"Man kann uns mit dem BVB vergleichen"

Daniel Herzog
23. Februar 201714:26
Ralph Krueger gehört seit 2014 dem Management-Team des FC Southampton angetty
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Ralph Krueger ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender des FC Southampton. Am Sonntag treffen seine Saints im Finale des League Cup auf Manchester United (17.30 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) - für Krueger das größte Ereignis seit über 40 Jahren. Im Interview spricht der Southampton-Boss über das glorreiche Endspiel gegen die stärkste Marke der Welt, die Wichtigkeit einer Trophäe und wie die Saints in den kommenden Jahren Englands Top 4 angreifen wollen.

SPOX: Herr Krueger, im September sagten Sie uns, der FC Southampton wolle in der Premier League auch in diesem Jahr eine Platzierung zwischen Rang sechs und acht erreichen. Nach etwa zwei Dritteln der Saison stehen Sie auf Platz elf. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?

Ralph Krueger: Ereignisreich! Also so, wie es in England eben ist. Wir haben zum ersten Mal in der Europa League mitgespielt, hatten einen tollen Run im League Cup, wo wir ebenfalls ausgezeichnete Spiele gezeigt haben. Die Premier League ist aufgrund so vieler Wettbewerbe leider etwas auf der Strecke geblieben. Wir sind nicht glücklich mit der Platzierung, können sie aber gut einordnen. Wir sind sicher, dass wir in den letzten 13 Spielen noch einmal einen Sprung in die obere Tabellenhälfte machen. Am schönsten ist für uns aber der Fakt, dass wir am Wochenende gegen Manchester United im League-Cup-Finale spielen. Das ist toll für die Entwicklung unseres Klubs. In der Gesamtheit sind wir also glücklich.

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SPOX: Im League Cup gelang gegen den FC Arsenal der Einzug ins Halbfinale. Dort wurde der FC Liverpool in zwei durchaus dramatischen Spielen rausgeworfen. Hätte es für Sie etwas ruhiger zugehen dürfen?

Krueger: (lacht) Dass man ab der 1. Runde nur gegen Premier-League-Mannschaften spielt, ist schon höchst unwahrscheinlich. Mit Crystal Palace, Sunderland, Arsenal und zweimal Liverpool hatten wir einen schwierigen Weg ins Finale, der uns auch viel Kraft gekostet hat, aber letztlich gibt uns das Mut fürs Finale gegen United. Die Erfahrungen, im Emirates und an der Anfield Road gewonnen zu haben, helfen uns jetzt weiter. Wir sind zwar nicht der Favorit, sehen aber trotzdem eine große Chance, mit dem Cup nach Hause zu fahren. SPOXspox

SPOX: Für Southampton ist es das erste Endspiel seit dem Sieg im unterklassigen Associate Members Cup 2010. Ist das League-Cup-Finale das wichtigste Spiel der vergangenen zehn Jahre?

Krueger: Definitiv! Wir hatten zuletzt drei tolle Jahre, sind in der Liga von Platz 14 auf acht, dann auf sieben und zuletzt auf Rang sechs gelandet. Viele sind glücklich mit dieser Entwicklung, allerdings gab es nie einen Tag, an dem wir richtig jubeln konnten. Es gab nicht diesen Tag, an dem man sich als Sieger feiern konnte. Wir betreiben den Sport, um zu gewinnen. Auch mal eine Trophäe in die Luft zu stemmen, bringt einem Verein viel mehr als eine Platzierung. Diese Chance wollen wir nutzen.

SPOX: Kommt Ihnen die Außenseiterrolle gegen Manchester United entgegen?

Krueger: Ich glaube, wir gehen ganz gut damit um. Wir hatten bislang eher Schwierigkeiten gegen die Gegner auf Augenhöhe. Das hat zuletzt nicht so geklappt, wie wir uns das wünschen. Gegen die Großen haben wir dieses Jahr viele gute Spiele gezeigt. Entsprechend wollen wir auch gegen United unseren Fußball zeigen und nicht nur hinten abwarten. Verbarrikadieren, wie es einige unserer Kontrahenten machen, werden wir uns nicht. Wir wollen vielmehr lernen, wie die Großen zu spielen. Deshalb wird es auch ein attraktives Finale. Wir brauchen aber sicher unsere beste Leistung.

SPOX: Werten Sie es als Vorteil, dass United zuletzt durch die Europa League einer größeren Belastung ausgesetzt war als ihr Team?

Krueger: Wir müssen es zu unserem Vorteil machen. Man darf aber nicht vergessen: Seit Mitte August haben wir die meisten Spiele in ganz Europa absolviert. Es gibt keinen Verein, der mehr Partien gespielt hat. Zudem sind wichtige Spieler bei uns verletzt. Wir wollen das Beste aus unserer Situation machen und schauen nicht so sehr darauf, was der Gegner macht. Das wird ein traumhafter Sporttag.

SPOX: Wie empfinden Sie den Mythos Wembley?

Krueger: Was bei diesen Cup-Finals im Wembley abläuft, ist einmalig. 42.000 Zuschauer in einer Farbe auf der einen Seite, 42.000 in einer anderen Farbe auf der anderen. Wembley ist historisch, das ist für unsere Fans sensationell! Für sie ist es wohl nicht nur das wichtigste Spiel der letzten zehn Jahre, sondern das wichtigste seit dem FA-Cup-Sieg 1976.

SPOX: Welche Bedeutung hätte der Titelgewinn für Southampton?

Krueger: Eine große! Die Spieler würden sich die Frage "Wie gewinnt man?" selbst beantworten und damit dieses Siegergen weiterentwickeln. Das würde uns sehr viel Mut für die Zukunft geben. Natürlich hätte der Sieg auch kommerzielle Vorteile, die sehen wir aber immer nur als Co-Produkt. Wir haben die Chance, weltweit noch mehr Fans zu gewinnen. Das ist wichtig, denn es ist unsere einzige Chance, in die Top 6 zu stoßen: mit einer großen Fanbase Southamptons Fußabdruck auf anderen Kontinenten zu hinterlassen. So oder so werden wir erst nach der Saison Zeit haben, das wirklich zu genießen, denn auf den Pokal folgt schnell wieder der Liga-Alltag. Manchester United vs. Southampton im Finale des League Cup - Sonntag, 17.30 Uhr, live und auf Abruf auf DAZN.com

SPOX: Wird das Finale, je nach Ausgang, auch den weiteren Verlauf der Saison beeinflussen?

Krueger: Ja, ganz klar. Wir haben in der Premier League noch alle sechs Top-Gegner. Das ist kein leichter Spielplan. Trotzdem wollen wir wieder in die Europa League. Durch den Pokalsieg hätten wir diesen festen Platz in Europa sicher. Und es würde uns für den Rest der Saison extrem motivieren. Es gibt genug Klubs, die negativ über die Europa League sprechen. Für uns ist sie aber genau richtig. Dort können wir uns weiterentwickeln. Entsprechend gibt es in diesem Finale für uns viele kleine Siege zu erringen.

SPOX: Die Philosophien der beiden Vereine sind recht unterschiedlich. Während Sie Jahr für Jahr Ihre Leistungsträger ziehen lassen müssen, kauft United regelmäßig Superstars teuer ein.

Krueger: Wir arbeiten mit ganz anderen Mitteln. Manchester United ist die größte Fußball-Marke auf der Erde mit einem Umsatz von über einer halben Milliarde Pfund. Wir fokussieren uns darauf, jungen Spielern Fußball beizubringen und sie spielen zu lassen. Entsprechend sind wir stolz darauf, in unserem Team immer auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu haben. Auch, wenn wir sie vielleicht nach einigen Jahren verlieren. United hat große Ziele und sollte mit seinem Budget eigentlich besser dastehen. Sie schöpfen ihr Potenzial im Moment nicht voll aus. Vielleicht kann man uns eher mit Borussia Dortmund vergleichen, der FC Bayern Englands ist eher Manchester United. Sie können von oben herab alles kaufen, was sie wollen.

SPOX: Die Saints gelten entsprechend als einer der besten Ausbildungsvereine der Premier League. Vor allem auf dem Flügel haben Sie mit Gareth Bale, Theo Walcott oder Alex Oxlade-Chamberlain große Talente herangezogen. Wird das also auch künftig der Weg sein?

Krueger: Ganz sicherlich nicht. Wir mussten in den letzten Jahren auch einen Adam Lallana oder Sadio Mane verkaufen. Mittlerweile haben wir eine viel größere finanzielle Kraft. Der Verein hat sich auch in diese Richtung groß entwickelt. In Sachen Umsatz waren wir vor fünf Jahren noch auf Platz 70 im Weltvergleich, jetzt sind wir schon in den Top 20. Das hat natürlich auch mit dem englischen Fernsehen zu tun. Wir haben aber nicht mehr vor, künftig so viele Spieler ziehen zu lassen. Der Großteil der Spieler hat Verträge, die noch drei bis fünf Jahre gültig sind. Mit dieser Truppe wollen wir in den nächsten Jahren etwas aufbauen. Unser Ziel ist es, einen Weg in die Champions League zu finden. Das ist schwer, mit der Zeit kann man aber auch in die Top 4 reinbrechen. Im letzten Jahr haben wir Chelsea und Liverpool ja auch hinter uns gelassen.

SPOX: Wie gelingt es Ihnen, diese Masse an Talenten anzuziehen? Haben Sie eine besonders große Scouting-Abteilung oder einfach nur äußerst kompetente Mitarbeiter?

Krueger: Wir haben weltweit über 50 Scouts, die für uns in verschiedenen Rollen unterwegs sind. Es ist ein sehr großes Team, angeführt von Ross Wilson. Spieler wollen zu uns, weil sie einen Weg in die Top 10 der Welt sehen. Sie wittern die Chance, über Southampton zu Bayern oder Barcelona zu kommen. Pierre-Emile Hoijbjerg hätte zum Beispiel zu sechs oder sieben Vereinen wechseln können. Endlos viele Agenten kontaktieren uns permanent, weil sie die Hoffnung haben, dass ihre Spieler bei uns diese Entwicklung nehmen. Es gibt also viele gute Gründe, warum wir Spieler vor ihrer Prime-Time zu uns holen können. SPOXspox

SPOX: Warum schafft United das nicht, obwohl die finanziellen Mittel auf jeden Fall vorhanden sind?

Krueger: Da müsste man viel tiefer in die Materie blicken. Ich rede aber nicht gerne über andere Klubs - vor allem dann nicht, wenn ich die genauen Hintergründe nicht kenne. Einen Trainer lernt man auch erst kennen, wenn man mal bei ihm in der Kabine gesessen hat. Ich kann nur sagen, dass ich froh bin, dass unsere Idee hier in Southampton so gut funktioniert. Würde ich bei einem großen Klub arbeiten, würde ich es genauso machen. Ich weiß nicht, wie man bei United darüber denkt.

SPOX: Trotz der durchaus hohen Einnahmen durch Transfers der Spieler in den vergangenen Jahren agierte Southampton im Anschluss eher zurückhaltend auf dem Markt. Was ist mit dem Überschuss geschehen?

Krueger: Viele sehen nur die Ablösesummen und verstehen es nicht. Dabei sind die Gehälter, die wir zahlen müssen, in der Premier League in den letzten zwölf bis 14 Monaten extrem gestiegen. Wir mussten und wollten ja auch in langfristige Verträge investieren, um über Jahre ein Team aufzubauen. Wir haben eine klare Philosophie und leben innerhalb unserer Möglichkeiten. Verkaufen wir Spieler, wird das Geld wieder in die Mannschaft investiert.

SPOX: Wie hat sich das Vorgehen auf dem Transfermarkt vergangenen Jahren aus Ihrer Sicht verändert? Sprengt eine Verpflichtung wie die von Paul Pogba im vergangenen Sommer nicht ein ganzes Mannschaftsgefüge?

Krueger: Dass für Spieler so viel Geld ausgegeben wird, ist auch für uns bei Southampton neu. Pogba ist aber natürlich eine ganz andere Geschichte. Wichtig ist aber - egal, wie teuer ein Spieler war oder ist -, dass er eine klare Rolle im Team und vom Trainer und den Mitspielern die Unterstützung erhält. Unser Motto lautet: "Turning potential into excellence". Um das zu erreichen, muss jeder Spieler zuerst an die Mannschaft denken und sich fragen, was das Beste für den Southampton Football Club ist. Da dürfen Gehalt und Ablöse keine Rolle spielen. Jeder wird hier gleich behandelt, nur so geht es.

SPOX: Seit ihrem Amtsantritt 2014 hat sich auch auf der Trainerbank eine gewisse Kontinuität eingestellt. Haben Sie Angst, dass Claude Puel von der Konkurrenz abgeworben wird, wie es bei Mauricio Pochettino oder Ronald Koeman der Fall war?

Krueger: Wir haben überhaupt keine Angst davor, dass Leute abgeworben werden. Wir sehen das als Kompliment, wenn wir Mitarbeiter oder Spieler verlieren. Es ist eine Bestätigung unserer guten Arbeit. Natürlich wollen wir, dass sich die Leute bei uns so lange und so gut wie möglich entwickeln können. Wenn sie das Gefühl haben, dass es woanders besser für sie ist, werden wir wieder neues Personal rekrutieren. Claude Puel hat noch zweieinhalb Jahre Vertrag bei uns. So langsam drückt er dem Team seinen Stempel auf. Beim 4:0 in Sunderland hat man wirklich seinen Fußball gesehen. Zum richtigen Zeitpunkt, jetzt vor dem League-Cup-Finale, wirkt die Mannschaft sehr harmonisch. Wir sind sehr zufrieden mit unserem Trainer und hatten noch nie lange mit einzelnen Personalien zu kämpfen. Auch dann nicht, wenn uns jemand verlassen hat.

SPOX: Bei United ist das seit dem Rücktritt von Sir Alex Ferguson anders. Können Sie sich vorstellen, warum seine Nachfolger solche Probleme haben?

Krueger: Jeder Coach bringt eine andere Kultur mit sich. Die passt nicht allen Spielern. Es gilt die Faustregel: Etwa ein Drittel der Spieler liebt dich, ein Drittel sagt nichts dazu und das letzte Drittel mag dich nicht. Letztere sind eher die, die nicht spielen. Wie die gesamte Mannschaft aber auf den Trainer wirkt und umgekehrt, hängt von vielen Faktoren ab: Wie plant der Trainer die Reisen? Wie werden Teammeetings abgehalten? Wie und was wird gegessen? Das Zusammenspiel braucht Zeit.

SPOX: Sind Sie aber überrascht, dass United unter Jose Mourinho den Erwartungen bislang so stark hinterherhinkt?

Krueger: Mourinho ist einer der Trainer, ähnlich wie Pep Guardiola, die einen großen Trainerstab mitbringen, wenn sie zu einem neuen Verein kommen. So viele Mitarbeiter zu integrieren, dauert einfach.

SPOX: Wie haben Sie Mourinhos Umgang mit Bastian Schweinsteiger erlebt?

Krueger: Ich bin ein großer Fan der deutschen Nationalmannschaft und natürlich auch von Bastian Schweinsteiger. Wir wissen aber zu wenig, um uns ein Urteil zu erlauben. Was die Medien über interne Abläufe bei United wissen, ist niemals hundertprozentig das, was wirklich passiert ist. Ich hoffe einfach, dass Bastian in den nächsten Monaten einen erfolgreichen Weg findet.

SPOX: Mit Jose Fonte hat Sie im Winter ein erfahrener Spieler verlassen. Wieso ist die Situation nicht mit der von Schweinsteiger vergleichbar?

Krueger: Jose war bei uns Kapitän und es war sein Wunsch, zu West Ham zu wechseln. Wir sind diesem Wunsch nachgekommen, da es immer wieder zu Veränderungen kommt und kommen wird, wenn Spieler älter werden. Man muss dann aber immer sehr gut miteinander kommunizieren und die Thematik abfangen, bevor sie zum Problem wird. Wenn die Erwartungen beider Parteien zu weit auseinander gehen, sollte man sich trennen. Es hat alles mit der Kommunikation zu tun.

Manchester United - FC Southampton: Die Statistik zum League-Cup-Finale