Borussia Dortmund hat in den vergangenen Jahren zahlreiche junge Talente aus dem Ausland geholt, die entweder direkt bei den Profis oder meist erst im Unterbau mitwirkten. Etwa eine Hand voll hatten schwere Schicksalsschläge in Form von Verletzungen zu verkraften, die den anvisierten Weg Richtung erste Mannschaft torpedierten.
2018 kam beispielsweise Kamal Bafounta zur U17 des BVB und arbeitete sich in die U23, wurde zwischenzeitlich aber von einem Meniskusschaden derart ausgebremst, dass die Tür für ihn immer weiter geschlossen wurde. Heute ist er mit 22 in der 3. französischen Liga angekommen. Auch Dan-Axel Zagadou und Mateu Morey sind zu nennen, denen einerseits eine hohe Verletzungsanfälligkeit, andererseits gravierende Blessuren im Weg standen. Nicht viel anders erging es seit seinem Wechsel Julien Duranville.
Frühe Rückschläge in seiner Karriere musste auch Soumaila Coulibaly verkraften - ein weiterer Spieler, den Dortmund 2021 von außerhalb Deutschlands verpflichtete. Der Innenverteidiger war damals 17 Jahre alt, kam aus der Jugend von Paris Saint-Germain und brachte einen Kreuzbandriss im linken Knie mit. Es dauerte 618 Tage, ehe der Franzose erstmals wieder ein Pflichtspiel bestreiten konnte.
Während er sich später ordentlich in der zweiten Mannschaft in Liga 3 machte, kamen für Coulibaly bei den Profis nur zwei Einsätze zusammen. Bitter in Erinnerung bleibt vor allem jener in der vergangenen Saison beim 3:3 in Stuttgart, als Coulibaly vor dem sehr späten Ausgleich der Schwaben unbedrängt über den Ball semmelte. Hätte er ihn getroffen, wäre der BVB mit den beiden zusätzlichen Punkten am Ende Meister geworden.
BVB verleiht Soumaila Coulibaly zu Royal Antwerpen
Doch Schuld daran ist Coulibaly genauso wenig wie an dem Umstand ein paar Wochen danach, als sein Leihwechsel zum FC Burnley in buchstäblich letzter Sekunde scheiterte, obwohl bereits der Medizincheck absolviert war. Doch die Kaufpflicht von rund 17,5 Millionen Euro, was ein erstaunlich hoher Betrag für Coulibaly gewesen wäre, waren dem Premier-League-Aufsteiger dann doch zu viel.
So kam er im August vergangenen Jahres schließlich bei Royal Antwerpen unter. Einem Klub, dem kurz zuvor das gelungen war, woran der BVB scheiterte: Der 1880 gegründete und damit älteste Verein Belgiens, deshalb auch der Spitzname "The Great Old", gewann in einem dramatischen Finale den Meistertitel - und hatte übrigens zuvor auch schon den Pokal eingeheimst.
Dass Coulibalys Wechsel nach England platzte, war im Nachhinein gesehen wohl nicht ganz so tragisch. In Antwerpen jedenfalls hatte er eine glänzende Perspektive: Man bot ihm Erstligafußball, die Aussicht auf Partien in der Champions League sowie durch den Abgang von Willian Pacho nach Frankfurt eine sehr gute Chance auf einen Stammplatz.
Soumaila Coulibaly beeindruckt: "Was er macht, ist großartig"
Und diese nahm Coulibaly derart beeindruckend wahr, dass der einstige Leistungsträger Pacho im Nu vergessen war. Nur elf Tage nach seinem Transfer warf ihn Trainer Mark van Bommel sofort ins kalte Wasser - und Coulibaly lieferte auf Anhieb ab. Beim CL-Qualifikationsspiel gegen AEK Athen (1:0) absolvierte er direkt 90 Minuten und hätte nach einem kleinen Sololauf beinahe das 2:0 erzielt.
Coulibaly gewann in dieser Partie 15 seiner 20 Zweikämpfe, fing elf Bälle ab und wirkte mit seinen 19 Jahren extrem reif. "Er hat ein hervorragendes Spiel gemacht hat. Er hatte noch keine 90 Minuten gespielt - weder bei uns, noch bei Dortmund -, aber er war sehr ruhig am Ball, stark in den Zweikämpfen und hätte fast ein Tor erzielt. Er erinnerte an Arthur Vermeeren in der letzten Saison", lobte van Bommel und zog einen Vergleich mit einem seiner Shootingstars des Vorjahres.
Die ersten Eindrücke von Coulibaly begeisterten Fans wie Mitspieler. Schon nach seiner ersten Trainingseinheit befand Mittelfeldspieler Jurgen Ekkelenkamp, dass "dieser neue Verteidiger gut aussieht". Stürmer Vincent Janssen sagte nach Coulibalys Debüt: "Was er macht, ist großartig. Er hat uns in der Abwehr so oft geholfen. Er ist mit Pacho zu vergleichen. Wir werden viel Spaß mit ihm haben."
Soumaila Coulibaly lässt Vorgänger Willian Pacho vergessen
Geholfen hat Coulibaly bei seinem Start, dass er als linkes Glied der Innenverteidigung einen alten Haudegen an der Seite hatte. Der 35-jährige Kapitän Toby Alderweireld, einst für Ajax Amsterdam, Atlético Madrid sowie Tottenham Hotspur aktiv und in der Vorsaison umjubelter Schütze des entscheidenden Treffers zum Titel, scheint eine beruhigende Wirkung auf den Franzosen zu haben.
Coulibaly jedenfalls spielte in der Folge jede Partie, stets über 90 Minuten, auch in der Gruppenphase der Königsklasse gegen Barcelona, Porto und Donezk. Dass die Leihe auf Anhieb so fruchtet, war mit Blick auf Coulibalys biedere Zeit in Dortmund nicht zu erwarten.
Seine Leistungen blieben dabei konstant gut und übertrafen für zahlreiche Beobachter auch jene von Pacho, der im Vorjahr zu den besten Abwehrspielern der Liga zählte. Coulibaly überzeugte mit einem präzisen Spielaufbau, seinem hohen Tempo und einem sehr sauberen Zweikampfverhalten. Sein stabiles Leistungsniveau führte dazu, dass der 20-Jährige auf der von 1 bis 10 laufenden Benotungsskala belgischer Medien in keiner Partie eine schlechtere Bewertung als 6 erhielt.
BVB-Leihspieler Soumaila Coulibaly: Rückschlag nach Verletzung
Während man in der CL das absehbare Lehrgeld zahlte, gingen bis zur Winterpause nur drei Auswärtspartien in der Liga verloren, in denen Coulibaly in der Startelf stand. Lediglich 78 Minuten verpasste er dabei.
Im neuen Jahr jedoch hielt das Glück nicht mehr an. Vielmehr hat bei Coulibaly eine vom Verein nicht näher spezifizierte Verletzung am Bein dazu geführt, dass er aktuell den nächsten Rückschlag in seiner jungen Karriere zu verkraften hat. Sieben Pflichtspiele verpasste Coulibaly durch die Blessur - und ist auf einmal komplett außen vor, obwohl er längst wieder fit ist.
Dafür gibt es zwei Gründe. Zunächst ist da Zeno van den Bosch, Coulibalys Vertretung während dessen Verletzungspause. Für den 20-Jährigen musste Alderweireld zwar auf die für ihn nicht ideale linke Seite in der Innenverteidigung rücken, doch van den Bosch lieferte bislang blitzsaubere Partien ab.
Soumaila Coulibaly: So viel müsste Antwerpen für ihn bezahlen
"Er enttäuscht nie. Er ist ein ganz anderer Spieler als vor eineinhalb Jahren", heißt es über van den Bosch, der 2016 in Antwerpens Jugendabteilung wechselte. Seine guten Leistungen geben van Bommel keinen Anlass, Coulibaly wieder in die Startelf zu stellen. Es müsste sich nach aktuellem Stand schon jemand verletzen oder gesperrt werden, ehe der Franzose seine nächste Chance erhält.
Hinzu kommt: Van den Bosch gehört dem Klub, Coulibaly nicht. Ob er eine Zukunft bei Royal hat, steht in den Sternen. Der Verein sicherte sich zwar eine Kaufoption, die sich nach SPOX-Informationen auf 7,35 Millionen Euro beläuft und mittels Bonuszahlungen um eine weitere Million ansteigen könnte.
Die Gebühr, die Antwerpen für die Leihe an den BVB zahlen muss, ist dagegen variabel. Die Summe von ursprünglich rund 500.000 Euro sinkt mit jedem Spiel, das Coulibaly macht und gäbe dem Klub die Möglichkeit, dass er am Ende nur das Gehalt und gar keine Leihgebühr zahlen müsste. Doch dagegen spricht Coulibalys momentanes Reservistendasein.
BVB-Leihgabe Soumaila Coulibaly: Unklare Zukunft in Dortmund
Vielmehr jedoch plagen "The Great Old" Sorgen mit dem Financial Fairplay. Unter Besitzer Paul Gheysens, der 2015 einen maroden Verein übernahm und viel Geld investierte, erlebte Royal in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung. Zuletzt erreichte man fünfmal in Folge die Champions Play Offs um die belgische Meisterschaft, bald spielt man das dritte Pokalfinale in nur fünf Jahren und ist mittlerweile auch in der Lage, recht hohe Gehälter zu zahlen.
Diese Entwicklung kam zuletzt an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Im Januar musste beispielsweise Youngster Vermeeren (19) zügig für 18 Millionen Euro an Atlético verkauft werden. Dazu wird Antwerpen bis Mitte November der Technische Direktor Marc Overmars aufgrund einer Sperre wegen "grenzüberschreitendem Verhalten" durch die FIFA-Disziplinarkommission fehlen.
Beim BVB steht Coulibaly noch bis 2026 unter Vertrag. Ob es in Dortmund für ihn weitergehen kann, wo sich zur kommenden Saison womöglich auch etwas an der Rangfolge der Innenverteidiger tut, ist noch zu früh zu beantworten. Zunächst wird er sich gedulden und durch das nächste Tal schreiten müssen. Nach drei Bankplätzen in Serie gab es zuletzt im Pokal immerhin einen Mini-Lichtblick: In der Nachspielzeit wurde Coulibaly eingewechselt - zuvor jedoch hatte auch Konkurrent van den Bosch ein Tor erzielt.
Soumaila Coulibaly: Seine Karriere im Überblick
Verein | Spiele | Tore | Vorlagen | Spielminuten |
Paris Saint-Germain U19 | 17 | - | - | 1427 |
Borussia Dortmund U19 | 4 | - | - | 316 |
Borussia Dortmund II | 25 | - | - | 1898 |
Borussia Dortmund | 2 | - | - | 61 |
Royal Antwerpen | 27 | - | - | 2153 |