Mit welcher deutschen Liga würde Sie das Niveau Ihres Teams und des griechischen Fußballs vergleichen?
Giannikis: Die Top-Vereine in der zweiten griechischen Liga könnten oben in der dritten Liga mitspielen. Würde es eine bessere Infrastruktur geben, wäre wohl auch mehr möglich. Die Aufsteiger dürfen sich in der Regel gute Chancen auf den Klassenerhalt ausrechnen. Das würde auch für uns gelten, aber natürlich ist es sehr hilfreich, sich dann noch gezielt zu verstärken.
Gibt es für das Abenteuer Griechenland einen Langzeitplan?
Giannikis: Das ist schwierig, es macht in jedem Fall riesigen Spaß mit der Mannschaft. Mein persönliches Ziel ist die Meisterschaft. Wenn wir dieses Ziel erreichen, können wir uns zusammensetzen und mit der Vereinsführung in eine konkrete Planung gehen. Es muss passen und beide Seiten müssen überzeugt davon sein. Meine Planung sieht aber schon vor, irgendwann nach Deutschland zurückzukehren.
Wenn wir auf die Anfänge Ihrer Trainerlaufbahn blicken: Sie haben ab 2007 in der Jugend des Karlsruher SC gearbeitet und waren dort für verschiedene Teams als Co- und auch Cheftrainer zuständig. Vorher arbeiteten Sie unter anderem bei Phoenix Mannheim und dem VfL Neckarau. Wie sah der Startschuss Ihrer Trainerlaufbahn aus?
Giannikis: Ich habe mit 19 aufgehört, Fußball zu spielen und dann BWL in Mannheim studiert. Da habe ich aber gespürt, dass mir irgendetwas fehlt, weshalb ich die C-Lizenz gemacht habe. Bei Phoenix Mannheim in der B-Jugend-Verbandsliga habe ich erste Erfahrungen gesammelt und gespürt, dass mir das Spaß macht und wir auch recht erfolgreich waren.
Calhanoglu? "Früh gemerkt, dass er einen Schritt voraus ist"
Dann kam die Anfrage vom KSC.
Giannikis: Ich hatte dort die Möglichkeit, ins NLZ einzusteigen, war zu Beginn Co-Trainer der U19 und später auch Cheftrainer auf verschiedenen Leistungsniveaus. Was anfangs als Hobby gedacht war, hat sich so zu mehr entwickelt.
Als U-19-Bundesligatrainer arbeiteten Sie auch mit späteren Bundesliga-Spielern wie Hakan Calhanoglu oder Vincenzo Grifo zusammen. Waren dies die Spieler, die auch zum damaligen Zeitpunkt am stärksten hervorstachen?
Giannikis: Bei Hakan hat man früh gemerkt, dass er mit seiner Schusstechnik und Handlungsschnelligkeit einen Schritt voraus ist. Vincenzo haben wir in der U19 aus Pforzheim geholt. Er gehörte schon zum alten Jahrgang und war gewissermaßen ein unentdecktes Talent. Er war ein Straßenfußballer durch und durch und konnte mit dem Ball besondere Dinge. Daran, was ihm gefehlt hat - seine Körperlichkeit und sein taktisches Verständnis -, haben wir gearbeitet. Auch das hat sicher einen kleinen Betrag dazu geleistet, dass er heute ein gestandener Bundesliga-Spieler ist.
Gab es im Gegenzug auch Spieler, die extrem talentiert waren, aber aus verschiedenen Gründen hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind?
Giannikis: Ein Beispiel aus meiner KSC-Zeit ist sicherlich Sonny Kittel (heute beim Hamburger SV, Anm. d. Red.), der ein Riesen-Jugendspieler war und ein Wahnsinns-Fußballer ist. Er wurde mehrfach zurückgeworfen und hat deshalb bisher vielleicht nicht ganz die Karriere gemacht, die er sich vielleicht gewünscht hätte. Wenn Talente es aus der Jugendabteilung in die zweiten oder dritten Liga in den Profifußball schaffen, ist das Ziel der Jugendarbeit aber definitiv erreicht. Die herausragenden Jungs finden in der Regel sowieso den Weg nach ganz oben.
Moukoko? "Förderlich, dass er ein bis zwei Jahrgänge überspringt"
Im Fokus stehen häufig die Nachwuchsstars wie aktuell Youssoufa Moukoko. Dabei schafft es der Großteil der Jugendspieler aus den NLZs nicht, eine Profikarriere einzuschlagen. Wie beurteilen Sie als langjähriger Nachwuchstrainer die Entwicklung im deutschen Nachwuchsbereich?
Giannikis: Man müsste die Dinge mehr individualisieren und keine Pauschalurteile abgeben. Jedes Talent ist anders. Für Moukoko ist es sicherlich förderlich, dass er ein bis zwei Jahrgänge überspringt, da er die Herausforderung braucht, um weiter zu wachsen. Bei anderen wäre der frühe Schritt nach oben möglicherweise kontraproduktiv, weil es dem eigenen Selbstvertrauen schadet und man körperlich an seine Grenzen stößt. Dennoch glaube ich, dass die meisten NLZs mittlerweile über eine solche Manpower und ein solches Know-how verfügen, dass sie für die Zukunft gewappnet sind.
Den Lehrgang zum Fußballlehrer absolvierten Sie während Ihrer KSC-Zeit und waren unter anderem auch mit Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco in einem Jahrgang. Was war das für eine Zeit? Zu wem haben Sie noch Kontakt?
Giannikis: Es ist unheimlich interessant, die anderen Trainerpersönlichkeiten und deren Gedankengänge kennenzulernen. Domenico Tedesco war zum Beispiel mein Tischnachbar, da besteht noch ein guter Draht. Auch zu Julian Nagelsmann, Alexander Nouri und Jeff Strasser gibt es hin und wieder Kontakt. Dadurch, dass viele auch in der Bundesliga tätig und enorm gestresst sind, verläuft sich der Austausch mit der Zeit aber ein bisschen.
Zeigen sich im Trainergeschäft ähnlich wie bei den Spielern Talente, bei denen sich früh erahnen lässt, dass Sie einmal eine solch steile Karriere hinlegen werden, wie es zum Beispiel Nagelsmann geschafft hat?
Giannikis: Das merkst du schnell. Du musst nur beobachten, wie jemand dasteht, referiert und ein Training leitet. Julian und Domenico haben sich da sicherlich besonders hervorgetan. Der Schlüssel ist die Authentizität: Dass man sich selbst ist, niemanden kopiert und in keine Schablone pressen lässt. Vor einer Mannschaft musst du glaubhaft rüberkommen und Leute mitreißen. Das kannst du nur, wenn du du selbst bist. Fachwissen, gewisse Coaching-Eigenschaften an der Seitenlinie und der richtige Umgang mit den Medien gehören aber natürlich auch dazu.