Rekordmann im Schatten des Glamours

Von Robert Arndt
Gareth Barry spielt bereits seit 1998 in der Premier League
© getty

Gareth Barry zählt nicht zu den großen Stars der Premier League. Dennoch ist der Mittelfeldspieler des FC Everton seit über 18 Jahren fester Bestandteil der Beletage Englands. Ein Karriereende ist auch mit inzwischen 36 Jahren noch nicht in Sicht - auch weil er einen Rekord von Ryan Giggs jagt.

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Das Merseyside-Derby vom vergangenen Montag wird wahrscheinlich nicht in die Geschichtsbücher des englischen Fußballs eingehen. Zu zäh war die Angelegenheit, auch wenn das Spiel mit einem Knall in Form des späten Siegtors durch Sadio Mane für den FC Liverpool endete.

Dabei ging beinahe unter, dass Gareth Barry seine 610. Partie in der Premier League absolvierte. Zur Pause eingewechselt konnte auch der Routinier den Fans der Toffees keinen Prestigeerfolg über den verhassten Nachbarn schenken.

Es war symbolisch für die Karriere des Mittelfeldspielers, dass er an einem solchen Abend am Ende des Tages nicht das Gesprächsthema Nummer eins war.

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Als Kaiserslautern deutscher Meister wurde

Über viele Jahre dominierten grandiose Mittelfeldspieler wie Frank Lampard, Steven Gerrard, Paul Scholes oder David Beckham den englischen Klub-Fußball. Mit ihren Teams stellten sie sich Trophäen über Trophäen in den Vitrinenschrank und prägten die Erfolgsgeschichte der Premier League.

Auch Gareth Barry ist nun seit fast 18 Jahren fester Bestandteil dieses Erfolgsmodells. Im zarten Alter von 17 Jahren debütierte der Linksfuß am 2. Mai 1998 für Aston Villa. Nur zur Einordung: An besagtem Tag sicherte sich der 1. FC Kaiserslautern in Deutschland als Aufsteiger sensationell die deutsche Meisterschaft. Lang ist's her!

Seinen Durchbruch erlebte Barry dabei aber gar nicht im Mittelfeld, sondern als linker Außenverteidiger. Das brachte ihn früh in den Dunstkreis der Three Lions, bis mit Ashley Cole ein weiterer Weltklassespieler die Position blockierte.

Der Dauerläufer

Bei Villa bekleidete er in der Folge verschiedenste Postionen im Mittelfeld, vornehmlich natürlich die Zentrale. Doch Barrys Variabilität ist auch ein Grund, die ihn zum Marathonmann Englands höchster Spielklasse aufstiegen ließ. Eine Premier League ohne Gareth Barry? Für die jüngeren Fans wohl kaum vorstellbar. Der Routinier ist eine der wenigen Konstanten im schnelllebigen englischen Fußball.

Zwar kann United-Legende Ryan Giggs (noch) mehr Einsätze verbuchen, doch stand der Evertonian mit 51.627 Minuten deutlich länger auf den Rasenplätzen der Insel als jeder andere. Dies tut er auch noch in dieser Saison und ist ein essentieller Baustein im Spiel der Toffees. "Er ist weiter ein wichtiger Spieler für uns, weil er so clever ist", adelte ihn kürzlich sein Trainer Ronald Koeman.

Noch immer sticht sein feines Auge hervor, die langen Bälle sitzen noch immer punktgenau, wie zuletzt gesehen bei der butterweichen Vorlage aus dem Halbfeld für Romelu Lukaku.

Dennoch hat sich Barrys Spielweise im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich verändert. Zumeist agiert der 36-Jährige aus der Tiefe des Raumes und verteilt seelenruhig die Bälle an seine Mitspieler wie ein Quarterback beim Football.

MLS = Karriereende

Seine Trainingsarbeit ist dagegen die Gleiche: "Ich absolviere noch immer das gleiche Pensum wie früher", versicherte Barry erst kürzlich. Mit fortgeschrittenem Alter hat der Engländer zusätzlich noch Yoga in seinen Trainingsplan integriert.

Er meint es also weiter ernst und will (und kann) auf absolutem Topniveau mithalten, weswegen ein Wechsel in die MLS kein Thema ist: "Amerika war vor ein paar Jahren eine Option, doch die Coaches sagten mir, wenn ich das mache, ist es so, als würde ich meine Karriere beenden."

Es ist beachtlich, wie Barry über 18 Jahre ein wichtiger Teil seiner Teams blieb. Bei Aston Villa blieb er nahezu ohne Verletzungen und führte die Mannschaft über Jahre als Kapitän, auch wenn die internationalen Plätze zumeist von den Granden aus London oder Manchester blockiert waren.

Kein Glück bei den Three Lions

Wohl auch deswegen spielte Barry bei den Three Lions nur eine untergeordnete Rolle. Zwar lief er in 53 Spielen für England auf, doch unter einem guten Stern standen diese Einsätze nicht.

Bei der EURO 2000 blieb er ohne Einsatz, von der WM 2010 erinnert man sich vor allem an das Achtelfinale gegen Deutschland, als Mesut Özil bei einem Konter schier an ihm vorbeiflog. Dass Barry sich angeschlagen durch das Turnier schleppte, wurde dabei oft vergessen.

Rückblickend war es keine Liebesbeziehung zwischen der englischen Nationalmannschaft und dem zumeist verschmähten Dauerläufer: "Klar tut es weh, wenn man so oft übergangen wird, aber ich habe mich im Laufe der Zeit daran gewöhnt."

Bei der EM 2012 sollte er als Spieler von Manchester City endlich die angestrebte Führungsrolle übernehmen, doch eine Verletzung im letzten Freundschaftsspiel vor dem Turnier machte diese Pläne zunichte.

Auf dem Weg zum Rekord

Auf Vereinsebene lief es dagegen besser. 2009 erfolgte der Wechsel zu den Citizens, die gerade ein Starensemble aufbauten. Der Mann von der Südküste war dennoch gesetzt. Über vier Jahre machte Barry immer mindestens 30 Spiele und feierte mit der Meisterschaft 2012 und dem FA-Cup 2011 seine einzigen Titel.

Als sich abzeichnete, dass man keine Verwendung mehr für den Engländer hatte, erfolgte 2013 die Leihe zum FC Everton. Dort passte es so gut, dass er ein Jahr später mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet wurde - mit 33 Jahren.

Everton hat diese Entscheidung nicht bereut, denn kurz vor dem Merseyside-Derby bekam Barry in Form eines neuen Arbeitspapiers ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. "Gareth ist für uns ein Schlüsselspieler, wird aber Pausen brauchen und sie auch bekommen", so Koeman, in dem Wissen, dass sein Oldie wohl nicht mehr in jedem Spiel zur Verfügung stehen wird. Für das Team geht sein Wert aber weit darüber hinaus: "Er ist ein eher ruhiger Typ, besitzt aber einen starken Charakter. Für unsere jungen Spieler ist er wie ein Lehrer."

Im Rampenlicht stehen dagegen weiter andere, wie Torjäger Lukaku, der Woche für Woche für die Toffees in den Schlagzeilen steht. Barry kann dies nur recht sein. Er hat es akzeptiert, im Schatten anderer zu stehen. In der Zwischenzeit kann er sich aber weiter mit den besten Spielern der Welt messen und sich klammheimlich in die Geschichtsbücher der Premier League eintragen.

Denn: Zu den 632 Einsätzen von Ryan Giggs fehlen nur noch 22 Partien. Durch das weiter offene Karriereende wird er diese Marke wohl locker erreichen.

Gareth Barry im Steckbrief

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