Philippe Coutinhos Situation beim FC Liverpool: Liebe auf Zeit

Nino Duit
05. Dezember 201716:40
Das Comeback nach dem Transferpoker: Philippe Coutinho vor seiner Einwechslung gegen den FC Sevillagetty
Werbung

Im Sommer wollte Philippe Coutinho einen Wechsel zum FC Barcelona erzwingen, doch der FC Liverpool weigerte sich. Die Re-Integration des 25-jährigen Brasilianers verlief nun erstaunlich schnell. Coutinho spielt schon fast wie zuvor - und Barca schaut genau zu.

Es passierte am 13. September 2017, der FC Sevilla war gerade für ein Champions-League-Spiel in Liverpool zu Gast, dass Philippe Coutinho seine Wiedergeburt als Spieler des FC Liverpool feierte. In der 76. Minute machte er sich zur Einwechslung bereit und eine allumfassende Anspannung und Neugier legte sich über das Stadion an der Anfield Road.

Wie würden die Fans reagieren? Wütend und ihrem Unmut lautstark Luft machend wie die Fans des FC Arsenal wenige Tage zuvor, als Alexis Sanchez erstmals wieder für den Klub spielte, für den er eigentlich nie mehr wieder spielen wollte? Oder doch glücklich und applaudierend, weil ein hervorragender Fußballer weiterhin für ihren Verein spielt?

Die Fans an der Anfield Road entschieden sich für Letzteres. Sie erhoben sich und applaudierten. Sie sahen, wie Coutinho den Rasen berührte, mit dem ausgewechselten Emre Can abklatschte und für den Klub auf den Platz lief, für den er eigentlich nie mehr wieder spielen wollte. Einige Tage später sagte er, es sei ihm "eine große Ehre, hier zu sein" und auch "eine große Ehre, dieses Trikot zu tragen".

Die drei vergeblichen Angebote des FC Barcelona

Im August hatte Coutinho noch deutlich gemacht, dass ihm nichts lieber wäre, als nicht mehr in Liverpool sein zu müssen und dieses Trikot nie mehr tragen zu müssen. Coutinho wollte unbedingt zum FC Barcelona wechseln und war sich mit dem Klub auch einig. Barca machte dann ein Ablöseangebot, das Liverpool ablehnte, und noch eines und noch eines, doch auch diese beiden lehnte Liverpool ab. Das abschließende soll rund 125 Millionen Euro betragen haben. Vergeblich. "Wenn ich sage, dass er nicht zum Verkauf steht, dann steht er nicht zum Verkauf", sagte Klopp zu Beginn des Transferpokers und er hielt sein Wort. Coutinho hatte schließlich erst im Januar bis 2022 verlängert und gesagt, er wolle "noch einige weitere Jahre bleiben".

Als sich die sommerliche Transferphase dann dem Ende entgegenneigte, klagte Coutinho erst über Rückenschmerzen und dann über eine Erkältung und verpasste deshalb das Spiel von Liverpool gegen Arsenal. Dann flog er zur brasilianischen Nationalmannschaft, trainierte normal, spielte und schoss beim WM-Qualifikationsspiel gegen Ecuador sogar ein Tor.

"Alles, was bei Coutinho festzustellen ist, ist Unruhe. Er ist angespannt, aber es gibt keinerlei Beeinträchtigung oder Verletzung", hieß es von Seiten des brasilianischen Verbandes. "Wenn man nicht weiß, wo man bald arbeitet, fühlt man sich unsicher", sagte der Teamarzt Michael Simoni, doch bald wusste es Coutinho: Er würde weiterhin in Liverpool arbeiten.

"Leider können er und seine Familie nicht glücklich sein", sagte sein brasilianischer Teamkollege Neymar und fügte pathetisch an: "Stattdessen ist es für ihn ein Moment der Qual, Enttäuschung und Trauer." Immerhin eine verhältnismäßig gutbezahlte Qual, Enttäuschung und Trauer. Coutinho selbst flog jedenfalls bald zurück nach Liverpool und sagte gegenüber ESPN: "Ich hatte ein Jobangebot. Manchmal bekommst du eins, das dich interessiert und manchmal nicht. Wie jeder weiß, habe ich mich für dieses interessiert."

Coutinhos erstaunlich schnelle Re-Integration

Coutinho hatte sich für dieses Jobangebot jedoch so offensiv interessiert, dass eine Re-Integration in die Mannschaft des FC Liverpool zunächst schwierig erschien. Aber es kam anders: Erstaunlicherweise hatte Coutinho innerhalb kürzester Zeit Trainer, Mitspieler und Fans wieder hinter sich. "Alles ist cool", sagte Coutinho.

Auch von Seiten des Vereins scheint alles cool zu sein. Trainer Jürgen Klopp ist keineswegs nachtragend und sprach von einem "sehr guten Gespräch" mit Coutinho. Sein Teamkollege Roberto Firmino sagte schon während des Transferpokers, dass er einen Abschied Coutinhos "schrecklich" fände. Und dies scheint die vorherrschende Meinung in der Mannschaft zu sein.

"Es ist brillant, dass er wieder da ist", sagte etwa Kapitän Jordan Henderson nach Coutinhos Comeback gegen Sevilla, bei dem ihm auch die Anhänger verziehen. "Ihr habt die Fans bei seiner Einwechslung gehört", sagte Henderson erleichtert und forderte: "Im Training war er brillant und das zeigt er jetzt hoffentlich auch in den Spielen." Coutinho folgte.

Er spielt fast wie zuvor

Wettbewerbsübergreifend stand Coutinho in den folgenden vier Spielen jeweils in der Startelf. Zweimal spielte er auf seiner alten Position als Linksaußen, zweimal etwas defensiver im halblinken Mittelfeld. Egal wo, er spielte fast so wie zuvor. Ballsicher, umtriebig, kombinationsstark, technisch versiert und stets mit Zug zum Tor.

18 Mal schloss Coutinho in diesen vier Spielen ab und erzielte dabei zwei Treffer: In der Premier League gegen Leicester City verwandelte Coutinho einen Freistoß direkt, nachdem er Mohamed Salah zuvor schon mit einer perfekten Flanke das 1:0 vorbereitet hatte. In der Champions League gegen Spartak Moskau traf er dann nach einem tollen Doppelpass mit Sadio Mane zum Ausgleich. "Er macht in entscheidenden Momenten magische Dinge", sagt Henderson.

Barcelona wird es nochmal probieren

Einen Monat, nachdem Coutinho mit Liverpool eigentlich abgeschlossen hatte, ist er wieder bestens integriert. Mit Salah gibt es in dieser Saison zwar einen hochkarätigen Offensivspieler mehr, doch Coutinho wird seinen Stammplatz aller Voraussicht nach behalten. Entweder im Sturm oder im Mittelfeld. Coutinho wird versuchen, interessant zu bleiben. Interessant für den FC Barcelona.

In den katalanischen Medien wird nämlich weiterspekuliert. Barcelona will es im Winter wohl nochmal probieren, Coutinho zu kaufen. Und wenn das nicht klappt, im nächsten Sommer eben nochmal. "Er liebt diesen Klub nach wie vor", sagt Klopp zwar und meinte damit den FC Liverpool, aber es scheint eine Liebe auf Zeit zu sein.

In Liverpool kennt man all das schon: 2013 wollte Barca unbedingt Luis Suarez verpflichten. Ein Jahr lang weigerte sich Liverpool und verkaufte ihn dann doch.