Bald besser als Lionel Messi? Die krasse Verwandlung von Ex-Bayern-Star James Rodriguez bei der Copa América

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James Rodriguez bringt seit längerer Zeit auf Vereinsniveau kein Bein mehr auf den Boden, vor fünf Monaten wollte er seinen Vertrag beim FC Sao Paulo auflösen. Völlig unerwartet zockt der ehemalige Leihspieler des FC Bayern mit Kolumbien bei der Copa América nun groß auf - und steht kurz davor, einen Rekord von Lionel Messi zu brechen.

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Man weiß nicht, ob James Rodriguez am Morgen des 24. Juni aus unruhigen Träumen erwachte. Zu einem ungeheuren Ungeziefer transformiert fand er sich gewiss auch nicht in seinem Bett. Doch eine kafkaeske Verwandlung scheint beim ehemaligen Leihspieler des FC Bayern München (2017 bis 2019) vor dem Start der Copa América trotzdem stattgefunden zu haben.

Der mittlerweile 32-Jährige spielt mit Kolumbien, das seit 27 Spielen nicht mehr verloren hat, ein überragendes Turnier, das für James einer Explosion gleicht. In bislang vier Spielen hat er bereits fünf Tore vorbereitet und eines selbst erzielt. Am Donnerstag, um 2 Uhr deutscher Zeit, treffen die Cafeteros im Halbfinale auf das ebenfalls sehr starke Uruguay, das in Unterzahl Brasilien ausschaltete.

James stellte auf dem Weg dorthin einen Rekord nach dem anderen ein. Beim 5:0 im Viertelfinale gegen Panama traf er in Halbzeit eins selbst und legte zwei Treffer vor - das war innerhalb einer Hälfte eines Copa-America-Spiels niemandem zuvor gelungen. Eine weitere Torvorlage benötigt der Mittelfeldspieler noch, um sich auch an die Spitze des Assist-Rankings zu setzen. Seine bislang fünf, die noch kein Kolumbianer zuvor bei einem großen Turnier schaffte, stehen derzeit auf einer Stufe mit Denilson (Brasilien, 1997), Alex (Brasilien, 2004) und Lionel Messi (Argentinien, 2021).

Dass James bei der Copa so aufzockt, kommt einerseits völlig unerwartet. Schließlich hat der Routinier bei seinem aktuellen Klub FC Sao Paulo, wohin er Ende Juli 2023 nach über drei Monaten der Vereinslosigkeit inmitten der laufenden brasilianischen Saison von Olympiakos Piräus aus wechselte, kaum ein Bein auf den Boden gebracht.

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James Rodriguez: Bei Sao Paulo kam es im Februar zum großen Knall

Anfangs war da noch eine große Euphorie im Umfeld des Traditionsklubs. James wurde sehr wohlwollend empfangen, obwohl er sich zuvor in Piräus und bei Al-Rayyan SC in Katar bereits deutlich auf dem absteigenden Ast befunden hatte. Sein Wechsel folgte einem gewissen Trend in der sogenannten Brasileirao. Die Liga öffnete sich vor einiger Zeit für Investoren, wodurch immer häufiger (ehemalige) Stars aus Europa wie Fernandinho (ManCity) oder zuletzt Enner Valencia (von Fenerbahce) den Weg nach Brasilien fanden.

James begann bei Sao Paulo mit ordentlichen Leistungen, plagte sich schnell aber wieder mit den klassischen Wehwehchen herum, die ihn seine gesamte Karriere über begleiteten. Im Februar kam es nach etwas mehr als einem halben Jahr sogar zum großen Knall.

Der oftmals recht launische Kolumbianer hatte die Schnauze voll und wollte seinen Vertrag auflösen. Man darf nicht unterschätzen: Viele Kader in Brasiliens erster Liga sind teils hochkarätig besetzt, ein James ohne Rhythmus und Wettkampfhärte ist dort weit entfernt vom Status des Heilsbringers. Bis dato hatte er lediglich 14 Pflichtspiele bestritten.

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James Rodriguez: Die Gründe für seinen plötzlichen Formaufschwung

Keine drei Wochen später folgte der Rückzieher: War alles anders gemeint, James wollte nun doch bleiben und entschuldigte sich. Seinem Wunsch entsprechend wechselte er von Rückennummer 19 auf die 55. "Da er nie beim Training gefehlt, nie Aufsehen erregt und sich immer an den Zeitplan gehalten hat, nehmen wir die Entschuldigung an. Einen Star wie ihn kann man nicht außen vor lassen", sagte Sao Paulos Sportkoordinator Muricy Ramalho.

Kann man schon, dachte sich vermeintlich der mittlerweile nicht mehr tätige Trainer Thiago Carpini und ließ James kaum spielen. Zwischen Mitte April und dem 8. Juni, als Kolumbien ein Testspiel gegen die USA bestritt, kam James auch aufgrund einer langwierigen Muskelverletzung lediglich zu einem fünfminütigen Kurzeinsatz. Seine Bilanz in Sao Paulo nach gut einem Jahr: 22 Pflichtspiele, zwei Tore, vier Vorlagen, 939 Spielminuten.

Mit diesem erheblichen Rucksack ist er also zur Nationalelf gestoßen, bei der er nun auf Anhieb brillierte wie zu seiner einstigen Hochphase bei Real Madrid vor rund zehn Jahren. Bereits dreimal wurde er bei der Copa zum Spieler des Spiels gekürt (gegen Paraguay, Brasilien und Panama). Dass das so funktionierte und James diesen plötzlichen Formaufschwung erlebte, dafür gibt es einige Gründe.

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James Rodriguez: "Jetzt rennt er etwas weniger"

Wichtigster Faktor: James braucht seit jeher ein sehr gutes Verhältnis zum Trainer, das ist für ihn schlicht ein essentieller emotionaler Faktor. Man muss ihm viel Vertrauen und Aufmerksamkeit schenken, aber auch Verantwortung übertragen - er ist einfach kein Mann für die zweite Reihe.

Da trifft es sich gut, dass Kolumbiens Auswahl von Nestor Lorenzo trainiert wird. Der war schon zwischen 2012 und 2019 für die Nationalelf tätig, damals als Co-Trainer unter José Pekerman. Lorenzo und Pekerman sind sehr väterliche Typen, die schon immer ein gutes Händchen für junge Spieler bewiesen. Unter Pekerman gelang James bei der WM 2014 der internationale Durchbruch, er gewann in Brasilien den Golden Boot (sechs Treffer in fünf Spielen).

"Jetzt rennt er etwas weniger, aber er denkt etwas mehr. Das ist gut für ihn. Er fühlt sich hier wohl und dadurch spielt er gut", sagte Lorenzo lapidar. "Ich weiß, wie sehr er das Nationaltrikot liebt und wie sehr er sich für die Nationalmannschaft einsetzt. Deshalb habe ich ihm vertraut."

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James Rodriguez ist bei Kolumbien sogar Kapitän

Nicht nur das - Lorenzo übertrug James, den er zwischenzeitlich nicht mehr nominiert hatte, gleich noch das Kapitänsamt. Bei der Copa 2021 stand er aus sportlichen Gründen gar nicht erst im Kader. Nun hat Lorenzo in seinem 4-3-1-2 wieder einen Platz für James gefunden. Hinter den beiden Spitzen agiert er mit vielen Freiheiten im Positionsspiel, so dass seine technischen Fähigkeiten zum Tragen kommen.

Lorenzo hat mit Kolumbien noch kein Spiel verloren, 24 Partien dauert diese Serie schon an. Dem 58-Jährigen gelang das einerseits durch eine Umstellung des Spielstils: Weg von einer zuvor recht konservativen und defensiven Herangehensweise, hin zu einer Akzentuierung des Offensivspiels - mit James als zentralem Mann. Es scheint zudem, als pflege Lorenzo einen sehr guten Umgang mit seinen Spielern und kitzele das zweifellos vorhandene Potential aus ihnen heraus.

Letztmals verlor Kolumbien unter Vorgänger Reinaldo Rueda am 2. Februar 2022 in der WM-Qualifikation gegen Argentinien. Auf den aktuellen Weltmeister könnte man im Endspiel der Copa erneut treffen. "Wir hoffen, dass wir das Finale erreichen können. Wir sind gerade in einem sehr guten Moment und haben eine sehr gute Mannschaft", sagte James. Gelingt der Finaleinzug, wäre dies ein gelungenes Geburtstagsgeschenk. James wird am Freitag 33.

James Rodriguez: Seine Vereine und Statistiken als Profi im Überblick

ZeitraumVereinSpieleToreVorlagen
2006-2008Envigado FC5520-
2008-2010CA Banfield50107
2010-2013FC Porto1083242
2013-2014AS Monaco381014
2014-2020Real Madrid1253742
2017-2019FC Bayern München (Leihe)671520
2020-2021FC Everton2668
2021-2022Al-Rayyan SC1657
2022-2023Olympiakos Piräus2356
seit 2023FC Sao Paulo2224
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