Bartosch Gaul im Interview: "Ein Abend mit Phil Jackson wäre ein Traum"

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Im Sommer kam dann plötzlich das Angebot von Górnik Zabrze.

Gaul: Das kam in der Tat sehr kurzfristig. Der Klub hat sich auch auf dem deutschen Markt umgeschaut und ist auf mich gestoßen, sicher auch, weil ich polnische Wurzeln habe und die Sprache spreche. Mich hat der Klub auf emotionaler Ebene sofort gepackt, um ehrlich zu sein. Die Chance, Cheftrainer beim kleinen Schalke 04 von Polen zu werden, hat etwas in mir ausgelöst. Man kann es wirklich gut miteinander vergleichen, die Region ist so etwas wie das Ruhrgebiet Polens. Es ist auch ein Traditionsverein, dessen größte Erfolge aber schon Jahrzehnte zurückliegen, der aber wieder angreifen und eine Vision entstehen lassen will. Für mich war schnell klar, dass ich meinem Bauchgefühl folgen und diese Chance ergreifen will. Ich bin Mainz extrem dankbar, dass wir so tolle offene Gespräche führen konnten und dass man mir überhaupt keine Steine in den Weg gelegt hat.

In Deutschland ist der Klub vor allem deshalb bekannt, weil Lukas Podolski dort spielt.

Gaul: Als ich das Angebot bekam, habe ich sofort versucht, Poldis Nummer zu bekommen und habe mir von ihm noch detaillierte Informationen geholt. Poldi ist bei uns wirklich weit mehr als nur ein immer noch großartiger Kicker, der das Niveau der Liga generell erhöht hat. Poldi ist vor allem jemand, der sehr umtriebig ist und Dinge hier anschiebt. Wenn Poldi etwas anpackt, dann macht er das mit ganzem Herzen. Ohne ihn wäre es gar nicht denkbar, dass hier wieder etwas richtig Gutes entstehen kann.

Hat Sie in der Zusammenarbeit mit Podolski etwas überrascht?

Gaul: Nein, überrascht nicht. Aber es ist dennoch eine große Freude, jeden Tag zu sehen, was für ein Vollblutfußballer er auch mit 37 noch ist. Er kommt jeden Tag zum Training und will zwei Sachen: Spaß haben und gewinnen. Diese Mentalität lebt er vor und ist damit gerade für die jüngeren Spieler Gold wert. Ich habe einen sehr offenen Austausch mit ihm und kann vor allem sehr von seiner Perspektive als Profifußballer, der auf dem allerhöchsten Niveau gespielt und Erfolge gefeiert hat, profitieren. Diese Perspektive fehlt mir. Deshalb höre ich zu und frage nach. Es macht mir großen Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Bartosch Gaul: "Ein Abend mit Phil Jackson wäre ein Traum"

Jeder Trainer wird gerne nach seiner Spielphilosophie gefragt. Deshalb auch an dieser Stelle: Wie soll eine von Ihnen trainierte Mannschaft spielen?

Gaul: Es stimmt ja auch, dass jeder Trainer eine Art Idealvorstellung im Kopf hat. Was die Grundordnung angeht, ist es bei mir aktuell häufig ein 3-4-3, aber nicht, weil ich ein absoluter Fanatiker davon wäre. Ich schaue mir vielmehr an, welche Spieler mit welchen Stärken ich zur Verfügung habe und wie ich diese am besten einsetzen kann. Wichtiger sind mir da die Prinzipien innerhalb des Spiels und die andauernde Verfeinerung dieser Grundsätze. Ich will, dass wir in allen Spielphasen, defensiv und offensiv, die Kontrolle haben. Ich will eine sehr aktive Mannschaft haben. Und ich will den Ball haben. Fußball wird gespielt, weil man den Ball haben will und nicht, weil ich auf Verhaltensweisen des Gegners reagieren will. Das ist zumindest meine Einstellung. Kontrolle, Aktivität und maximale Variabilität innerhalb der Grundordnung - das ist mir wichtig. Mein Ziel ist es, dass die Mannschaft Vertrauen in eine Grundordnung findet, aber dass wir daraus im Laufe einer Saison variabel werden und so einerseits für uns noch mehr Sicherheit gewinnen, aber andererseits auch zur Verunsicherung des Gegners beitragen können.

Bartosch Gaul trainiert seit dieser Saison den Podolski-Klub Gornik Zabrze.
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Bartosch Gaul trainiert seit dieser Saison den Podolski-Klub Gornik Zabrze.

Mit welchem Kollegen würden Sie gerne mal einen Abend lang über den Trainerberuf sprechen?

Gaul: Gute Frage. Ich war im Sommer zu Besuch in Flensburg bei Maik Machulla und habe ihm ein bisschen über die Schulter schauen dürfen. Das war toll, weil ich auch generell den Handballsport sehr mag. Mir gefällt das Wertesystem und die Teamkultur, die im Handball vorherrscht. Wenn wir mal im Nicht-Fußball-Bereich bleiben: Ein Traum wäre es sicher, mal einen Abend lang mit Phil Jackson zu verbringen. Er ist eine Persönlichkeit, die mich sehr fasziniert, vor allem aus der Mindset-Schiene heraus. Und aus dem Fußball muss ich Jürgen Klopp nennen. Da sind wir wieder beim Thema Führung. Nach allem, was man hört, ist Klopp ja jemand, der eben nicht sagt, dass er der große Alleswisser oder Alleinherrscher ist, sondern dass er ganz geschickt Experten um sich schart und seinen Mitarbeitern auch großes Vertrauen schenkt. Darüber würde ich mich sehr gerne mal ausführlich mit ihm unterhalten.

Zum Abschluss noch ein ernstes Thema: Sie sind jetzt Trainer in Polen und damit alleine geografisch noch näher am Ukraine-Krieg dran als wir in Deutschland. Wie lebt man in Polen mit dem Krieg?

Gaul: Es ist nicht so, dass der Krieg im Alltag zu jeder Sekunde präsent ist und man hier in großer Angst lebt. Aber ganz offen gesprochen ist es schon so, dass du wahrscheinlich öfter vom Thema Krieg eingeholt wirst als in Deutschland. Manchmal regst du dich in deiner Arbeit als Trainer über irgendwelche Dinge furchtbar auf oder du hast ein Spiel verloren, aber dann siehst du auf der Autobahn haufenweise ukrainische Kennzeichen und du denkst dir: Über was für einen unwichtigen Mist habe ich mich jetzt gerade schon wieder aufgeregt. Das wird dir dann so richtig bewusst. Diesen Moment hatte ich schon einige Male.

Bartosch Gauls Trainerstationen

SaisonVerein
2008-2015FC Schalke 04 - u.a. Co-Trainer von Norbert Elgert bei der A-Jugend-Meisterschaft 2015
2015-20221. FSV Mainz 05 - ab 2018/19 Trainer der U23
Seit Sommer 2022Cheftrainer Gornik Zabrze
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