Andrew Robertson (25) und Trent Alexander-Arnold (21) trennen altersmäßig zwar viereinhalb Jahre, aber sie wuchsen trotzdem beide in der gleichen Epoche auf. In der Epoche, als Manchester United unter anderem mit dem Außenverteidiger Gary Neville einen Premier-League-Titel nach dem anderen holte und es als Jugendspieler vor allem darum ging, nur ja kein Außenverteidiger zu werden.
"Es gab damals das berühmte Sprichwort: 'Keiner will wie Gary Neville sein'", erzählte Alexander-Arnold neulich von seiner Jugend. Im Nachhinein muss man sagen: Er hat es verpatzt, er ist trotzdem wie Gary Neville geworden. Ein Außenverteidiger. Und jetzt, wo er schon wie Gary Neville geworden ist, will er gemeinsam mit seinem Leidensgenossen Robertson wenigstens dafür sorgen, dass dieser Umstand künftig nicht mehr als verwerflich angesehen wird.
"Gemeinsam wollen wir beide die bisherige Wahrnehmung dieser Position ändern", sagt Alexander-Arnold. "Das ist es, was wir seit 18 Monaten machen." Seit Sommer 2018 sind Robertson und Alexander-Arnold bei Liverpool unumstrittene Stammspieler. Robertson war ein Jahr zuvor für neun Millionen Euro vom Premier-League-Absteiger Hull City gekommen, Alexander-Arnold zwei Jahre zuvor von der vereinseigenen Jugend zu den Profis befördert worden.
Sie schrieben schon Premier-League-Geschichte
Seitdem entwickelten sich die beiden zum besten Außenverteidiger-Duo der Welt - und seitdem eilt Liverpool von Erfolg zu Erfolg: Champions-League-Titel, UEFA Supercup, Klub-WM und in der Premier League einsam an der Tabellenspitze und seit über einem Jahr ungeschlagen. Die beiden Außenverteidiger sind bei dieser Entwicklung keine Neben-, sondern Hauptdarsteller.
In der vergangenen Saison bildeten Robertson und Alexander-Arnold das erste Außenverteidiger-Duo eines Vereins der Premier-League-Geschichte, bei dem beide über zehn Assists lieferten. Robertson elf, Alexander-Arnold zwölf.
Nach 21 Spielen der aktuellen Saison deutet alles darauf hin, dass sie diese Leistung wiederholen werden. Robertson steht bei sechs, Alexander-Arnold bereits bei acht Assists. Im Dezember wurde Zweiterer sogar zum Spieler des Monats gewählt. Die beiden sind gerade dabei, eine verstaubte Position sexy zu machen - mit ähnlich aktiven, aber doch unterschiedlichen Spielweisen.
Andrew Robertson interpretiert seine Rolle traditioneller
Der Linksverteidiger Robertson interpretiert seine Rolle etwas traditioneller als Alexander-Arnold. Er ist flinker, athletischer und dribbelstärker als sein Gegenpart, hält gerne die Linie, eilt von vorne nach hinten und von hinten nach vorne und schlägt präzise Flanken. Flach und halbhoch und hoch. "Ich versuche immer, die Lücke zwischen dem Torhüter und den Verteidigern anzuvisieren", erklärte er neulich bei 90min.
Wenn Robertson über Flanken spricht, dann spricht er mit einem Leuchten in den Augen. Gefragt nach seiner Lieblingsflanke, erzählt er von einer im vergangenen März gegen Tottenham Hotspur. "Als sie meinen Fuß verlassen hat, wusste ich schon, dass sie süß werden würde", erzählte er. Und sie wurde süß. Roberto Firmino hatte in der Mitte kein Problem mehr, den Ball einzuköpfeln.
Trent Alexander-Arnold ist ein verkappter Spielmacher
Alexander-Arnold ist wohl der etwas bessere, der kreativere Fußballer und das macht ihn in Ermangelung eines richtigen Spielmachers im 4-3-3-System von Trainer Jürgen Klopp zumindest zu einem verkappten. Immer wieder rückt er etwas ins Zentrum, spielt dort Doppelpässe und setzt die Angreifer vor dem Tor in Szene. Nur die beiden Mittelfeldspieler Kevin De Bruyne von Manchester City (76) und Emiliano Buendia von Norwich (64) kreierten in dieser Premier-League-Saison mehr Chancen als Alexander-Arnold (60).
In der Epoche von Gary Neville wäre das undenkbar gewesen, wie ein bekannter Stürmer dieser Epoche kürzlich erzählte: Peter Crouch. Von 2005 bis 2008 spielte er für Liverpool und damals hatten die Außenverteidiger andere Aufgaben. "Ich kann mich daran erinnern, dass unsere Außenverteidiger immer in die Mitte zu Steven Gerrard oder Xabi Alonso passen mussten, die den Ball dann diagonal nach vorne schlugen", sagte Crouch der BBC. "Trent macht das heute selber und zwar genauso gut, wie es einst Gerrard oder Alonso machten."
Assist-Wettbewerb zwischen Robertson und Alexander-Arnold
Die aktive Spielweise der beiden Außenverteidiger geht jedoch nicht auf Kosten einer sicheren Defensive. Liverpool kassierte in der bisherigen Premier-League-Saison erst 14 Tore und damit mit Abstand die wenigsten aller Vereine. Eilt Robertson nach vorne oder schiebt Alexander-Arnold in die Mitte, rückt einer der drei Mittelfeldspieler nach außen und sichert ab. Doch auch im eigentlichen Defensivspiel sind die beiden bewandert. Robertson und Alexander-Arnold sind die beiden Liverpool-Spieler, die im Laufe der bisherigen Saison die meisten Ballgewinne verzeichneten.
Ihre Lieblingsrubrik sind dennoch die Assists. "Wir haben einen Wettbewerb, wer mehr Assists schafft", berichtete Robertson. "Das pusht uns." Und bei Twitter kommentieren die beiden ihren Wettbewerb live mit. Als Robertson im November seinen vierten Assist verzeichnete und Alexander-Arnold damit überholte, postete er ein grinsendes Video von sich. "Im Mai reden wir weiter", antwortete Alexander-Arnold - lieferte in den folgenden zwei Monaten fünf Assists und zog wieder an Robertson vorbei.
Statistik-Vergleich in der Saison 2019/20 (Premier League)
Andrew Robertson | Trent Alexander-Arnold | |
Spiele | 21 | 21 |
Minuten | 1815 | 1843 |
Tore | 1 | 2 |
Assists | 6 | 8 |
Kreierte Chancen | 30 | 60 |
Ballgewinne | 134 | 129 |