Frage: Herr Klopp, wie geht es Ihnen nach der Blinddarm-OP?
Jürgen Klopp: Ich würde jetzt gerne sagen, ich sitze hier auf Schmerzmitteln und quäle mich durch. Spaß beiseite, ich wusste gar nicht, dass ich ihn überhaupt noch habe. (lacht) Nach der OP ging es mir sofort besser. Der Chirurg wollte auch zum Spiel, er ist Dauerkarteninhaber, aber er hat sich dann doch konzentriert. Es ist aber auch nicht so, dass der Blinddarm die Wurzel allen Übels war und wir jetzt anfangen werden, in Serie zu gewinnen.
Frage: Das Liverpool Echo hat bei Ihrer Ankunft sofort geschrieben: 'The Normal One, The Special Club'. Nach der Zeit, die Sie jetzt hier sind, was ist so speziell an diesem Klub?
Klopp: Es ist tatsächlich ein ganz ganz großer Klub, der große Erfolge gefeiert hat. Überall, wo man hier in der Stadt hinkommt, sind fußballhistorische Orte, man trifft Legenden. Ganz viele, die in Liverpool gespielt haben, leben hier nach wie vor, das spricht auch für den Klub und für die ganze Stadt. Das einzige Problem ist, dass die ganz großen Erfolge einige Zeit zurückliegen. Aber das geht einigen Vereinen so. Deswegen braucht man nach wie vor viel Geduld. Ich habe das Gefühl, dass hier alle heiß und hungrig sind und wieder Erfolg haben wollen. Aber man ist auch bereit, die notwendige Zeit zu investieren. Anfield ist ein großer Ort. Man spürt das in jedem Moment, in dem man da ist.
Frage: Sie haben die Legenden angesprochen. Mit wem haben Sie schon geredet? Vielleicht mit Kenny Dalglish, der die letzte Meisterschaft geholt hat?
Klopp: Mit Kenny noch nicht. Aber zum Beispiel mit Jamie Carragher und Steve McManaman, die Experten beim Fernsehen sind. Und natürlich Steven Gerrard. Alle, die ich bisher getroffen habe, waren großartige Menschen. Das ist das Schöne: Du kannst in Liverpool nichts werden, egal wie gut Du bist, ohne ein großartiger Mensch zu sein. Sie wollen dich als Gesamtpaket.
Frage: Es gibt hier Ihren Kopf als Mousepad, als Tasse, als Jacke, als Hose. Wissen Sie das eigentlich?
Klopp: Nein. Das interessiert mich tatsächlich nicht. Aber bei so einem Hype ist es klar, dass die Erwartung in die Höhe schnellt. Es hätte im Weltfußball auch für uns einfache Aufgaben gegeben. Ich hätte irgendwo hingehen können, wo man von vornherein 60 bis 70 Prozent der Spiele gewinnt. Das stand für uns ehrlich gesagt nicht zur Debatte, wir wollten den Reiz haben, etwas verändern zu müssen und zu können. Der Hype vom Anfang hat sich glücklicherweise gelegt.
Frage: Müssen Sie sich hier und da aber trotzdem nochmal zwicken, dass Sie beim großen LFC sind?
Klopp: Nein. Das Letzte, was ein Fußball-Trainer sein darf, ist ein Träumer. Es ist eine überraschend schöne Fortsetzung nach den Geschichten in Mainz und Dortmund. Aber du kommst morgens ins Büro, gehst abends wieder nach Hause und hast den ganzen Tag gearbeitet. Das ist Liverpool, man hat hier viel zu tun. Das mache ich gerne und in diesem Umfeld um so lieber. Aber zwicken? Nein.
Frage: Wie schätzen Sie generell die Stärke der Premier League ein?
Klopp: Jeder Verein hat hier Topspieler auf dem Platz, dementsprechend ist der Fußball davon geprägt. Du hast fünf, sechs Mannschaften, die um die Meisterschaft spielen, acht, die um die Champions League spielen, zwölf, die um die Europa League spielen und fünf oder sechs, die einfach nur froh sind, die Liga zu halten. Es ist auf allen Positionen spannend. Das ist ein großer Unterschied. Wenn du hier glaubst, ein einfaches Spiel zu haben, hast du schon verloren.
Frage: Am 28. Februar haben Sie Ihr zweites Wembley-Finale. Welchen Stellenwert hat der Capital One Cup für Sie?
Klopp: Ich habe nicht vorhergesehen, dass wir ins Finale kommen. Und jetzt auch noch gegen ManCity. Da würden mir einige Vereine einfallen, gegen die es leichter wäre. Aber es wird ein cooles Spiel. Es ist eine großartige Gelegenheit für uns. So schlecht war mein letztes Spiel in Wembley auch nicht. Mit einer ähnlichen Leistung über 90 Minuten haben wir gute Chancen. 'Silverware' ist wichtig für den Verein.
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Frage: Können Sie ein paar Unterschiede erklären zwischen Deutschland und England?
Klopp: In Deutschland geht relativ viel von zuhause aus, telefonisch. Es wird vieles vorbereitet. Hier bist du in alle Prozesse involviert, es gibt unglaublich viele Meetings über den ganzen Tag, wo man von der Problemfindung bis zur Lösung an allen Prozessen beteiligt ist. Das ist sicherlich der gravierendste Unterschied, abgesehen von den vielen Spielen. Der Kalender verändert den Job dramatisch. Als Trainer bin ich es gewohnt, die Mannschaft zu trainieren - hier ist es viel mehr Regeneration. Das ist eine Herausforderung.
Frage: So, wie auch Wind und Wetter?
Klopp: Sagen wir mal so: Eigentlich interessiert mich nichts von dem, was Ihr schreibt. Ich habe mich immer gewundert, wenn ein Spieler ins Ausland gewechselt ist, dass die Berichterstattung wahnsinnig oberflächlich war. Wahnsinnig.