Peter Zeidler im Interview: "Tuchel hat Neymar und Mbappe besser gemacht"

Peter Zeidler lobt im Interview Thomas Tuchel Arbeit mit den Superstars bei PSG.
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Dabei ist Frankreich Ihre große Liebe. Wie hat sich diese eigentlich entwickelt?

Zeidler: Das ging sehr früh los. Alleine schon mit der Sprache. Ich hatte auch Französisch als Leistungskurs in der Schule.

Hatte ich auch. Als einziger Junge.

Zeidler: So war es bei mir auch. (lacht) Ich bin schon früh in den Osterferien mit dem Käfer zu U12-Turnieren nach Paris gefahren, weil ich es so geliebt habe. Heutzutage kennen die jungen Leute Europa wie ich früher Mannheim kannte, aber für mich war das eine große Sache, nach Paris zu fahren. Oder in Straßburg zu studieren und die ganze Zeit bei Racing Straßburg am Trainingsgelände zu stehen. Die Franzosen waren Anfang der 80er Jahre die Brasilianer Europas, sie haben den attraktivsten Fußball gespielt. Frankreich hat das Halbfinale 1982 gegen Deutschland zwar verloren in Sevilla, aber ich habe diese Mannschaft geliebt. Ich könnte Ihnen sofort die erste Elf aus dem Halbfinale aufsagen.

Und bitte.

Zeidler: Jean-Luc Ettori - Marius Tresor - Manuel Amoros, Gerard Janvion, Maxime Bossis - Alain Giresse, Jean Tigana, Michel Platini, Bernard Genghini - Dominique Rocheteau, Didier Six.

Wie würden Sie diese französische Mannschaft denn mit der aktuellen Weltmeister-Generation vergleichen?

Zeidler: Ich würde sagen, dass diese Mannschaft vor allem das Werk von Didier Deschamps ist. Deschamps hat bei Juve gelernt zu verteidigen und zu gewinnen. Genau das hat er den Franzosen beigebracht. Früher war Frankreich ein Team, das viel mehr das Lebensmotto "Savoir-vivre" verkörpert hat als die heutige.

Ralf Rangnick war ein wichtiger Förderer von Peter Zeidler.
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Ralf Rangnick war ein wichtiger Förderer von Peter Zeidler.

Peter Zeidler über den Umgang mit Trainern: "Bin sehr sensibel geworden"

Deschamps hat zuletzt mit Frankreich gegen die Türkei verloren, so wie es aktuell läuft, gerät er bei der nächsten Pleite vielleicht auch schon wieder in die Kritik. Wie erleben Sie den Trainerberuf in diesen Tagen?

Zeidler: Das mag sich altklug anhören, aber es ist natürlich vollkommen normal geworden, dass ein Trainer sofort infrage gestellt wird, wenn er dreimal am Stück verliert. Das macht es uns Trainern nicht gerade leichter. Ich muss zugeben, dass ich persönlich auch sehr sensibel geworden bin. Ich wurde in der letzten Saison einmal von einem Journalisten gefragt, dass ja momentan Stillstand zu beobachten wäre, man vielleicht teilweise von einem Rückschritt sprechen könne und das ja irgendwann auf den Trainer zurückfällt und was ich dazu sagen kann?

Aber das ist jetzt keine ganz schlimme Frage.

Zeidler: Schlimm nicht, nein. Der Journalist hat mir dann auch erklärt, dass es ja nicht persönlich gemeint wäre und sich auf meine Funktion als Trainer beziehen würde. Das akzeptiere ich dann auch. Und ich weiß auch, dass ein Trainer austauschbar ist. Ich bin kein Utopist. Aber manchmal ist eine Entlassung eines Trainers auch ein persönlicher Schicksalsschlag. Ich will nicht auf die Tränendrüse drücken, zumal es genügend Trainer gibt, die in ihrer Karriere zwei gute Verträge und zwei Abfindungen hatten, die haben ausgesorgt. Und dann gibt es auch die, die sagen: Dann werde ich eben entlassen, ist mir doch egal, ich sehe mich eh als Globetrotter, meine dritte Beziehung ist auch wieder im Eimer, ziehe ich eben weiter. Aber bei mir war es teilweise schon existenziell. Ich hatte meinen Lehrerberuf von einem Tag auf den anderen aufgegeben und keine Sicherheiten mehr. Vielleicht bin ich deshalb da so sensibel, vielleicht manchmal auch etwas dünnhäutig.

Sportdirektor Alain Sutter betritt die Trainerkabine.

Zeidler: Komm rein, Alain! Ich hole gerade mal wieder zum Rundumschlag gegen die Journalisten aus. (lacht)

Es sind aber nicht immer nur die Journalisten. In Sion sind Sie am Ende rausgeflogen, weil der Präsident eine völlig überzogene Erwartungshaltung hatte.

Zeidler: Das ist richtig. Aber bevor das hier falsch interpretiert wird: Mein Verhältnis zu den Journalisten ist wirklich gut und sehr vertrauensvoll. Um auf die Frage zu Sion zurückzukommen: Die Champions League war der Lebenstraum des Präsidenten und er dachte, mit dem Deutschen, der ein bisschen was von Fußball versteht und Französisch spricht, könnte es klappen. Umso wichtiger ist, dass Einigkeit im Klub herrscht. Wir sind alle ehrgeizig. Wir wollen in der neuen Saison mit St. Gallen einen Schritt nach vorne machen, das ist auch möglich, aber wir können auch Achter werden und haben dann unter Umständen genauso gute Arbeit verrichtet.

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