Cristiano Ronaldos Suspendierung bei Manchester United ist der unrühmliche Höhepunkt einer Partnerschaft, die schon lange zum Scheitern verurteilt war. Schuld trifft dennoch einzig und allein den 37-Jährigen, der mit seinem Verhalten nicht nur seinen Klub und Portugals WM-Chancen sabotiert - sondern auch seine Zukunft als Fußballer. Ein Kompliment haben dagegen der FC Bayern und Borussia Dortmund verdient. Ein Kommentar.
Dass es eigentlich nicht gutgehen konnte mit Cristiano Ronaldo und Manchester United in dieser Saison, das wussten die Beteiligten ja schon länger. Über das genaue Datum kann man vielleicht noch streiten: Seit dem 1. Juli, als mit Erik ten Hag ein neuer Trainer präsentiert wurde, der den Klub komplett auf links drehen sollte und in dessen Konzept ein 37-jähriger Stürmer so gar nicht passte? Oder schon seit dem Frühjahr, als United die Qualifikation für die Champions League verfehlte?
Spätestens aber seit dem 1. September, als klar war, dass CR7 die Red Devils nicht vor Schließung des Transferfensters verlassen würde. Dabei hatte sich der Superstar bereits mehrere öffentliche Fehltritte geleistet und es war deutlich geworden, dass es unter ten Hag allemal zur Joker-Rolle reichen würde.
Dennoch blieb Ronaldo in Manchester, obgleich ihn Berater-Mogul Jorge Mendes fast schon verzweifelt bei sämtlichen europäischen Topklubs angeboten hatte. Wie eine in die Jahre gekommene Siemens-Waschmaschine bei eBay-Kleinanzeigen: "Okay, sie hat schon leichte Verschleißspuren und schafft nicht mehr so viele Umdrehungen wie früher, aber sie war mehrfacher Testsieger! Und die Marke macht richtig was her."
Weil aber niemand anbiss, blieben der Portugiese und die Red Devils zwangsweise verpartnert, zumindest bis zur Öffnung des Winter-Transferfensters am 1. Januar. Und jetzt, nach dem unrühmlichen Abgang während des 2:0-Siegs gegen die Tottenham Hotspur am Mittwochabend, bleibt nur ein bitteres Fazit: Ronaldo hat alles kaputt gemacht.
Dabei hätte er nur noch 25 Tage durchhalten müssen.
Ronaldo bei Manchester United: Wo ist der Musterprofi?
Ronaldo ist ein Besessener - im positiven Sinne. Besessen von Siegen, von Titeln, von Toren - von Letzterem vielleicht sogar am meisten. Das hat ihn zum besten Torjäger der Geschichte gemacht. Um seinen Arbeitseifer und seine Disziplin abseits des Platzes ranken sich mittlerweile Legenden. Bis zur EM 2024 will er noch spielen und treffen - mindestens.
Diese einzigartige Selbstdisziplin hätte er in den vergangenen zwei Monaten anzapfen müssen: Wechsel geplatzt, United spielt nicht um die großen Titel mit - und wenn schon! Seit dem 1. September geht es nur noch um die WM in Katar. Um den einen großen Titel, der ihm noch fehlt.
Ergo: Füße stillhalten, Körper und Geist voll auf das anstehende Turnier fokussieren und in die bestmögliche Topform bringen. Die Tatsache, bis Mitte November nicht zweimal wöchentlich 90 Minuten durchzuspielen, hätte sich sogar als "Glück im Unglück" herausstellen können. Und es hätte seinem Vermächtnis gut zu Gesicht gestanden: CR7 der Teamplayer, der auch ohne Stammplatz und Königsklasse alles gibt.
Bis zur Weltmeisterschaft hätte er - aus seiner Sicht - gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Genauer gesagt: Bis zum Auswärtsspiel beim FC Fulham am 13. November, 25 Tage nach dem Spurs-Spiel. In nicht einmal vier Wochen wären die Karten neu gemischt worden. Was sind schon vier Wochen in einer 20-jährigen Karriere?
gettyRonaldo sabotiert Portugals WM-Chancen - und seine Zukunft
Nun könnten Ronaldo stattdessen die schlimmsten Tage seiner Laufbahn bevorstehen. Völlig zurecht hat ihn United suspendiert, ten Hag bestätigte am Freitag, dass Ronaldo die Einwechslung verweigerte, und dessen "Nicht-Entschuldigung" via Instagram ließ nicht gerade auf Einsicht schließen. Dass er vor der Abreise gen Katar überhaupt noch einmal für seinen Klub aufläuft, ist Stand jetzt komplett offen - eine gute WM-Vorbereitung sieht anders aus. Und das ist längst nicht alles:
- Der Aufwärtstrend von Manchester United wird überschattet, Spieler und Trainer können sich nicht auf das Sportliche konzentrieren.
- Er hat sein Ansehen bei den United-Fans - und Fußball-Fans allgemein - beschädigt.
- Auch für seine portugiesischen Teamkollegen bedeuten die CR7-Schlagzeilen im Hinblick auf Katar unwillkommene Ablenkungen.
Und: Die Konsequenzen für die Zeit nach der WM sind noch gar nicht abzusehen. Womöglich spielt Ronaldo mit Portugal trotz allem eine starke WM. Es wäre sein bestes Argument für einen Wechsel zu einem Champions-League-Klub im Winter gewesen. Aber wer will ihn jetzt noch? Aus dem Musterprofi ist ein impulsives, motziges Enfant Terrible geworden. Welches Spitzenteam tut sich das freiwillig an?
Ein Kompliment sei an dieser Stelle an den FC Bayern München und Borussia Dortmund ausgesprochen. Beide Teams hätten Ronaldo im Sommer verpflichten können - und beide hätten gute Gründe finden können, nach Robert Lewandowskis Abgang und Sébastien Hallers tragischer Krankheit. Sie sagten wohlweislich ab. Ein solcher CR7 macht keine gute Mannschaft besser.
Und, wie der Blick nach Manchester beweist: nicht einmal mehr eine mittelmäßige.
Cristiano Ronaldos Statistiken bei Manchester United 2022/23
Pflichtspiele | davon Startelf | Einsatzminuten | Tore | Vorlagen |
12 | 6 (2 in der Liga) | 691 | 2 | 1 |