Nach zehn Meistertiteln in Folge wird der sportlich und finanziell enteilte FC Bayern München einmal mehr mit dem besten Kader aller Bundesligisten in die neue Saison starten, begleitet von der seit Jahren schwelenden Langweiligkeits-Debatte. Warum überhaupt spielen, wenn der Meister eh schon vorher feststeht?
Die gleiche Frage stellte sich 2017 auch in der Schweiz (und 2016 und 2015 und 2014 und 2013 und 2012 und 2011 und 2010 mit zunehmender Dringlichkeit). Verantwortlich für all die eidgenössische Eintönigkeit war ebenfalls ein FCB. Der FC Basel wirkte genau wie hierzulande der FC Bayern für alle Zeit uneinholbar.
Doch dann geschah das Wunder: Der rote FCB stürzte nach acht Titeln in Folge ab, der schwarz-gelbe Herausforderer stoppte die Meisterserie - und startete seine eigene. Bis heute holte Basel keinen Meistertitel mehr, nach vier Triumphen der Young Boys Bern gewann zuletzt überraschend der FC Zürich unter Trainer Andre Breitenreiter. Wie konnte das passieren?
FC Basel 2017: Wie derzeit beim deutschen FCB
Basels letzter Meistertitel in der Saison 2016/17 war der dominanteste überhaupt. Die Mannschaft von Trainer Urs Fischer führte die Tabelle vom ersten bis zum letzten Spieltag an, am Ende stand ein Punkterekord von 86. "Nirgendwo auf der Welt ist die Meisterschaft langweiliger als in der Schweiz", klagte die Basler Zeitung bz.
Die langjährigen Macher Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz "haben mit dem FCB einen Koloss geschaffen, der im heimischen Markt alles verschlingt, was er verschlingen will. Eigentlich zu gefräßig, zu groß und zu reich für die Schweiz", schrieb die Aargauer Zeitung. Der nächste Basler Titelgewinn käme "etwa so überraschend wie ein Schokoladenhase zu Ostern".
"So eine Dominanz ist echt langweilig: aus Perspektive der anderen Klubs, aber auch aus der des eigenen", sagt Beni Pfister zu SPOX und GOAL. Er führt die Basler Fußball-Kneipe "Didi Offensiv" und verfasste ein Buch über die Fan-Geschichte seines Lieblingsklubs. "Die Emotionen waren nicht mehr vergleichbar mit denen bei den ersten Titeln. Alles war ein bisschen abgestumpft." Ein Spiegelbild der aktuellen Situation in München, wo bei Meisterfeiern am Marienplatz längst keine Eskalationsgefahr mehr besteht.
Die Schweizer Liga änderte den Modus
Entscheidend für Basels finanzielle Überlegenheit waren die regelmäßigen Einnahmen aus den internationalen Wettbewerben. Bis dahin hatte der Serienmeister seit Einführung der Champions League rund 100 Millionen Franken verdient, alle Schweizer Rivalen kamen zusammen auf 36 Millionen. Fast jährlich verkündete Basel Umsatz- und Gewinn-Rekorde.
Auf gewohnten Wegen schien die Dominanz unbrechbar, also setzte in der Schweiz eine öffentliche Debatte über Alternativen ein. Diskutiert wurden Solidaritätszahlungen und natürlich die Einführung von Playoffs, um künstliche Spannung zu erzeugen. Wie derzeit in Deutschland. "Die jetzige Situation in der Bundesliga erinnert mich sehr an unsere 2017", sagt Pfister.
Die Schweizer Liga beauftragte damals die niederländische Firma Hypercube, den nationalen Fußball zu durchleuchten und Reformvorschläge zu machen. Zur Saison 2023/24 wird tatsächlich ein neues System samt Best-of-Three um den Titel implementiert, Basels Meisterserie endete aber schon lange vorher.
Verantwortlich dafür waren einerseits die schwarz-gelben Young Boys, die kontinuierlich gute Arbeit leisteten und trotz zweier Vize-Meisterschaften an Trainer Adi Hütter festhielten. Verantwortlich dafür war aber vor allem auch der FC Basel selbst, der sich einem folgenschweren Umbruch verschrieb und damit den Absturz einleitete.