Winfried Schäfer im Interview: "Wir haben den FC Bayern zum FC Baden gemacht"

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Über 20 Jahre ist es her, als Winfried Schäfer Deutschland den Rücken kehrte und seine Trainerkarriere fernab von Europa fortsetzte. Bis zuletzt war der Weltenbummler aus Rheinland-Pfalz in Katar und den Emiraten tätig. An eine Rückkehr in die Heimat denkt der 72-Jährige nicht - zumindest nicht als Trainer.

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Dieser Artikel erschien erstmals am 9. April 2020 und wurde im Rahmen des Afrika-Cups 2021 erneut veröffentlicht.

Im Karriere-Interview mit SPOX und Goal erklärt Schäfer, warum er froh ist, nicht mehr im Iran zu arbeiten. Außerdem plaudert er über "die guten alten Zeiten" beim KSC und blickt auf das "turbulente" Kapitel Kamerun zurück - mit vielen Streiks, einer Standpauke für Samuel Eto'o und dem tragischsten Erlebnis seiner bewegten Laufbahn.

Herr Schäfer, sehen wir Sie denn nochmal als Trainer in Deutschland?

Schäfer: Man sollte zwar nichts ausschließen, ich denke aber nicht. Ich könnte mir höchstens vorstellen, als Manager bei einem Verein tätig zu sein, der einem jungen Trainer mit seiner Erfahrung hilft. Als offenes Ohr und Ratgeber, der einem vor allem in schwierigen Zeiten den Weg frei räumt. Wie Carl-Heinz Rühl zu meiner Zeit als Trainer-Novize beim KSC. Calli war ein Top-Mann, auf den ich immer zukommen konnte, wenn ich ein Problem hatte oder mir mit irgendetwas unsicher war.

Vor Ihrem Engagement beim Al-Khor SC in Katar (Januar bis November 2021) und dem FC Baniyas in den Verenigten Arabischen Emiraten (Juli 2019 bis Juni 2020) waren Sie fast zwei Jahre in der iranischen Hauptstadt Teheran beim FC Esteghlal tätig und gewannen den iranischen Pokal. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Schäfer: Überwiegend positive. Die Bevölkerung ist fußballverrückt, manchmal haben wir vor 100.000 Zuschauern gespielt. Abgesehen davon habe ich in keinem anderen Land so freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt - ob Nachbarn, Spieler, Assistenten oder Zeugwarte. Aber leider haben uns die Verantwortlichen die Arbeit erschwert. Ich kann mich noch erinnern, als sie uns ein paar Mal auf einem Acker trainieren ließen, auf dem nicht einmal ein Kreisligist hätte trainieren können. Ich habe meinen Jungs dann irgendwann gesagt: "Es hat keinen Sinn, geht nach Hause." Generell haben in solchen Ländern leider zu viele Leute das Sagen, die einem den Erfolg nicht gönnen. Sie verstehen oft nicht, dass es nicht der Erfolg des Trainers ist, sondern der Erfolg aller. Die Politik hat dann noch ihr Übriges getan.

Inwiefern?

Schäfer: Esteghlal war früher der Verein, mit dem sich das Regime von Mohammad Reza Pahlavi, dem letzten Schah, schmückte. Nach der Revolution 1979, die das Ende der Monarchie herbeiführte, benannte sich der Verein von Taj, was auf Deutsch Krone heißt, in Esteghlal um. Esteghlal bedeutet übersetzt Unabhängigkeit. Der Verein wollte damit seine politische Neutralität ausdrücken. Trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, dass sich immer wieder Leute von oben einmischten und der Verein benachteiligt wurde. Auch, als ich dort war.

Schäfer stand auch mit 71 zuletzt noch auf dem Rasen.
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Schäfer stand auch mit 71 zuletzt noch auf dem Rasen.

Schäfer: "Als Trainer bist du das schwächste Glied"

Wie sah das konkret aus?

Schäfer: Uns wurden durch seltsame Schiedsrichterentscheidungen wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft genommen. Ich werde aber nie die Vorkommnisse vor einem Halbfinale gegen Al-Sadd in der asiatischen Champions League vergessen. Sie findet saisonübergreifend statt. Auf einen Schlag verlor ich drei Stammspieler, weil die Verantwortlichen sich aus unerfindlichen Gründen weigerten, die Verträge mit ihnen zu verlängern. Außerdem wurde mein bester Stürmer, ein 17-jähriges Riesentalent, in die Türkei zu Fenerbahce verscherbelt. Der Junge wäre unter mir der beste Stürmer des Landes geworden, sein Verkauf war aber politisch gesteuert. Es war sehr frustrierend, zu wissen, dass man nicht nur auf dem Platz Gegner hatte.

Fühlten Sie sich in Ihrer Karriere häufiger derart blockiert?

Schäfer: Es ist doch nahezu überall so, dass du als Trainer das schwächste Glied bist und es Schwätzer über dir gibt, die sich leicht beeinflussen lassen und schnell einmischen - vor allem dann, wenn es mal zwei, drei Spiele nicht läuft. Helmut Grashoff, ein langjähriger Manager von Borussia Mönchengladbach, hat einmal gesagt: "Der Trainer ist nur so stark, wie der Vorstand ihn macht." Das trifft voll und ganz zu. Trainer werden in vielen Fällen nicht genug geschützt und unnötigerweise gefeuert. Das sieht man auch in Deutschland, wo viele Vereine nicht gut geführt werden.

Zum Beispiel?

Schäfer: Es gibt zig solcher Fälle, vor allem bei Traditionsvereinen, die schon vor vielen Jahren nicht verstanden haben, dass mehr Geduld und Ruhe manchmal sehr probate Mittel zum Erfolg sein können. Da genügt ein Blick auf meine Ex-Vereine Offenbach und Karlsruhe. Oder Rot-Weiss Essen, 1860 München, den 1. FC Kaiserslautern, der 1. FC Nürnberg, Hannover 96 und, und, und. Diese Vereine sind im Gegensatz zum SC Freiburg nicht ruhig geblieben und haben einen Trainer nach dem anderen verschlissen.

Schäfer (r.) hatte in Iran Probleme mit den Verantwortlichen seines Klubs.
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Schäfer (r.) hatte in Iran Probleme mit den Verantwortlichen seines Klubs.

Schäfer: "Haben den FC Bayern zum FC Baden gemacht"

Also müssten sich mehr Vereine eine Scheibe von den Freiburgern abschneiden?

Schäfer: Ja, es gibt aber auch noch andere positive Beispiele. Bei der TSG Hoffenheim wird nie ein Wort über den Trainer verloren, weil Dietmar Hopp als geduldiger Macher über eine Autorität verfügt, der sich niemand unter ihm widersetzt. Julian Nagelsmann hatte dort auch hin und wieder Probleme, doch man ließ ihn in Ruhe weiterarbeiten. Oder schauen Sie sich meine Gladbacher an. Ich weiß nicht, ob der Verein heute so stabil wäre, wenn in der Führungsriege nicht noch ein paar vernünftige Personen wie Rainer Bonhof oder Max Eberl sitzen würden. Solche Leute stellen die Interessen des Vereins nicht über ihre eigenen. Und darum geht es doch. In Köln ist auch wieder ein bisschen Ruhe eingekehrt, seitdem Erich Rutemöller als Berater des Vorstands fungiert. Das sind Leute, die du weder hörst noch siehst, aber im Hintergrund ganz wichtige Arbeit leisten. Leute, die den Erfolg wollen - und nicht in die Zeitung.

Der KSC, ein weiterer Ex-Verein von Ihnen, steht dagegen in der 2. Liga wieder ganz unten.

Schäfer: Man muss hoffen, dass sich der Verein fängt. Er gehört in die Bundesliga. Ich kann mich noch an die guten alten Zeiten erinnern, als wir in Europa gespielt und den FC Bayern München zum FC Baden München gemacht haben. Die Deutsche Bahn hat sich mal bei uns bedankt, weil Uli Hoeneß mit seinem Trainer so oft nach Karlsruhe gekommen ist, um uns unsere Spieler abzuwerben. Leider wird auch in Karlsruhe seit vielen Jahren weder geduldig noch wirtschaftlich sinnvoll gehandelt. Das fängt bei der Zusammenstellung des Kaders an. Wir haben damals viele Eigengewächse hochgezogen, unser Hauptsponsor war der Nachwuchs. Heute werden teilweise Transfers getätigt, bei denen ich nur den Kopf schütteln kann.

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