Zu alt seien sie, hieß es. Über ihren Zenit seien sie hinaus, hieß es. Doch allen Zweifeln zum Trotz durfte am Ende eben doch Aushilfskapitän Frank Lampard den großen Henkelpott in den Münchner Abendhimmel recken. Der FC Chelsea und mit ihm sein Besitzer Roman Abramowitsch war am Ziel seiner Träume angelangt. Endlich. Denn der Weg war lang, er war beschwerlich.
Aber was passiert nun? Verträge laufen aus, die Zukunft von Trainer Roberto di Matteo bleibt ungeklärt. Dreht Ölmulti Abramowitsch jetzt, da er endlich die Champions League gewonnen hat, vielleicht sogar den Geldhahn zu? Nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte gilt es beim FC Chelsea nun, in den kommenden Wochen die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Was plant Abramowitsch?
Alles an der Stamford Bridge steht und fällt mit dem Namen Roman Abramowitsch. Ist er weiter bereit, kräftig in den Verein zu investieren, oder sieht er seine Mission nach dem Champions-League-Triumph als erfüllt an? Die Ampeln, glaubt man jedenfalls den Aussagen im Anschluss an das Endspiel, stehen weiter auf Grün.
"Roman hat den Spielern erklärt, dass es noch einiges gibt, worauf wir hinarbeiten können", erzählt Chelseas Vorstandsvorsitzender Bruce Buck. "Wir haben das Ding gewonnen, aber das ist nur der Anfang", rief der Besitzer selbst nach dem Endspiel in der Kabine. Sparmaßnahmen sind da wohl erst einmal nicht zu erwarten.
Wer steht in Zukunft an der Seitenlinie?
Welcher Trainer in den Genuss eines warmen Geldregens kommen wird, steht indes noch nicht fest. Klar ist, eine Demission Roberto di Matteos dürfte nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte wohl immer schwerer zu rechtfertigen sein. Das haben offenbar auch die Verantwortlichen erkannt. "Roberto ist definitiv in der Verlosung. Er hat einen großartigen Job gemacht und verdient deshalb unsere Aufmerksamkeit", erklärte Bruce Buck.
Und auch innerhalb der Mannschaft genießt der Italiener höchstes Ansehen. "We want him to stay", schallte es während Roman Abramowitschs Siegesrede immer wieder durch die Kabine der Londoner. Kaum verwunderlich, schließlich war di Matteo kurz zuvor gelungen, woran so illustre Namen wie Jose Mourinho, Carlo Ancelotti oder Luis Felipe Scolari gescheitert waren.
Capello sagt ab
Dennoch soll Abramowitsch weiterhin von der ganz großen Lösung träumen. Pep Guardiola. Laurent Blanc. Fabio Capello. Alles Namen, die in den letzten Monaten mit den Blues in Verbindung gebracht worden waren. Zumindest Capello hat sich inzwischen schon einmal klar von einem möglichen Engagement in London distanziert. "Ich werde nicht zu Chelsea gehen", zitiert der "Guardian" den ehemaligen englischen Nationaltrainer.
Gegen Fans und Spieler wolle man sich in der Trainerfrage aber ohnehin nicht unbedingt stellen, gibt Buck zu. Die Problematik soll aber schnellstmöglich geklärt werden, "noch bevor wir über neue Spieler nachdenken", so der Vorstandsvorsitzende weiter.
Wohin geht Drogba?
Der Grat war schmal. Hätte Arjen Robben seinen Elfmeter in der Verlängerung verwandelt, Didier Drogba wäre wohl als tragischer Held in die Annalen dieses Endspiels eingegangen, war er es doch, der den Strafstoß durch sein ungeschicktes Zweikampfverhalten gegen Franck Ribery erst verursacht hatte. Doch Robben verschoss, der Rest ist Geschichte.
Nun lieben sie ihren "Didi" an der Stamford Bridge natürlich mehr denn je, was den Ivorer allerdings nicht von seinen Wechselabsichten abbringen konnte. Er bestätigte am Montag in einem Interview seinen Angang. Laut einem Bericht der "Daily Mail" steht ein Wechsel Drogbas zu Shanghai Shenua unmittelbar bevor. 30 Millionen Euro könnte der Angreifer bis 2014 in China verdienen, Ex-Kollege Nicolas Anelka, der bereits im Januar nach Shanghai gewechselt war, wird ihm die Eingewöhnung erleichtern.
Chelsea hatte dem Ivorer zuletzt angeblich einen Vertrag bis 2015 angeboten. In dieser Woche wollten sich beide Parteien noch einmal zusammensetzen. "Wir lieben Didier", sagt Bruce Buck, "aber wir müssen tun, was für Chelsea das Beste ist - und Didier, was für ihn das Beste ist." Ein unmoralisches Angebot seitens der Blues konnte Drogba da nicht mehr erwarten.
Wer kommt, wer geht?
Mischt sich in überbordende Freude eine gehörige Portion Schmerz, kann etwas nicht stimmen. So auch im Falle von Fernando Torres. Nach einem schweren ersten Jahr beim FC Chelsea hatte sich der Spanier dank ansteigender Form Hoffnungen auf einen Startelf-Einsatz im Finale gemacht. Spielen durfte er dann allerdings erst ab Minute 84.
"Das ist die größte Enttäuschung meines Lebens", gestand Torres dann auch unumwunden nach Schlusspfiff. Die schlimmsten Momente seiner Karriere habe er in dieser Saison erlebt. "Das möchte ich nicht noch einmal", so der Angreifer in der "AS" weiter. Deshalb plant er nun, sich mit den Verantwortlichen zusammenzusetzen, denn "das ist nicht die Rolle, für die ich gekommen bin. Ich bin nicht glücklich."
Eden Hazard: Doch London statt Manchester?
Grundsätzlich wird sich Torres aber ebenso gedulden müssen wie alle anderen Spieler, die den Verein verlassen oder an die Stamford Bridge wechseln wollen. "Wir müssen erst den neuen Trainer an Bord bekommen, ehe wir über Spieler sprechen", erklärt Bruce Buck. Also stehen auch etwaige Neuverpflichtung zunächst einmal hinten an. Und die Liste ist lang. Neben den schon länger gehandelten Radamel Falcao, Gonzalo Higuain und Hulk bringt sich nun auch wieder Eden Hazard ins Gespräch.
Das belgische Ausnahmetalent hatte sich ja eigentlich bereits entschieden, nach Manchester zu wechseln. Verein? Egal. Hauptsache Champions League. Dieses Kriterium erfüllen die Blues nach dem Triumph von München nun wieder, deshalb "ist es natürlich eine Möglichkeit", so Hazard. Eine solche Möglichkeit stellen aber offenbar auch drei weitere Vereine dar. "Ich glaube, er weiß selbst noch nicht genau, wo er hinmöchte", erklärte Lille-Manager Frederic Paquet gegenüber "Sky Sport News." Ein Angebot habe aber noch keiner der vier Interessenten abgeben.
Neue Chance auf Luka Modric?
Zudem dürfte Luka Modric nun wieder ein Thema an der Stamford Bridge werden. Der Kroate war mit Tottenham Hotspur ja eigentlich bereits in die Champions-League-Qualifikation eingezogen, muss seinen Platz nun aber wieder an den Stadtrivalen abgeben. "Ich werde mich nach der Europameisterschaft entscheiden, wo ich meine Karriere fortsetze. Ich bin bereit für die großen Tests", heizt der Spielmacher bei "Mirrorfootball" mögliche Wechselspekulationen zusätzlich an. Das große Ziel ist aber auch im Falle des Kroaten die Königsklasse. Sollte Modric die Spurs verlassen, bekämen die Blues mit Real Madrid und den beiden Klubs aus Manchester jedoch namhafte Konkurrenz.
Einen kompletten Umbruch sollte trotz all der gehandelten Namen niemand erwarten. Laut Bruce Buck werden einige Spieler kommen und einige gehen, "eine Revolution wird es aber nicht geben." Dennoch wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch einiges tun an der Stamford Bridge. Schließlich ist Bremens Marko Marin bislang Chelseas einziger Neuzugang. Der steht immerhin nicht im Verdacht, bereits über seinen Zenit hinaus zu sein.
Der aktuelle Kader des FC Chelsea im Überblick