Lachgas und die Klänge von Star Wars

Nino Duit
07. Mai 201721:02
Die Newcomer der Premier-League-Saisongetty
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Sie sind jung, sie haben in dieser Saison erstmals einen beträchtlichen Anteil an Premier-League-Spielzeit bekommen - und sie haben ihn genutzt, um sich nachhaltig zu empfehlen. Tom Davies und Mason Holgate vom FC Everton, Ramadan Sobhi von Stoke City, Harry Winks von den Tottenham Hotspur und Demarai Gray von Leicester City sind die Newcomer dieser PL-Saison. Fünf Kurzporträts über fünf Hoffnungsträger.

Demarai Gray - Nur Ärger mit dem Handy

20 Jahre / Außenbahn / Leicester City / 26 Spiele / 1 Tor / 4 Assists

"Er kann es weit bringen", sagte Andy King über seinen Teamkollegen Demarai Gray wenige Monate nachdem ihm diese Möglichkeit beinahe von einem Hubschrauber-Rotor genommen worden wäre. Um es rechtzeitig zu einer Preisverleihung zu schaffen, hatte ihm sein Verein Leicester City ein fliegendes Transportmittel gechartert.

Preis bekam Gray nach der Ankunft aber keinen, denn er hatte sein Glück bereits zuvor aufgebraucht. Mit seinem Handy in der Hand stieg Gray aus dem Hubschrauber aus und schaute statt Richtung Rotor Richtung Screen. Hätte ein Flughafen-Mitarbeiter ihn nicht blitzschnell aufgehalten, Gray wäre in den Heckrotor geraten.

Ärger bereitet ihm sein Handy auch ein knappes Jahr später. 0:2 hatte sein Klub am zurückliegenden Boxing Day gegen Everton verloren, woraufhin Gray aus einem Ballon Lachgas inhalierte. Drogen-Experten zufolge kann das zu Halluzinationen oder auch dem Tod führen, die Blutversorgung des Gehirns wird bei der Einnahme eingeschränkt. Gray jedenfalls postete ein Video von sich samt Ballon und dem vertippten und gerade deshalb auch vielsagenden Wort "Finsihdd" auf Snapchat.

Demarai Gray spielt für Leicester Citygetty

"Seine beste Eigenschaft ist, dass er auf dem Boden geblieben ist", sagt King trotzdem. Auf dem Platz ist Gray jedoch eher selten auf dem Boden, mit seinem irren Tempo scheint Gray eher über die Flügel zu fliegen. Mal links, mal rechts. "Furchteinflößend", nennt King das Tempo seines Kollegen.

Blitzartig hat Gray auch seine Karriere begonnen, mit 17 bei Birmingham City. Dort empfahl er sich nicht nur für Einsätze in diversen U-Nationalteams Englands, sondern auch dem angehenden englischen Meister. Für fünf Millionen Euro kauften die Foxes Gray im Januar 2016, wo er in der Rückrunde einen Stammplatz als Joker hatte. Mit seinem Tempo belebte er stets die letzten Minuten von Leicesters Auftritten - in dieser Saison darf er zunehmend auch von Beginn an beleben.

Ramadan Sobhi - Auf Bällen stehen und FB-Seiten zum Absturz bringen

20 Jahre / Außenbahn / Stoke City / 15 Spiele / 0 Tore / 2 Assists

Es war im Juli 2015, sein Verein Al Ahly führte mit 2:0 gegen den Erzrivalen Zamalek, wo er einst als Knirps nach einem Probetraining heimgeschickt worden war, und es lief schon die Nachspielzeit, als er es das erste Mal in einem Profispiel machte.

"Ich verspreche, das nie wieder zu machen", sagte er danach zwar, machte es aber einige Wochen später trotzdem wieder. Dann wechselte der Ägypter nach England und auch dort wird er es irgendwann machen, da ist sich sein Berater sicher: "Ich weiß nicht wann, aber ich glaube, dass es passieren wird."

Wenn es passiert, dann rollt der Ball auf Ramadan Sobhi zu. Sobhi stellt sich für ein paar Wimpernschläge einfach drauf, ehe er den Ball locker weiterspielt. Dieser Trick ist zu seinem Markenzeichen geworden. An sich zwar wirkungslos, dafür aber umso provokanter. Gegenspieler von Sobhi wurden für ihre wütenden Reaktionen darauf schon ausgeschlossen.

Sobhi polarisiert - auf dem Rasen und auch abseits. Nach drei Jahren, zwei Meistertiteln und einem afrikanischen Champions-League-Titel mit Al Ahly wechselte er im vergangenen Sommer für knapp fünf Millionen Euro zu Stoke City. Erst 19, aber schon Nationalspieler war Sobhi damals und brachte zum Einstand kurzerhand Stokes Facebook-Seite zum Absturz.

Ramadan Sobhi spielt für Stoke Citygetty

"Wir waren vom Interesse an ihm überwältigt", sagte Stokes Pressechef Fraser Nicholson: "Wir wurden überflutet von Tweets und irgendwann mussten wir sogar unsere Facebook-Seite für Ägypten blockieren, weil sie völlig überlastet war." In seinem Heimatland ist Sobhi ein Star, Stoke hat seinetwegen extra eine arabische Twitter-Seite eingerichtet. Sobhi selbst und seinen Wortmeldungen folgen auf Twitter über 350.000 Menschen, während ihm seine Gegenspieler auf dem Platz selten folgen können.

Blitzartig spurtet Sobhi stets den linken Flügel auf und ab. Er kenne nur wenige Spieler, die so "wendig und listig" seien wie Sobhi, sagt sein Trainer Mark Hughes. Teamkollege Marko Arnautovic findet ihn schlicht "beeindruckend". Noch nicht wirklich beeindruckend ist dagegen Sobhis Effizienz. Zwei Assists brachte er in 15 Spielen zustande, aber das kann ja noch werden. "Er ist ein junges Kind und muss noch viel lernen", sagt Arnautovic fast väterlich: "Er ist wie ein kleiner Bruder für mich."

Harry Winks - Aufgestellte Nackenhaare damals, heute und in der Zukunft

21 Jahre / zentrales Mittelfeld / Tottenham Hotspur / 21 Spiele / 1 Tor / 1 Assist

Dem Guardian hat Harry Winks mal erzählt, dass er bei seinem ersten Spiel an der White Hart Lane, an das er sich erinnern kann, sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein muss. Zu diesem Zeitpunkt spielte er bereits ein oder zwei Jahre für die Jugend der Spurs, je nachdem. Er habe all die Gesänge im Stadion bis heute genau im Kopf, erzählte er, und habe damals nur eines gedacht: "Wow!"

Besonders angetan hat es Winks aber die Einlaufmusik. "Ich glaube die ist von Star Wars und ich liebe sie einfach", sagt er. Einst hätten sich ihm immer seine Nackenhaare aufgestellt, wenn er mit seinem Vater auf der Tribüne stand und jetzt stellen sie sich ihm eben auf, wenn er im Spielertunnel steht und darauf wartet, mit der Profimannschaft auflaufen zu dürfen.

Insgesamt 21 Premier-League-Spiele hat Winks schon absolviert und dabei im zentralen Mittelfeld mit seinem Stellungsspiel, seinen raumgreifenden Pässen und mit seinem Spielverständnis beeindruckt. Sein bisher letztes war Anfang April in Burnley. Kurz vor der Pause verletzte sich Winks am Knöchel so schwer, dass ein Kreislaufzusammenbruch drohte und er am Platz sogar beatmet werden musste. Nun kämpft Winks um seine Rückkehr und wenn er etwas kann, dann kämpfen.

Harry Winks spielt für die Tottenham Hotspurgetty

Im vergangenen Sommer stand Winks am Scheideweg. "Ich wollte einfach spielen", erinnert er sich. Bis dahin stand Winks noch nie in der Startelf der Spurs. Statt auf eine Leihe zu drängen, blieb er aber auf Anraten seines Trainer Mauricio Pochettino und er sollte es nicht bereuen. Am dritten Spieltag wurde er erstmals eingewechselt, am zwölften durfte er beginnen und erzielte direkt sein erstes Tor.

Am nächsten Tag marschierte Winks ins Büro seines Trainers, erzählte Pochettino später, und sagte ihm: "Danke! Aber das ist nur der Anfang." Drei Monate und etliche Einsätze später verlängerte Winks seinen Vertrag bis 2022. Dann wäre er insgesamt 20 Jahre im Verein und seine Nackenhaare werden sich immer noch aufstellen - jedoch im neuen Stadion, denn sein Verein bricht in die Zukunft auf und Winks ist ein entscheidender Teil davon.

Tom Davies - Onkels Haare, Robsons Fähigkeiten, DNA eines Superstars

18 Jahre / zentrales Mittelfeld / FC Everton / 21 Spiele / 2 Tore / 3 Assists

Geht es nur nach den Haaren, dann ist Tom Davies ein Abbild seines Onkels Alan Whittle. In den 1970er Jahren stürmte dieser für den FC Everton und gewann sogar einen Meistertitel. Geht es nach den fußballerischen Fähigkeiten, dann erinnert Davies an Bryan Robson. Das sagte zumindest neulich Evertons Manager Steve Walsh.

Robson holte in den 1990er Jahren mit Manchester United jedenfalls zwei Meistertitel. Und damit einen mehr als Whittle und zwei mehr als Liverpool-Legende Steven Gerrard, der kürzlich weder Davies' Haare noch seine fußballerischen Fähigkeiten analysierte, aber dafür gleich mal sein Erbgut: "Er hat die DNA eines Superstars."

Mit elf Jahren wechselte Davies einst von den Tranmere Rovers zum Liverpooler Lokalrivalen Everton. Mit 17 Jahren absolvierte er am Ende der vergangenen Saison seine ersten Spiele für die Profimannschaft der Toffees. Dabei durfte sein Kollege Leighton Baines erstmals die besonderen Kräfte des Tom Davies erfahren. "Es gibt Spieler, die gut trainieren, aber in Spielen untertauchen", holt Baines aus und sagt: "Tom ist das Gegenteil, denn er erreicht in Spielen ein neues Level."

Tom Davies spielt für den FC Evertongetty

Bei Spielen wird Davies zum unermüdlichen Arbeiter und Dauerläufer. Im defensiven Mittelfeld hat er sich als solcher längst in der Startelf etabliert, Anfang April seinen Vertrag bis 2022 verlängert. Vielen gilt Davies als künftiger Kapitän, denn schon in jungen Jahren war ihm anzumerken, dass er Verantwortung für eine Mannschaft übernehmen kann und will.

2015 führte Davies Englands U17 als Kapitän bei der WM in Chile an. England scheiterte damals zwar bereits in der Vorrunde, aber die Verbands-Trainer sollen so beeindruckt gewesen sein von Davies, dass sie ihn kurzerhand zu einem Training mit dem A-Team einluden. Erzählungen zufolge hat er dort im ersten Trainingsspiel standesgemäß einen Doppelpack geschossen.

Mason Holgate - "Buzzing" und auf den Spuren von John Stones

20 Jahre / Innenverteidigung / FC Everton / 15 Spiele / 0 Tore / 1 Assist

Eine wirklich passende Übersetzung für das englische Wort "buzzing" gibt es im Deutschen nicht, ansonsten wäre es ja zu einfach, die bisherige Karriere des Mason Holgate zu beschreiben. Sie wäre schlicht "buzzing". Über Twitter ließ Holgate im Laufe dieser Saison bereits verlauten, dass es "buzzing" gewesen sei, sein Debüt für die englische U21-Nationalmannschaft zu feiern und auch, bei seinem Klub FC Everton einen neuen Vertrag bis 2021 unterschrieben zu haben.

Im Mai 2015, der damals 18-Jährige hatte sich als Stammspieler bei seinem Jugendverein FC Barnsley etabliert, erzielte der Defensivspieler sein erstes Profi-Tor. Natürlich auch: "Buzzing!" Es war gleichzeitig sein letztes Spiel für Barnsley, wie sich herausstellen sollte. Im darauffolgenden Sommer wechselte Holgate knapp 100 Kilometer Richtung Westen nach Liverpool und ging damit den gleichen Weg wie zweieineinhalb Jahre zuvor John Stones.

Holgate habe eine "imposante Zukunft" und auch "unfassbares Potenzial", sagte der damalige Everton-Trainer Roberto Martinez. In seiner ersten Saison bei den Toffees durfte er das jedoch nur in der hauseigenen U23 zeigen. Nachdem Stones für über 50 Millionen Euro zu Manchester City weitergezogen war, stieg Holgate zu den Profis auf. In den ersten drei Saisonspielen stand er direkt in der Startelf und erklärte danach: "Ich fühle mich gar nicht fehl am Platz."

Mason Holgate spielt für den FC Evertongetty

Holgate überzeugte mit abgeklärten Leistungen auf und Lockerheit abseits des Platzes. "Ich zerdenke das alles nicht", sagt Holgate und übt stattdessen lieber Checks mit Kollege Tom Davies. Sportlich pendelte Holgate in den darauffolgenden Monaten zwischen Bank und Platz, ehe ihm die schreckliche Verletzung von Seamus Coleman gelegen kam. Der gelernte Innenverteidiger Holgate hat seinen Platz auf der rechten Seite seitdem sicher.

Stones spielte zu Beginn seiner Everton-Karriere ebenfalls oftmals rechts und auch menschlich hat er Gemeinsamkeiten mit Holgate. "Sie sind beide Leader und hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Fokussierung auf das Wesentliche sehr ähnlich", sagt Ex-Trainer Martinez: "Sie wissen sehr genau, was sie leisten wollen und können."

Wenn Holgate also etwas sagt, dann meint er das auch so, und so sagte er kürzlich "Nächste Saison muss unser Ziel die Champions League sein." Aussichten, die durchaus "buzzing" sind.