SPOX: In Hannover sind Sie Nationalspieler geworden, 2003 kamen Sie zu Ihrem Debüt für Kamerun. Das ging alles ziemlich rasant, oder?
Idrissou: Absolut. So glücklich wie damals war ich als Sportler nie wieder. Für die Nationalelf zu spielen, war ein Traum, der in Straßburg noch vollkommen utopisch war. Auf einmal werde ich zum Confed Cup eingeladen, bin dort auf Anhieb Stammspieler und die Mannschaft zieht ins Finale ein.
SPOX: Das stand leider unter traurigen Vorzeichen. Im Halbfinale gegen Kolumbien brach Ihr Mitspieler Marc-Vivien Foe auf dem Spielfeld zusammen und starb später im Krankenhaus. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Idrissou: Es ist bis heute sehr tragisch und extrem traurig. Er war der Kopf des Teams und von Anfang an für mich da. Er hat mich im Nationalteam integriert und protegiert, in der Kabine durfte ich mich neben ihn setzen. Ich weiß noch, wie er nach ein paar Tagen zu mir kam und meinte: 'Mo, du bist jetzt unser Spieler. Wir alle sind gut, aber du bist der Schnellste und spielst nicht blind, sondern du weißt immer, was du machst. Und das hat die Mannschaft gebraucht.' Für mich war sein Tod ein Weltuntergang.
SPOX: Hatten Sie daran gedacht, dass Finale gar nicht zu spielen?
Idrissou: Im ersten Moment wollte ich unter keinen Umständen auflaufen. Ich wollte nur noch nach Hause. Ich bin auch tatsächlich abgehauen.
SPOX: Wohin?
Idrissou: Ich war so fertig, dass ich schon am Flughafen stand - aber ich hatte meinen Ausweis nicht dabei. Sie haben mich dann sozusagen wieder eingefangen. Foes Familie kam in unser Hotel und sprach unter Tränen zu uns, dass wir bitte für ihn spielen sollen und er das auch so gewollt hätte. Da war ich fix und fertig. Rigobert Song und er waren für mich wie Ziehväter.
SPOX: Gerade bei den Turnieren gab es häufig Schlagzeilen um Disziplinlosigkeiten rund um das Team. Was war da los?
Idrissou: Durch die Zeit in Deutschland fiel mir das sofort auf und hat mich sehr geärgert. Wenn ich um 10.30 Uhr Training hatte, waren alle schon eine halbe Stunde früher da. So lief es für meine Nationalmannschaftskollegen auch in ihren Klubs. Sobald sie aber eine Einladung fürs Nationalteam erhielten, haben sie eine andere Einstellung an den Tag gelegt. Da kamen manche einen ganzen Tag später und dachten, sie machen hier schnell ein Training mit und spielen dann auch. Der Höhepunkt war dann der Afrika Cup 2008.
Idrissou über Disziplinlosigkeiten in Kameruns Nationalteam
SPOX: Erzählen Sie.
Idrissou: Wir haben in der Gruppenphase mit 2:4 gegen Ägypten verloren und richtig schlecht ausgesehen. Im Finale kam es zum erneuten Duell. Ich dachte, dass wir jetzt alle auf Revanche aus sind, zumal es ja ein Endspiel war. Doch in der Nacht vor der Partie waren ein Teamkollege und ich die einzigen, die auf dem Zimmer blieben. Der Rest der Truppe war irgendwo unterwegs. Manche kamen um 4 Uhr morgens wieder ins Hotel, andere sind um 9 Uhr direkt zum Frühstück angetanzt.
SPOX: Das Finale ging 0:1 verloren.
Idrissou: Und danach sagten alle: da haben wir einfach kein Glück gehabt. So ein Blödsinn. Glück kommt nicht einfach so daher, darum muss man kämpfen und dafür arbeiten. Wer so undiszipliniert ist, der hat auch kein Glück verdient. Mein Traum war es, nur ein Mal das Trikot Kameruns zu tragen. Hätte ich gewusst, was dort nach meinem Debüt noch so alles passiert, wäre ich nie wieder dorthin gegangen. Das war keine Mannschaft mehr wie noch 2003, sondern einfach nur ein Zirkus der Eitelkeiten.
SPOX: Sie traten auch anschließend zurück, standen nach diversen Trainerwechseln aber im Kader der WM 2010. Hatte sich dann etwas verändert?
Idrissou: Nein. Es lief dieselbe Geschichte ab. Alex Song verstand sich nicht mit Samuel Eto'o. Wenn Alex spielte, wollte Eto'o nicht spielen und umgekehrt. Diese Kindergarten-Geschichten drangen aber nicht nach außen, weil sie von erfundenen Gerüchten überdeckt wurden, wonach die Mannschaft ihr Geld nicht rechtzeitig bekäme. Das war eine Lüge. Es ist sowieso ein Märchen, dass alle afrikanischen Fußballverbände in Geldproblemen stecken würden. Da bekommt jeder von der FIFA genug zur Verfügung gestellt. Das ist nicht einmal so viel weniger als das, was europäische Verbände kriegen.
SPOX: Über Duisburg und Freiburg landeten Sie im selben Jahr für eine Saison bei Borussia Mönchengladbach. Sie kamen auf 33 Einsätze, in der nächsten Saison plante Trainer Lucien Favre aber nicht mehr mit Ihnen. Wieso?
Idrissou: Favre ist ein guter Trainer, aber ein linker Mensch. Er hat Probleme, andere Meinungen zu akzeptieren und kann dir seine eigene nicht ins Gesicht sagen. Vor der zweiten Saison hörte ich, dass er nicht mehr auf mich setzen wolle. Sein Sohn ist Spielerberater und Favre hat dann lieber ein paar Spieler von ihm in den Verein geholt. Das hat er jetzt in Nizza mit Dante übrigens auch getan.
Idrissou über sein Problem mit Lucien Favre und eine Erpressung
SPOX: Er hat es Ihnen nicht persönlich mitgeteilt, nicht mehr auf Sie setzen zu wollen?
Idrissou: Nie. Ich habe ihn seitdem auch nicht wieder getroffen. Ich werfe es ihm aber weiterhin vor, dass er nicht so ehrlich war und mir das von Angesicht zu Angesicht gesagt hat. Er hat sich einfach nicht getraut. Und das, obwohl wir immer französisch gesprochen und viel zusammen gelacht haben. Er hat es lieber Max Eberl gesagt, der es dann an meinen Berater weitergetragen hat, so dass ich davon plötzlich im Urlaub erfuhr.
SPOX: Sie heuerten schließlich bei Eintracht Frankfurt an, wo Sie mit 14 Toren in 26 Spielen maßgeblich zum sofortigen Wiederaufstieg in die Bundesliga beigetragen haben. Auch dort zogen Sie nach einer Saison weiter. Weshalb sind Sie nicht mit der SGE in die 1. Liga gegangen und stattdessen zum 1. FC Kaiserslautern in die 2. Liga gewechselt?
Idrissou: Das war ein ähnlicher Fall wie in Gladbach. Es gab aber eine Vorgeschichte: Ich wurde erpresst.
SPOX: Inwiefern?
Idrissou: Ich habe einem Afrikaner 3000 Euro und eines meiner Autos geliehen, weil seine Mutter krank war. Er wollte es mir drei Monate später zurückzahlen. Plötzlich bekam ich drei Tage später einen anonymen Anruf aus Berlin. Da wurde mir gesagt, dass sie mein Auto hätten und der Kofferraum voller Drogen sei. Sie stünden schon mit der Bild-Zeitung im Austausch und wenn ich nicht möchte, dass das öffentlich wird, soll ich ihnen 10.000 Euro zahlen.
SPOX: Und was ist passiert?
Idrissou: Das ist natürlich schnell auch an die Eintracht herangetragen worden. Heribert Bruchhagen sagte mir, er wolle einen solchen Stress nicht im Verein haben. Ich habe erwidert, dass ich nie etwas mit Drogen zu tun hatte und nichts dafür kann, sondern hier gerade schlicht erpresst werde. Er hat das aber nicht gelten lassen und vergaß alles, was ich in der Saison für den Verein geleistet habe. Und so ging das dann zu Ende.