Es war im Laufe der ersten Halbzeit des Testspiels von Manchester United gegen den FC Bayern am Sonntag, als ein Fan hinter der Pressetribüne so laut er es irgendwie konnte den Namen von Jose Mourinho brüllte. Dieser stand am Spielfeldrand vor seiner Trainerbank, schreckt auf, drehte sich um, lächelte kurz und hob grüßend die Hand. Dann wandte er sich wieder ab, verfolgte weiterhin das Geschehen auf dem Rasen und war den restlichen Abend für keine grüßenden Handzeichen oder gar Antworten mehr verfügbar.
Fragen gab es ob der vollkommen uninspirierten Darbietung seiner Mannschaft aber einige. "United wollte nicht Fußball spielen", sagte Bayerns Joshua Kimmich. Was Mourinho darüber dachte, erfuhr man zunächst nicht. Auf die eigentlich obligatorische Pressekonferenz nach dem Spiel hatte er nämlich keine Lust und kam einfach nicht.
Am nächsten Tag erschien immerhin ein Videointerview auf der offiziellen Vereinshomepage. Was für Schlüsse er aus dem Spiel ziehen könne, wurde Mourinho gefragt, und er sagte: "Endlich ist es vorbei. Endlich ist diese schwierige Vorbereitung vorbei."
Jose Mourinho kritisiert die USA-Tour
Es ist das Ende einer Vorbereitung, gegen die Mourinho seine Ablehnung so offen zur Schau stellte wie selten ein Trainer bei einem Topklub zuvor. Womöglich auch nie. "Die USA-Reise hat uns nichts gebracht", fasste er den zweiwöchigen Trip kürzlich zusammen.
Die Probleme fingen mit der WM an, denn die verlief für viele United-Spieler überraschend positiv. Die potenziellen Stammspieler Jesse Lingard, Ashley Young, Phil Jones und Marcus Rashford (England), Romelu Lukaku und Marouane Fellaini (Belgien) sowie Paul Pogba (Frankreich) erreichten mindestens das Halbfinale - und verpassten somit weite Strecken der Vorbereitung.
Anthony Martial reiste unterdessen ab, um bei der Geburt seines Kindes dabei zu sein - und kehrte aus Sicht von Mourinho viel zu spät zurück. "Er hat jetzt sein Baby aber nach der Geburt sollte er wieder da sein und das ist er nicht", sagte Mourinho. Am liebsten will Martial den Verein wohl ohnehin ganz verlassen.
Die USA-Reise trat United deshalb hauptsächlich mit Jugendspielern an, die sich unter anderem Tahith Chong, Angel Gomes oder Joshua Bohui nennen. "Glaubt ihr, Alexis Sanchez ist glücklich mit solchen Mitspielern?", fragte Mourinho nach einer 1:4-Niederlage gegen den FC Liverpool. "Das ist nicht meine Mannschaft, nicht einmal 30 Prozent meiner Mannschaft. Wir spielen hier nicht, um uns zu verbessern. Wir spielen hier nur, um zu überleben und einige sehr hässliche Ergebnisse zu bekommen." 101.254 zahlende Zuschauer verfolgten das Spiel gegen Liverpool im Stadion von Michigan. Mourinho sagte, er selbst würde dafür kein Geld ausgeben.
Jose Mourinho kritisiert die Transferpolitik
Geld würde er viel lieber für neue Spieler ausgeben, oder ausgeben lassen. "Ich habe dem Klub vor ein paar Monaten eine Liste mit fünf Namen gegeben und werde abwarten, ob es möglich ist, einen dieser Spieler zu bekommen", sagte Mourinho. Bisher war das offenbar nicht möglich. Willian spielt immer noch beim FC Chelsea, Ivan Perisic bei Inter Mailand, Harry Maguire bei Leicester City, Toby Alderweireld bei den Tottenham Hotspur und Jerome Boateng beim FC Bayern. Boateng soll nun zu allem Überfluss am Telefon ein Angebot ausgeschlagen haben. Vor allem mit der Besetzung der aktuellen Innenverteidigung (Eric Bailly, Victor Lindelöf, Phil Jones, Marcos Rojo, Chris Smalling) soll Mourinho reichlich unzufrieden sein.
Zuletzt klagte er, dass er "noch zwei Spieler" brauche. "Aber die bekomme ich nicht." Das Verhältnis zu Manager Ed Woodward soll arg angeschlagen sein. "Er ist total unzufrieden mit Ed Woodward und alle leiden darunter", zitierte die Daily Mail eine vereinsinterne Quelle. "Er weiß, was ich will", sagte Mourinho noch vor dem Spiel gegen den FC Bayern. Das Transferfenster schließt bereits am Donnerstag. "Wenn wir unser Team nicht verbessern, wird es eine schwierige Saison."
Manchester United: Neuzugänge im Sommer 2018
Spieler | Abgebender Verein | Ablöse |
Fred | Shakhtar Donezk | 59 Millionen Euro |
Diogo Dalot | FC Porto | 22 Millionen Euro |
Lee Grant | Stoke City | 1,7 Millionen Euro |
Gekommen sind bisher nämlich lediglich der 35-jährige englische Keeper Lee Grant, der 19-jährige portugiesische Rechtsverteidiger Diogo Dalot und der 25-jährige brasilianische Mittelfeldspieler Fred. 59 Millionen Euro überwies United für ihn an Shakhtar Donezk. "Fred komplettiert die Qualitäten, die unser Mittelfeld benötigt", sagte Mourinho. "Er ist ein kreativer Spieler und verfügt über ein Passspiel, das unserem Spiel eine weitere Dimension verleihen wird." Beim Testspiel gegen den FC Bayern blieb noch unklar, welche Dimension das genau sein soll.
Es ist nicht das einzige Fragezeichen vor dem Saisonstart. Mourinho geht in seine dritte Saison als United-Trainer, bei keinem seiner bisherigen Vereine stand er länger am Stück unter Vertrag - beim Wettanbieter SkyBet ist er der Top-Kandidat auf die erste Entlassung der Premier-League-Saison.