Keine Verleihung des Ballon d'Or ohne Polemik: Noch ein bisschen ausgeprägter als ohnehin schon ist die Empörungskultur in diesem Jahr in Deutschland - wäre doch Bayern Münchens Robert Lewandowski ohne Zweifel der verdiente Sieger gewesen.
Doch ist das wirklich so? Oder sehen wir die Dinge zu sehr durch die deutsche Brille? Wird anderswo Lionel Messis Triumph mit Argentinien bei der Copa America höher eingeschätzt als Lewys Fabel-Torrekord in der Bundesliga und das Mini-Triple aus Meisterschaft, Weltpokal und Supercup? Wie reagieren Fußballfans auf dem Globus auf Lionel Messis siebten Triumph beim Ballon d'Or?
Wir haben Redakteure unseres internationalen GOAL-Netzwerks gefragt, wie die Wahl zum Ballon d'Or in ihren Ländern wahrgenommen wurde. Hier ihre Antworten.
Ballon d'Or: "Messi ist der absolute Anführer"
Patricio Tarruella (GOAL Argentinien): "In Argentinien spielt es keine Rolle, ob Messi die Auszeichnung aufgrund der Statistiken der letzten Saison verdient hat oder nicht.
Hier sind sich fast alle darin einig, dass er ihn für den Gewinn der Copa America und die sehr frühe Qualifikation für die Weltmeisterschaft (vier Spieltage vor dem letzten Qualispiel) erhalten hat. Messi hat eine Mannschaft geformt, die das Gefühl für das Trikot über ihre Egos stellt, er ist jetzt der absolute Anführer der Nationalmannschaft.
Jorginho ist für die Fans des argentinischen Fußballs kein Spieler auf der Höhe von Messi, die Positionen von Haaland und Salah haben auch hier sehr viele überrascht.
Lewandowskis Nachteil ist, dass Polen international nicht überzeugt hat. Wir alle verstehen, dass Lewandowski es verdient hätte. Aber im Fußball geht es noch mehr um die Leidenschaft, die er in uns weckt, als um Statistiken."
Kommentar zum Ballon d'Or: Lionel Messi ist der logische Sieger
Haytham Mohamed (GOAL Mittlerer Osten und Nordafrika): "In Ägypten herrscht große Empörung darüber, dass Mo Salah nur Siebter wurde. Fans und Journalisten hatten erwartet, dass er mindestens in den Top 5 landen würde, viele Fans hatten gehofft, er würde den Ballon d'Or gewinnen.
Die Experten im Studio von On Time Sports, dem ägyptischen Sender, der die Gala übertrug, waren bestürzt über die Ergebnisse im Allgemeinen und Salahs Position im Besonderen."
Simon Fuentes (GOAL Frankreich): "In Frankreich sind die Meinungen eher gemischt. Viele verstehen den Sieg von Lionel Messi über Robert Lewandowski nicht. Für sie ist Lewandowski der wahre Gewinner .
Aber natürlich freuen sich auch einige, dass der Ballon d'Or-Gewinner in der Ligue 1 bei PSG spielt - auch wenn er seine Erfolge hauptsächlich mit Barcelona und Argentinien erzielte. Aber es ist eine Chance für unsere Liga, einen solchen Botschafter zu haben.
Die Platzierungen von Karim Benzema (4.) und Kylian Mbappé (9.) haben für Enttäuschung gesorgt. Ersterer hätte es nach Ansicht der meisten Franzosen verdient, auf dem Podium zu stehen. Und der PSG-Stürmer ist in dem Ranking so schlecht wie nie, obwohl er so stark wie nie war, was Fragen über die Glaubwürdigkeit des Ballon d'Or aufwirft."
Mario Cortegana (GOAL-Korrespondent Real Madrid): "Die Fans von Real Madrid halten es für ungerecht, dass Messi den Ballon d'Or gewonnen hat. Sie argumentieren, dass die beiden Trophäen, die er gewonnen hat, unbedeutend sind, dass er in LaLiga nur Dritter war, er mit Barca in der Champions League erneut gescheitert ist und dass sein Anfang bei PSG sehr schlecht war.
Auch in der Umkleidekabine von Real Madrid herrscht Unzufriedenheit. Toni Kroos zum Beispiel hat ja in seinem Podcast deutlich gemacht, dass für ihn Karim Benzema der würdige Sieger gewesen wäre.
Eine andere weit verbreitete Meinung ist, dass Lewandowski es wegen seiner großartigen Saison und großartigen Karriere verdient hätte. Und weil er im vergangenen Jahr hätte gewinnen müssen, wie es ja auch Messi in seiner Rede erwähnte.
Ich persönlich hätte die Trophäe auch an Lewandowski gegeben. Zwischen Messi und Benzema sehe ich es sehr ausgeglichen."
Ballon d'Or: Die Top 10 im Überblick
Platz | Name | Verein | Punktzahl |
1 | Lionel Messi | Paris Saint-Germain | 613 |
2 | Robert Lewandowski | FC Bayern München | 580 |
3 | Jorginho | FC Chelsea | 460 |
4 | Karim Benzema | Real Madrid | 239 |
5 | N'Golo Kante | FC Chelsea | 186 |
6 | Cristiano Ronaldo | Manchester United | 178 |
7 | Mohamed Salah | FC Liverpool | 121 |
8 | Kevin De Bruyne | Manchester City | 73 |
9 | Kylian Mbappe | Paris Saint-Germain | 58 |
10 | Gianluigi Donnarumma | Paris Saint-Germain | 36 |
Allan Lima (GOAL Brasilien): "In Brasilien gibt es gemischte Gefühle über die Wahl. Einige sind der Meinung, dass Messi die Auszeichnung verdient hat, da er in LaLiga Torschützenkönig war und der Beste in einer schwachen Barca-Mannschaft war. Und natürlich hat er mit Argentinien endlich eine Trophäe gewonnen.
Andere argumentieren, dass er in der Champions League erneut versagt hat und in der LaLiga weder gegen Real Madrid noch gegen Atletico de Madrid ein Tor erzielt hat. Was den Copa-America-Titel angeht, so sagen einige, dass Argentinien ohne Angel Di María immer noch ohne Titel dastehen würde, da Messi in einer Phase, in der seine Nationalmannschaft ihn am meisten brauchte, eine furchtbare Leistung zeigte.
Außerdem war die Copa America noch nie entscheidend für die Wahl zum Ballon d'Or - warum sollte sie es jetzt sein?
Man hat das Gefühl, dass dieser Ballon d'Or ein Preis für das Lebenswerk ist und dass Spieler wie Lewandowski, Benzema, Jorginho oder Kanté mehr Lob verdient hätten. Es ist also nicht so, dass die Leute denken, Neymar hätte ihn gewinnen sollen - das tut niemand."
Ballon d'Or - Klopp: "Ihr Journalisten seid schuld"
Renato Maisani (Chefredakteur GOAL Italien): "Bevor er mit der Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation die beiden entscheidenden Elfmeter verschoss, hätten die meisten Journalisten und Fans in Italien den Preis lieber an Jorginho vom FC Chelsea vergeben.
Am Montag war so aber die Stimmung ganz auf der Seite von Lewandowski, fast jeder in Italien hätte lieber ihn als Messi ausgezeichnet, zumal Lewy 2020 nicht ausgezeichnet wurde."
Stephen Darwin (GOAL UK): "Im Vereinigten Königreich wird der Ballon d'Or weithin als wichtiger individueller Titel für einen Spieler anerkannt. Obwohl die Reaktionen auf das diesjährige Ergebnis natürlich völlig subjektiv sind, herrscht hier eine Mischung aus Empörung und Akzeptanz.
Sowohl Messi als auch Lewandowski hatten ein beeindruckendes Jahr, wobei letzterer sich sicherlich zu Recht benachteiligt fühlt, vor allem wenn man bedenkt, dass 2020 kein Ballon d'Or verliehen wurde. Nur wenige ehemalige Spieler und Experten haben sich zu dem Ergebnis geäußert. Jürgen Klopp brachte auf den Punkt, was wahrscheinlich die Meinung der meisten Trainer ist: Die Journalisten stimmen ab, also ist das Ergebnis deren Schuld."
Ballon d'Or: Und was ist eigentlich mit Mendy?
Daniel Kolade (GOAL Nigeria): "Hier in Nigeria stellt ein großer Teil der Fans die Glaubwürdigkeit der Auszeichnung erneut in Frage. Viele sagen, Robert Lewandowski hätte die Auszeichnung auf jeden Fall verdient. Viele finden es sogar lächerlich, mich eingeschlossen, dass Lewandowski stattdessen als Trostpflaster eine Auszeichnung als "Stürmer des Jahres" erhalten hat. Viele fordern, dass die vollständigen Kriterien für die Auszeichnung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nur die eingefleischten Messi-Anhänger scheinen einen siebten Triumph ihres Helden zu befürworten.
Auch viele bekannte Experten und Ex-Spieler, auch welche, die eigentlich immer Messi unterstützen, waren der Meinung, dass Lewandowski nach einem in jeder Hinsicht phänomenalen Kalenderjahr um den Ballon d'Or beraubt wurde.
Für Unverständnis hat auf dem gesamten afrikanischen Kontinent die Tatsache gesorgt, dass Edouard Mendy keinerlei Anerkennung für den Ballon d'Or erhalten hat und die Lev-Yashin-Trophäe für den besten Torwart des Jahres nicht gewonnen hat.