Wayne interessiert

Von Oliver Wittenburg
Im Finale der Europa League spielte Rooney schon probeweise in blau
© getty

Es ist Juli und damit die Zeit des grassierenden Transferwahnsinns. "Romelu Lukaku für 85 Millionen Euro (oder auch ein wenig mehr) nach Manchester", ist eine typische Schlagzeile dieser Periode. "Wayne Rooney kehrt nach Everton zurück" ist dagegen kein Wahnsinn. Das ist einfach schön auf eine altmodische Weise, findet SPOX-Redakteur Oliver Wittenburg, und soll entsprechend gewürdigt werden.

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Ich bin dann mal eben weg. Okay, Wayne Rooney war nicht eben mal weg. Er war 13 Jahre weg, aber das kann man ihm als Evertonian wohl nachsehen, denn nun ist er ja wieder da. Die Reaktionen auf die Rückkehr des größten Talents, das die Blauen aus Liverpool je hervorbrachten, sind euphorisch. Romantik schlägt alles dieser Tage.

Es hätte ja auch ganz anders kommen können. Im Januar tauchten Gerüchte auf, dass seine Tage bei Manchester United gezählt sein könnten. Sein Berater Paul Stretford flog nach China, um mögliche Deals zu evaluieren. Doch nichts Handfestes kam zustande. Um diese Zeit fragte BBC Sport seine User, wo sie Rooney in Zukunft sehen würden. Auch sie dachten an Fernost. Jeder Dritte machte sein Kreuz bei "Move to China".

Nein, China ist es nicht geworden, und auch nicht die MLS, um das Lieblingsrefugium in die Jahre gekommener Superstars zu nennen. Es ist Everton. Rooneys alte und neue Liebe. Rooneys Herzensklub, den er zwar einst um einen Transfer ersuchte, der ihn aber nie losgelassen hat.

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes soll jedoch kein Marketing-Gag sein und kein nostalgisches Geplänkel.

Wayne Rooney als junger Pele

Everton hat eine Mission und etwas vor mit Wayne Rooney, der gefühlt stramm auf die 40 zugeht, aber Ende Oktober erst seinen 32. Geburtstag feiern wird. "Meiner Meinung nach kann er Everton besser machen und jeder Spieler, der uns besser macht, ist herzlich willkommen", meint etwa Cheftrainer Ronald Koeman.

18 Jahre alt war Rooney, als er Everton im August 2004 verließ. Davor hatte er erst Liverpool und dann ganz England um den Verstand gebracht. Mit 16 schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft der Toffees und noch vor seinem 17. Geburtstag schrieb er mit einem krachenden Fernschuss Geschichte, der das unbesiegbare Arsenal in die Knie zwang. Dann kamen die Europameisterschaft und zwei Doppelpacks hintereinander, gefolgt von einer schweren Verletzung und der Kampf der Sirs - Bobby Robson gegen Alex Ferguson - um die Gunst des Wunderknaben, den sein damaliger Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson mal eben mit dem jungen Pele verglich. Warum auch nicht.

Sir Alex, man kann es sich lebhaft vorstellen, muss sehr eindringlich und überzeugend gewesen sein, die nötigen Mittel vom Klub bewilligt zu bekommen. So gab er ein Angebot ab, das Everton keine Wahl ließ und Sir Bobby samt Newcastle United aus dem Rennen warf. 30 Millionen Pfund waren es schließlich, die bei weitem höchste Ablöse, die je für einen 18-Jährigen bezahlt worden war.

Dass er kein normaler Teenager war, zeigte "Wazza" bei seinem Debüt für United, als ihm ein Hattrick beim 6:2 in der Champions League gegen Fenerbahce gelang. Man kann kein größeres Versprechen abgeben. Und Rooney hat es gehalten.

Rooney: Nicht so verehrt wie frühere Legenden

Auch wenn in England erregt darüber diskutiert wird, warum Rooney in Manchester nicht die gleiche Verehrung zuteilwird wie etwa einem Sir Bobby Charlton, einem George Best, Denis Law, Eric Cantona oder Cristiano Ronaldo, hat er Legendenstatus erreicht. Er hat mehr Titel gewonnen als alle genannten, nämlich 16, er hat mehr Tore geschossen, nämlich 253, und er hat mit Ausnahme Charltons mehr Spiele absolviert, nämlich 559 an der Zahl.

Die Mutmaßungen reichen von seiner Herkunft aus Liverpool über seine als Illoyalität gedeutete Kritik an politischen Entscheidungen des Klubs bis hin zu der Tatsache, dass Rooney United nie ganz allein zur Meisterschaft geschossen habe und seine Zeit in Old Trafford stets von Diskussionen um seine Gesundheit, seine mentale Verfassung oder seine taktische Rolle begleitet worden war.

Vielleicht tut man sich als Festlandeuropäer leichter, Rooney einfach als einen der großartigsten Stürmer der vergangenen zwölf, 13 Jahre zu feiern, dem vielleicht ein paar Prozent Glamour fehlen, der dafür geerdeter und erdiger rüberkommt als Heerscharen seiner Berufskollegen. Sollen die unmittelbar Betroffenen ruhig weiter Erbsen zählen und Kieselsteine umdrehen.

"Alles Gute und vielen Dank, Wayne Rooney"

Man kann über viele Aussagen Jose Mourinhos geteilter Meinung sein, über seine Abschiedsworte an Rooney nicht: "Er war ein Musterprofi während all seiner Jahre im Klub und wird für immer in den Rekordbüchern stehen. Seine Erfahrung und seine Entschlossenheit werden uns sehr fehlen." Richtig so.

Auch Teamkollege Ander Herrera weiß, wie es gemacht wird: "Eines Tages werde ich meinen Enkelkindern erzählen, dass ich mit Dir zusammengespielt habe. Alle Gute und vielen Dank, Wayne Rooney. #FarewellToALegend"

Welche Absicht verfolgt der FC Everton?

Doch zurück nach Everton. Als Rooney ging, war der Klub finanziell angeschlagen, um das taktvoll auszudrücken, und hatte keine auch nur annähernd rosigen Perspektiven. Doch das ist Schnee von gestern. Mit dem Einstieg des britisch-iranischen Geschäftsmannes Farhad Moshiri, der im Februar 2016 49,9 Prozent der Anteile des Klubs erwarb, nachdem er als Teilhaber bei Arsenal ausgestiegen war, vollzog der Klub eine Trendwende. Moshiri brachte Kapital und jede Menge Entschlossenheit und Dynamik mit. In Koeman fand er offenbar sein Alter Ego für den unmittelbar sportlichen Bereich.

Wirft man einen Blick auf die aktuelle Transferperiode, dann weiß man: Mittelmaß ist nicht länger der Anspruch der Toffees. 100 Millionen Euro hat man bereits investiert und das Geld aus dem Verkauf von Romelu Lukaku an Manchester United ist nicht dazu da, die Ausgaben zu decken. Wir verkaufen nicht, um kaufen zu können, heißt die unmissverständliche Devise. Nicht mehr.

"Es ist nicht genug, dass es heißt, wir seien besonders und ein ganz toller Klub", stellte Moshiri beim General Meeting des Klubs im Januar fest. "Wir wollen kein Museum sein, wir müssen gewinnen."

Gemessen daran mag man die Rückkehr Rooneys vielleicht merkwürdig, ja anachronistisch finden, doch steckt ein Plan dahinter, dessen kann man sicher sein. Allein schon deshalb, weil weder Moshiri noch Koeman im Verdacht stehen, für nostalgische oder romantische Anwandlungen empfänglich zu sein. Nein, Rooney kommt als Agent in spezieller Mission nach Everton.

So zumindest die Theorie.

Mit 31: Rooney als Mentor

"Für mich ist das ein No-Brainer", sagt Ian Snodin, früher Profi, heute Botschafter des Klubs. "Er wird den ganzen großartigen Talenten, die wir haben, einen richtigen Schub geben." Seine Erfahrung und sein immens hoher Fußball-IQ sind die Pfunde, mit denen Rooney im Herbst seiner Karriere wuchern muss. Es gibt schlechtere Orte, diese Qualitäten in die Waagschale zu werfen, als der Goodison Park, wo man in der kommenden Saison eine beachtliche Ansammlung aufregender Talente bestaunen darf.

Dazu zählen unter anderen vier Stammspieler des frisch gebackenen U20-Weltmeisters England, Junioren-Nationalkeeper Jordan Pickford oder die Shooting-Stars Mason Holgate und Tom Davies.

Während United und Englands Nationalmannschaft Rooney inzwischen für abkömmlich halten, ist Koeman für seine Verhältnisse geradezu euphorisch: "Wayne hat mir gezeigt, dass er genau diese Ambitionen und diese Siegermentalität hat, die wir brauchen. Er ist immer noch erst 31 und ich habe nicht den geringsten Zweifel an seinen Fähigkeiten. Es ist fantastisch, dass er sich entschieden hat, nach Hause zu kommen."

Ein Teil der neuen Zukunft Evertons

Und was sagt der verlorene Sohn? Auch er weist jegliche emotionale Verwässerung weit von sich. Natürlich sei Everton der Klub seiner Kindheit, dessen Fan er immer geblieben sei und immer sein werde, aber das habe nichts mit seiner Entscheidung zu tun. Die Vision habe ihn begeistert. Das neue Gesicht des alten Everton Football Club von 1878, englischer Meister zum neunten und vorerst letzten Mal vor 30 Jahren: "Ich komme zurück, weil ich daran glaube, dass der Klub sich nach vorne entwickeln und erfolgreich sein kann. Ich möchte ein Teil davon sein."

Ganz schön geschäftsmäßig und effizienzorientiert und doch so herrlich romantisch in dieser unromantischen Fußball-Moderne.

Jetzt weiß natürlich auch der vielleicht weniger Lebenserfahrene: Am Anfang jeder Beziehung - und sei es die mit der Ex - ist alles voll mit guten Gefühlen, Rosen, Schmetterlingen und der Himmel hängt voller Geigen. Erst die Zeit wird's zeigen ...

Für den Moment aber klingt das schon verdammt gut - und nicht nur für die Evertonians unter uns -, wenn Wayne Mark Rooney sagt: "Ich bin dann mal wieder da."

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