sich. Sehen Sie sich als Vorbild für andere Deutsche?

Gressel: Natürlich. Viele haben mich bereits aus der Heimat kontaktiert und fragen mich nach Providence, weil sie auch sehen, dass es in Deutschland immer schwerer wird. Ich habe ein offenes Ohr für jeden, der da mehr wissen möchte.

SPOX: Aus deutscher Sicht hat natürlich der Wechsel von Bastian Schweinsteiger nach Chicago für Aufsehen gesorgt. Wie haben Sie den Hype um den Weltmeister wahrgenommen?

Gressel: Ich war mittendrin im Hype! Ich bin seit klein auf ein riesen Schweini-Fan, er war wirklich schon immer mein Lieblingsspieler. Bei der Combine habe ich auch mit Chicago gesprochen, die mir dann von Schweini erzählt haben und wollten, dass wir das deutsche Duo bilden. Ich finde es klasse, dass er jetzt auch hier spielt und freue mich total, wenn wir aufeinandertreffen.

SPOX: Haben Sie dann den Kontakt gesucht, um Schweinsteiger ein paar Tipps für die USA zu geben?

Gressel: Er ist sicherlich erfahren genug, alleine klarzukommen. Wir hatten leider noch keinen Kontakt, aber wenn wir dann gegeneinander spielen, werde ich ihn nach seinem Trikot fragen.

SPOX: Sie würden mit Atlanta doch bestimmt auch gerne mal Weltmeister werden...

Gressel: Manche Reporter haben leider noch nicht so viel Ahnung, aber es ist auch gut, dass das jetzt alle wissen.

SPOX: Ist das nicht ein kleiner Tiefschlag, wenn ein Journalist bei der Vorstellung von einem der bekanntesten Fußballer der Welt nicht mal weiß, wie das Liga-System im eigenen Land funktioniert?

Gressel: Der Fußball wird hier anders wahrgenommen und es gibt Leute, die noch nicht bestens Bescheid wissen. Aber das ist gut, jeder muss sich weiterentwickeln. Außerdem hatten wir doch alle was zu lachen.

SPOX: In den letzten Jahren war dieser Aufschwung nicht nur national, sondern auch international bemerkbar. Helfen Weltstars wie David Villa, Andrea Pirlo (beide New York City FC), Kaka (Orlando City) und eben auch Schweinsteiger der Liga bei der globalen Vermarktung?

Gressel: Vor allem Schweini hilft, weil er auch noch gut Fußball spielt. David Villa wurde im letzten Jahr zum MVP gewählt. Es gibt auch Negativ-Beispiele. Solange sie nicht nur den Namen haben, sondern auch gute Leistungen zeigen, ist es in jeder Hinsicht hilfreich. Dank Schweini war Chicagos Stadion zum ersten Mal seit fünf Jahren ausverkauft. Man merkt, dass es den Fußball im Land weiterbringt und auch mehrere Spieler in Europa aufmerksam macht.

SPOX: Was sagen Sie dem Fußballfan, der die MLS als Retirement-Liga abstempelt?

Gressel: Dass er mal genauer hinschauen soll. Wir haben in Atlanta eine extrem junge Truppe. Keiner, der bei uns die Gehaltsgrenze überschreitet, ist älter als 23. Die werden alle noch bessere Verträge in ihrem Leben unterschreiben und sehen die MLS als Sprungbrett.

SPOX: In der Eastern Conference liegen Sie hinter Schweinsteigers Chicago nach wie vor in Schlagdistanz zu den Playoff-Plätzen. Wie lautet das Ziel?

Gressel: Wir wollen in die Playoffs und dann kann alles passieren. Das Potenzial haben wir definitiv. Wir hatten schon eine Schwächephase, aber das ist normal bei einer ganz neuen Mannschaft. Wenn wir uns nicht nochmal selbst im Weg stehen, sollten wir es unter die ersten Sechs schaffen.

SPOX: Sie sind mit nun 23 Jahren einer der jüngsten Spieler der Liga und sorgen schon für Aufsehen. Da kann der Karriereweg ja eigentlich nochmal nach Deutschland führen.

Gressel: Im Hinterkopf habe ich die Bundesliga natürlich. Es wäre wunderschön, wenn ich einmal um halb vier am Samstagnachmittag dort auflaufen könnte. Ich wäre aber nicht unzufrieden, wenn ich noch zwölf Jahre in der MLS spielen würde.

Julian Gressel im Steckbrief