Interview mit dem Präsidenten des ältesten Fußballklubs: "Will Partnerschaft mit Katar"

Nino Duit
04. Januar 201813:28
Richard Tims arbeitet seit 1998 für den Sheffield FC und ist mittlerweile Vereinspräsidentgetty
Werbung

Der älteste Fußballklub der Welt, der Sheffield FC, spielt in der achthöchsten englischen Spielklasse - und sucht Fans auf dem ganzen Planeten. Im Interview offenbart Präsident Richard Tims die großen Ideen des kleinen Klubs. Es geht um ein neues Stadion samt Besucherzentrum, Partnerschaften mit Katar und China, Kölner Fans und Abendessen mit dem Präsidenten von Real Madrid.

SPOX: Herr Tims, wir sitzen im Stadion des Sheffield FC in Dronfield, einige Kilometer außerhalb von Sheffield. Warum hier?

Richard Tims: Der Sheffield FC wurde 1857 in Olive Grove etwas südlich des Zentrums von Sheffield gegründet, wo wir dann knapp drei Jahre lang gespielt haben. In den folgenden 140 Jahren hatten wir aber kein eigenes Stadion und sind deshalb von Sportplatz zu Sportplatz und quer durch die Stadt gezogen. Als ich mit meiner Firma 1998 als Sponsor eingestiegen bin, spielte der Verein gerade in einem alten Leichtathletikstadion. Ich wollte uns aber eine feste Heimat geben und 2001 hat sich die Möglichkeit ergeben, nach Dronfield zu kommen. Demnächst werden wie aber zu unseren historischen Wurzeln nach Olive Grove zurückkehren.

SPOX: Was ist genau geplant?

Tims: Wir haben dort ein Grundstück erworben, auf dem wir ein Stadion mit 5000 Plätzen und ein Besucherzentrum mit einem Vereinsmuseum bauen wollen. Ich habe neun Jahre gebraucht, um diesen Plan auszuarbeiten und zu finanzieren. Die Stadt Sheffield hat sich aber auch für unsere Rückkehr eingesetzt, weil wir eine weltweite Reichweite haben und mit diesem Projekt Touristen anlocken werden.

SPOX: Was wollen Sie mit der neuen Anlage erreichen?

Tims: Sie wird ein touristischer Hotspot für Fans aus aller Welt. Wir sind der Opa der Fußballwelt und jeder sollte seinen Opa besuchen. Wer für ein Spiel des Liverpool FC oder Manchester United nach England kommt, soll auf dem Heimweg bei uns vorbeischauen, ein Bier trinken und ein Erinnerungsstück kaufen. So können wir weltweit Fans gewinnen. Dabei kommt uns natürlich entgegen, dass uns prinzipiell jeder sympathisch findet. Ich habe jedenfalls noch keinen getroffen, der den ältesten Klub der Welt nicht mag.

SPOX: Warum gibt es solche Pläne erst jetzt?

Tims: In Sheffield wusste seit jeher jeder, dass wir der älteste Fußballverein der Welt sind, aber in der restlichen Welt war unsere Geschichte bis zu meiner Ankunft weitestgehend unbekannt. Nur alt zu sein, reicht eben nicht, um Interesse zu wecken. Wir waren schließlich 140 Jahre lang alt und es hat keinen interessiert. Es kommt darauf an, was man aus diesem Fakt macht und wie man ihn vermarktet. Ich komme aus dem Marketing und habe erkannt, dass man zwei verschiedene Aspekte sehen muss. Wir sind einerseits ein normaler Fußballverein, in dem viele Kinder, Frauen und Männer Sport treiben. Und andererseits die Marke "ältester Fußballklub der Welt". Für den Klub an sich interessiert sich niemand, aber für die Marke schon - sonst würde ja niemand über uns berichten oder uns besuchen. Deshalb müssen wir diese Marke immer weiterentwickeln und neue Märkte erschließen. Wir brauchen kreative Ideen, um diesen Klub am Leben zu halten und wachsen zu lassen.

SPOX-Redakteur Nino Duit traf Richard Tims im Stadion des Sheffield FCspox

SPOX: Kann man es damit auch übertreiben?

Tims: Nein, wir vermarkten uns noch nicht genug. Wenn man ein Alleinstellungsmerkmal hat, muss man es so gut wie möglich ausnutzen. Wir dürfen unsere Werte natürlich nicht aufgeben, aber ein gewisses Maß an Kommerz ist nötig, weil sich der Fußball heutzutage um Geld dreht. Soll ich Ihnen was sagen?

SPOX: Bitte.

Tims: Wir sind an einigen Projekten in Katar beteiligt. In dem Land also, das viele für den Teufel des Fußballs halten. Ich finde es aber zum Beispiel falsch zu sagen, dass Katar keine WM ausrichten sollte, nur weil es keine etablierte Fußballnation ist. Wir sind die Pioniere des Weltfußballs und als solche wollen wir auch aktuelle Pioniere wie Katar unterstützen. Meine Idee ist es, die futuristischste WM aller Zeiten mit der Heimat des Fußballs zu verbinden. Ich will eine Partnerschaft mit Katar entwickeln, von der beide Seiten profitieren. Sie lernen von uns, wie der Fußball einst begonnen hat und wir finden womöglich neue Sponsoren.

SPOX: Wie sind Sie mit Katar in Kontakt gekommen?

Tims: Ich kenne den Chef des Organisationskomitees der WM 2022 Hassan Abdullah Al-Thawadi, weil er einst in Sheffield studiert hat. Außerdem habe ich vor der WM-Vergabe alle Bewerber-Nationen besucht. Es ging mir dabei aber nicht darum, eine geile Zeit zu haben, sondern unsere Marke bekannt zu machen.

SPOX: Wurden Sie bereits von großen Unternehmen angesprochen, die bei Ihrem Verein einsteigen wollen?

Tims: Vertreter von Red Bull haben mich bei einer Veranstaltung mal im Spaß gefragt, ob ich mir ein Sponsoring und eine Umbenennung in Red Bull Sheffield vorstellen könnte. Da habe ich aber dankend abgelehnt.

SPOX: Plant Ihr Verein noch andere Partnerschaften, vergleichbar mit der in Katar?

Tims: Wir bauen gerade einen Partnerklub in China auf, den Sheffield FC China. Das Ziel ist es, den dortigen Spielern Stipendien in England zu organisieren. Sie sollen hierherkommen, von unserem Bildungssystem profitieren, die Sprache lernen, Fußball spielen und dann mit neuen Erfahrungen nach China zurückkehren. Außerdem haben wir den "Klub der Pioniere" aufgebaut.

SPOX: Was ist die Idee dahinter?

Tims: In jedem Land gibt es einen ältesten Fußballverein. Manche sind sehr groß wie Galatasaray in der Türkei, andere sehr klein wie der Koninklijke HFC aus der niederländischen Stadt Haarlem. Wir wollen alle diese Pioniere zusammenbringen und dann im Rahmen von Bildungsprogrammen herausfinden, wie und wann der Fußball in den unterschiedlichen Ländern angefangen und sich entwickelt hat. Der Fußball ist immer die Basis, aber darüber hinaus kann man sich auch mit Themen wie Geschichte, Geografie oder Gesundheitswesen beschäftigen.

SPOX: Der Sheffield FC hat 2007 sein 150-jähriges Jubiläum gefeiert. Wie wurde das begangen?

Tims: Wir haben an der Bramall Lane vor knapp 22.000 Zuschauern gegen Inter Mailand gespielt, unter anderem sind Marco Materazzi und Mario Balotelli aufgelaufen. Sogar Pele war zu Gast und hat mir nach dem Spiel gesagt: "Ohne den Sheffield FC gäbe es mich nicht." Das hat mich sehr gefreut.

SPOX: Sie verkehren also in den höchsten Fußballkreisen.

Tims: Ich bin eigentlich ein armer Bub aus Sheffield, aber dank meiner Position durfte ich beispielsweise schon mit dem Präsidenten von Real Madrid zu Abend essen. Als die FIFA 2004 ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert hat, wurde zwei Vereinen der FIFA Order of Merit verliehen: Real Madrid, dem erfolgreichsten Klub der Welt, und dem Sheffield FC, dem ältesten Klub der Welt. Ich stand dann gemeinsam mit Emilio Butragueno und Alfredo Di Stefano auf der Bühne und habe die Auszeichnung entgegengenommen.

SPOX: Kamen Sie im Rahmen Ihrer Arbeit auch schon mit deutschen Vereinen oder Persönlichkeiten in Kontakt?

Tims: Wir haben sehr gute Beziehungen zu Borussia Dortmund und vielleicht kommt 1860 München demnächst für ein Freundschaftsspiel vorbei. Vergangenen Sommer haben uns außerdem 450 Fans des 1. FC Köln besucht.

SPOX: Was haben die hier gemacht?

Tims: Sie haben mich per Email kontaktiert und gefragt, ob sie sich den Verein und das Gelände ansehen dürften - was sie natürlich durften. Sie sind dann betrunken angekommen, haben in unserem Pub noch mehr getrunken und sind am Ende betrunken zurückgeflogen. Weil wir an diesem Wochenende kein Heimspiel hatten, haben wir eine Partie zwischen den Kölnern und unseren Fans organisiert. Alle Kölner haben sogar zehn Pfund gezahlt, um ihren eigenen Freunden beim Fußballspielen zuschauen zu dürfen. Das war fantastisch.

SPOX: Wie ist die Stimmung bei normalen Heimspielen?

Tims: Ein paar Kinder singen immer, aber richtigen Support gibt es keinen. Meistens kommen zwischen 250 und 400 Zuschauer zu unseren Spielen, was für die Umgebung in Ordnung ist. Für die ursprünglichen Anhänger aus Sheffield ist es aktuell natürlich schwierig, weil unser Stadion außerhalb der Stadt liegt. Dafür sind immer viele internationale Fans hier. Nach dem Umzug in unsere ursprüngliche Heimat rechnen wir mit 1000 bis 2000 Zuschauern pro Spiel.

SPOX: Der Sheffield FC spielt aktuell in der achthöchsten Leistungsstufe. Was sind die sportlichen Ziele?

Tims: Als Fußballverein will man immer Spiele gewinnen und aufsteigen, aber wir haben ein Limit. Unser Ziel ist der Aufstieg in die fünfthöchste Liga, aber dann ist Schluss, weil darüber in England der professionelle Fußball anfängt. Unsere beiden Vereinsgründer William Prest und Nathaniel Creswick waren Gentlemen, die nur aus Liebe zum Sport gespielt haben und kein Geld verdienen wollten. Bis zur Einführung des Profitums in den 1880er Jahren haben wir zu den besten Mannschaften des Landes gezählt. Während aber andere Vereine begannen, ihre Spieler zu bezahlen, haben wir unsere Tradition fortgesetzt und den Amateurstatus beibehalten. 1904 haben wir den FA Amateur Cup gewonnen. Das war wohl der größte sportliche Erfolg der Vereinsgeschichte. Heute sehen wir uns in Sheffield als Alternative zu den beiden großen Profivereinen der Stadt, United und Wednesday. Bei uns kann man zur Pause immerhin ins Pub nebenan gehen, ein Bier trinken und zur zweiten Halbzeit zurückkommen.

SPOX: Erleichtert die Aussicht, für den ältesten Fußballverein der Welt zu spielen, eigentlich Transfers?

Tims: Wir bekommen ständig Anfragen von Fußballern aus der ganzen Welt, die für uns spielen wollen. Lokal ist das aber schwieriger, weil die Jungs Geld verdienen wollen. Vielleicht sollten wir sie besser dafür sensibilisieren, was es bedeutet, für uns zu spielen. Denn das hat große Vorteile.

SPOX: Welche Vorteile?

Tims: Wir reisen mit unserer Mannschaft viel in der Welt herum, weil wir überallhin eingeladen werden und dafür nichts zahlen müssen. Letztes Jahr waren wir im Rahmen unserer Saisonvorbereitung in Deutschland, zuletzt 16 Tage in Indien und wahrscheinlich reisen wir bald nach Südamerika. Wir können interessante Dinge bieten, die andere Vereine nicht bieten können. Das Wichtigste ist mir aber, dass jeder Spieler immer und bei allen Reisen die Werte unseres Klubs vertritt. Einen Star wie zum Beispiel Diego Armando Maradona würde es unter mir hier nicht geben.