Harry Redknapp verlor seinen Geruchssinn bei einem tragischen Autounfall und besitzt dennoch das wohl beste Fußball-Näschen auf der Insel. Sein Gespür für Schnäppchen-Transfers, ein Hang zu Skandalen und die Ur-Londoner Herkunft bescherten ihm Kultstatus. Als Coach in Tottenham hat er - wieder einmal - Geschichte geschrieben. Und das soll erst der Anfang sein.
Es sollte ein geselliger Fußball-Urlaub unter Freunden werden. Doch der gemeinsame Trip vom damaligen Bournemouth-Coach Harry Redknapp und Geschäftsführer Brian Tiler zur Fußball-WM nach Italien wurde zur Tragödie.
Am Abend des 30. Juni 1990 - Italien sicherte sich soeben den Einzug ins Halbfinale - machten sich Redknapp, Tiler und weitere Freunde, nachdem sie zusammen das Viertelfinale gesehen hatten, in einem Minibus auf den Heimweg.
Plötzlich kam es zum Frontal-Crash mit einem entgegenkommenden Auto, Tiler und drei Kollegen starben. Redknapp überlebte schwerverletzt, konnte aber seine reichlichen Knochenbrüche vollständig auskurieren.
Einzig ein kleines körperliches Merkmal erinnert ihn noch heute an die tragische Nacht von 1990: Redknapp verlor bei dem Unfall seinen Geruchssinn.
Vom Schicksal unbeeindruckt
Doch von seinem eigenen Schicksal zeigte sich der 63-Jährige im Nachhinein unbeeindruckt: "Die meisten Leute sagen, so etwas verändert einen. Bei mir ist dieser Effekt nie wirklich eingetreten."
Und so makaber es klingen mag: Redknapp hat noch heute in Sachen Fußball das womöglich beste Näschen auf der Insel.
Sein Riecher für Talente ist einzigartig, sein autoritärer, aber beherzter Umgang mit den Spielern wird ihm hoch angerechnet, wie unter anderem Peter Crouch unlängst bestätigte: "Harry holt aus seinen Fußballern das Beste raus."
Beweise dafür kann Redknapp zu genüge vorlegen: Zu seiner Zeit als West-Ham-Coach in den Neunzigern holte er Rio Ferdinand, Frank Lampard (Redknapps Neffe), Joe Cole und Michael Carrick zu den Hammers und wurde zum Entdecker und Ziehvater der heutigen Three-Lions-Stars.
An den Grenzen des Gesetzes
Redknapps Glücksgriffe auf dem Transfermarkt und seine ungewöhnliche Art zu verhandeln brachten ihm in England schließlich den Spitznamen "Wheeler Dealer" ein. Eine eindeutige Übersetzung ins Deutsche gibt es davon nicht. Sinngemäß ist damit ein gerissener Geschäftemacher gemeint, dessen Methoden jedoch teilweise als fragwürdig gelten.
Eine durchaus treffende Beschreibung der Person Harry Redknapp, bewegte er sich doch schon manchmal an den Grenzen von Recht und Gesetz. 2007 musste Redknapp vorübergehend in Haft, es bestand der Verdacht auf Betrug und Bilanzfälschung.
Schon ein Jahr zuvor wurde er beschuldigt, im Zusammenhang mit einem Schmiergeld-Skandal in der Premier League illegal an Transfers mitverdient zu haben.
Nachgewiesen wurde Redknapp jedoch keine dieser Taten, einzig wegen Steuerhinterziehung bekam er 2010 ein Bußgeld in Höhe von knapp 50.000 Euro aufgebrummt. Redknapp wurde indes nicht müde, seine Unschuld in allen Fällen zu beteuern.
Cockney-Akzent, Ausraster und große Triumphe
Doch gerade die Neigung zum Skandalösen ist ein Teil dessen, was die Einzigartigkeit von Redknapp ausmacht. Hinzu kommt der kultige Ur-Londoner Cockney-Akzent, den der 63-Jährige in jedem Interview aufblitzen lässt.
Zudem ist Redknapp kein Phrasen-Drescher, kein berechenbarer 08/15-Trainer. Regelmäßig weiß er Medien und Fans zu überraschen. Sei es durch spontane Ausraster, ungewöhnliche Forderungen (z.B. generelles Alkoholverbot für seine Spieler) oder durch andere Vorwürfe bzw. Statements.
Doch den Kult um seine Person gäbe es nicht ohne regelmäßigen Nachweis seiner Trainertauglichkeit. Schon in den Achtzigern machte Redknapp als unterklassiger Coach in Bournemouth durch einen spektakulären FA-Cup Sieg über Manchester United auf sich aufmerksam.
Wenige Jahre nach seinem Autounfall heuerte er bei West Ham United an und formte aus einem Abstiegskandidaten einen etablierten UEFA-Cup-Teilnehmer. Mit ähnlichem Ergebnis (FA-Cup-Sieg und UEFA-Cup-Teilnahme) endete Redknapps Erfolgsstory beim FC Portsmouth, den er noch als abstiegsgefährdeten Zweitligaklub übernahm.
Ende der Erfolgsstory? Nicht in Sicht!
Bei Pompey wurde Harry Redknapp bald mit dem amerikanischen Kult-Zauberer Harry Houdini verglichen. Redknapp, der Magier. Das hörte der Coach nicht gerne und stellte klar: "Ich bin kein Zauberer. Wir haben alles gegeben und es hat geklappt. Das ist Fußball."
Doch tatsächlich wurde das meiste, was Redknapp als Trainer anfasste, sehr bald zu Gold. Auch der 2008 beginnende Aufstieg der Spurs vom Premier-League-Letzten zum Champions-League-Qualifikanten in gut eineinhalb Jahren sucht seinesgleichen.
Und die erfolgreiche Liebesgeschichte von Tottenham und Redknapp ist offenbar noch lange nicht vorbei. Redknapp besitzt noch einen Vertrag bis 2011, am liebsten würde er diesen schon bald verlängern: "Ich will bei den Spurs bleiben. Ich liebe diesen Verein."
Damit sich Redknapp weiterhin bei den Spurs wohl fühlt und für Erfolg sorgt, darf er nun auch tief in die Vereinskassen greifen. Laut Medienberichten wird ihm für Neueinkäufe ein Budget von knapp 48 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Denn die Qualifikation für die Champions League soll schließlich erst der Anfang sein.
Die englische Trainer-Legende Harry Redknapp im Steckbrief