Anlässlich des Trainerwechsels beim FC Chelsea in diesem Sommer 2018 muss unbedingt an die italienische Serie-B-Saison 2006/07 erinnert werden. Die Älteren werden es wissen: Es war das Jahr, in dem Juventus Turin und der SSC Neapel als Meister und Vize-Meister in die Serie A zurückkehrten. Die Klubs, bei denen der neue und der alte Chelsea-Trainer Maurizio Sarri und Antonio Conte später erfolgreich arbeiten sollten.
An dieser Serie-B-Saison waren aber nicht nur ihre späteren Vereine beteiligt, sondern auch Sarri und Conte selbst - und zwar beim identischen Verein: Associazione Calcio Arezzo hieß er damals, nach einer zwischenzeitlichen Vereinsauflösung wegen finanzieller Probleme Associazione Sportiva Dilettantistica Atletico Arezzo und mittlerweile Unione Sportiva Arezzo.
Zu Beginn besagter Saison jedenfalls hieß der Cheftrainer Antonio Conte. Nach dem 9. Spieltag musste er gehen, sein Nachfolger wurde Maurizio Sarri, für den nach dem 28. Spieltag Schluss war. Daraufhin holte der Klub Conte zurück, aber es half alles nichts: Arezzo stieg in die Drittklassigkeit ab. Anders als die beiden damaligen Mitabsteiger FC Crotone und Pescara Calcio marschierte Arezzo in den folgenden Jahren nicht in die Serie A - dafür aber die beiden verantwortlichen Trainer. Und das mit gänzlich unterschiedlichen Philosophien.
Maurizio Sarris Trainerstationen: Von der 6. in die 1. Liga
Zeitraum | Verein | Ligastufe |
2000-2003 | AC Sansovino | 6. und 5. |
2003-2005 | AC Sangiovannese | 4. und 3. |
2005-2006 | Pescara Calcio | 2. |
2006-2007 | AC Arezzo | 2. |
2007 | US Avellino | 2. |
2007-2008 | Hellas Verona | 3. |
2008-2009 | AC Perugia | 3. |
2010 | US Grosseto | 2. |
2010-2011 | US Alessandria | 3. |
2011 | Sorrento Calcio | 3. |
2012-2015 | FC Empoli | 2. und 1. |
2015-2018 | SSC Neapel | 1. |
seit 2018 | FC Chelsea | 1. |
Conte raus, Sarri rein: Chelsea macht es wie Arezzo
Conte verteidigte und siegte Juventus Turin zu drei Meistertiteln und dann Chelsea zu einem. Als Chelsea in Contes zweiter Saison zwar weiterhin verteidigte, aber nicht mehr so oft siegte, waren sie dort nicht mehr ganz so begeistert. "Wenn du den Platz verlässt, hast du den Eindruck, dass du viel gelaufen bist, aber nicht Teil eines Fußballspiels warst", sagte etwa Eden Hazard nach einer Niederlage gegen Chelseas Meister-Nachfolger Manchester City.
Sarri unterdessen ließ beim SSC Neapel einen begeisternden Fußball spielen. Und das brachte Chelsea auf die Idee, es wie einst Arezzo zu machen: Conte raus, Sarri rein. "Maurizios Napoli-Mannschaft zeigte mit den aufregendsten Fußball in ganz Europa und begeisterte mit Offensivdrang und Dynamik", wurde Klub-Direktorin Marina Granovskaia in einer Stellungnahme zur Verpflichtung von Sarri zitiert. Einen Tag zuvor hatte Chelsea die Trennung von Conte verkündet. Eine Trennung, die in dem an Trennungen so reichen Fußball-Geschäft schon den Titel "kurios" verdient.
Chelsea unter Conte: Ein Jahr der Entfremdung
Begonnen hat die Entfremdung zwischen Verein und Trainer bereits vor einem Jahr. Nach dem Meistertitel leistete sich Conte zunächst einen öffentlichen Disput mit Stürmer Diego Costa, der schließlich in dessen Abschied resultierte, und kritisierte dann die Klub-Führung für das zaghafte Verhalten auf dem Transfermarkt.
Beides gefiel dem ohnehin trennungsroutinierten Besitzer Roman Abramowitsch natürlich ganz und gar nicht. Und noch weniger, dass Chelsea schon früh keine Chancen mehr auf die Titelverteidigung hatte. Der Gewinn des FA-Cups war ein schwacher Trost, Contes Entlassung trotz Vertrags bis 2019 eigentlich beschlossen. Doch dann passierte: nichts.
Tag um Tag verging und Woche um Woche. Der Trainingsstart der neuen Saison rückte näher und war dann - wie befürchtet - auch irgendwann da. Auf den Platz bat dabei zum allseitigen Erstaunen erneut Conte. Es hieß, Abramowitsch wolle einen Rücktritt Contes provozieren, um sich die bei einer Entlassung erforderliche Abfindung zu sparen. Ein gefinkelter Gedankengang, aber auch ein vergeblicher.
Conte machte nämlich stoisch gar nichts und dann musste ihn Abramowitsch ein paar Tage nach dem Trainingsauftakt doch rausschmeißen und ihm dafür zehn Millionen Euro überweisen - was Abramowitschs Trainer-Abfindungs-Ausgaben seit seiner Chelsea-Übernahme im Jahr 2003 auf rund 60 Millionen Euro ansteigen ließ. Vielleicht werden es demnächst sogar noch mehr: Conte erwägt offenbar eine Klage auf Schadensersatzzahlung. Die verspätete Entlassung hätte ihm Chancen auf eine andere Anstellung verbaut.