Im Interview mit SPOX und Goal blickt Giannikis auf die Anfänge seiner Trainerlaufbahn zurück, nennt die wichtigsten Faktoren einer guten Nachwuchsarbeit und erklärt, warum seine Engagements bei Rot-Weiß Essen und dem VfR Aalen nicht von langer Dauer waren. Außerdem erklärt der 39-Jährige, inwiefern sich die Arbeit in Griechenland auf und neben dem Platz von der in Deutschland unterscheidet.
Herr Giannikis, am 8. März haben Sie mit Ihrem Team das bisher letzte Pflichtspiel bestritten, nun ruht auch in Griechenland der Fußball aufgrund des Coronavirus'. Wie gehen Sie innerhalb des Vereins mit der aktuellen Situation um?
Argirios Giannikis: Uns geht es natürlich wie der gesamten restlichen Welt auch, dass wir täglich mit neuen Wasserstandsmeldungen konfrontiert sind. Unabhängig davon haben wir Trainingspläne erstellt. Wir arbeiten mit einer App, in der die Spieler kommentieren müssen, was gemacht worden ist. So können wir das überprüfen. Die Spieler halten sich mit Lauf-, Kräftigungs- und Dehnübungen fit. Es geht um einen Erhalt der Physis, damit alle bereit sind, wenn wir wieder mit dem Ball arbeiten dürfen und die Trainingsplätze freigegeben sind.
Im Juli 2019 habe Sie Ihre Arbeit in Ioannina aufgenommen. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie im Nordwesten Griechenlands gelandet sind?
Giannikis: Ich wollte schon immer eine Auslandserfahrung sammeln. Da ich griechischer Abstammung bin, war das naheliegend. Ich habe in der Vergangenheit zwar mehrere solcher Anfragen abgelehnt. Das Projekt, einem Traditionsklub, der zu den größeren Adressen in Griechenland gehört und in eine Schieflage geraten ist, wieder auf die Beine zu verhelfen, fand ich aber sehr spannend. Es war der passende Zeitpunkt und das passende Angebot.
Giannikis: Griechenland? "Ein bisschen mehr improvisieren"
Dass Sie Neuland betreten, war Ihnen sicherlich bewusst. Wo sind die Veränderungen am stärksten zu spüren im Vergleich zum Leben in Deutschland?
Giannikis: Griechenland bietet natürlich extrem viel. Meer, Berge und Skigebiete befinden sich in der unmittelbaren Umgebung. Auch die Stadt ist sehr lebendig. Natürlich ist der griechische Way of Life etwas entspannter, was nicht unbedingt schlecht sein muss. Man muss sich aber schon daran gewöhnen, wenn man in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und alles durchgetaktet war. Aber es ist wichtig, die eigene Komfortzone auch mal zu verlassen.
Aus Griechenland hört man oft, dass die Organisation des Fußballgeschäfts mitunter recht chaotisch ist. Können Sie dem zustimmen?
Giannikis: Es herrschen natürlich keine deutschen Gegebenheiten. Dort sind vor allem die Stadien top, hier musst du ein bisschen mehr improvisieren. Die Infrastruktur im Gesamten ist nicht vergleichbar.
Ioannina spielte von 2011 bis 2019 in der höchsten griechischen Spielklasse und steht nach dem Abstieg mit 49 Punkten nach 20 Spielen souverän an der Tabellenspitze. Die Ausgangslage für die Meisterschaftsrunde am Ende der Saison ist gut. Wie bewerten Sie die sportliche Situation?
Giannikis: Wir sind nicht nur mit dem Tabellenstand, sondern auch mit der Entwicklung der Mannschaft zufrieden. Nach einem Abstieg ist die Lage immer etwas chaotisch, auch weil die mentale Verfassung der Spieler nicht die beste ist. Die Jungs mussten aufgerichtet werden. Außerdem haben wir die Spielweise verändert: Der Verein agierte in der ersten Liga eher defensiv, aber wenn du um einen Titel mitspielen willst, musst du dominant auftreten und mit dem Ball etwas anfangen können. Das haben wir hinbekommen, sodass eine kleine Euphorie in der Stadt entstanden ist und sich auch die Leute mit der Mannschaft identifizieren können.
Wie sind Sie die Aufgabe in taktischer Hinsicht angegangen? Mussten Sie sich stark an Ihre Mannschaft anpassen?
Giannikis: Ich habe natürlich gewisse Prinzipien, die ich als Trainer vertrete und die ich mir mit der Mannschaft erarbeiten will. Je nach Qualität der Spieler gibt es einen Bereich, der dann in der täglichen Arbeit stärker herausragt. Ich habe Spieler, die die U-Nationalmannschaften durchlaufen haben oder auch aktuell Nationalspieler ihres Landes sind. Es gibt also schon ein Grundniveau, auf dem man arbeiten kann. Der griechische Fußball ist nicht so schlecht wie vielleicht teilweise sein Ruf.
Panathinaikos Athen: "Nach Abseitstor war die Hölle los"
Im nationalen Pokal trafen Sie mit Ihrer Mannschaft auf Panathinaikos Athen, den Tabellenvierten der ersten Liga. Nach Hin- und Rückspiel schieden Sie knapp und unglücklich aus (1:0, 1:3). War es dennoch eine besondere Erfahrung, gerade wegen der heißblütigen Fans?
Giannikis: Damit tue ich mich ehrlich gesagt ein bisschen schwer, wenn man die Bundesliga-Stadien schon erlebt hat. Für unseren Verein war es schon besonders, weil es beeindruckt, was für einen Geräuschpegel 10.000 Zuschauer machen können. Nach einem aberkannten Abseitstor war für ein paar Minuten die Hölle los. Ich habe selten erlebt, dass Zuschauer so frenetisch sein können. Das gehört in Griechenland aber dazu. Sportlich ist es natürlich eine Bestätigung für das Team, wenn man eine so große Mannschaft am Rande des Ausscheidens hat. Es war ein Highlight-Spiel mit einem negativen Ausgang. Das positive Highlight war der 5:1-Sieg in der Liga gegen den Zweiten Apollon Smyrnis, den finanziell stärksten Klub der Liga. Es war imponierend, wie die Jungs da aufgetreten sind.