Opfer des Systems: Wie Ex-VfB-Keeper Odysseas Vlachodimos in England in einen Teufelskreis geriet

Von Daniel Buse
Odysseas Vlachodimos, Premier League, Newcastle United, FC Chelsea, Nottingham Forest, VfB Stuttgart, Griechenland
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Seit gut einem Jahr versucht sich Odysseas Vlachodimos in England - ohne Erfolg. Nun ist der frühere Stuttgarter und aktuelle griechische Nationaltorhüter in einer Sackgasse gelandet.

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23 Millionen Euro Ablöse hat Newcastle United im Sommer für Torhüter Odysseas Vlachodimos gezahlt, um ihn von Nottingham Forest zu holen. Nie legten die Magpies für einen Keeper mehr Geld auf den Verhandlungstisch - und entsprechend groß waren die Erwartungen bei den Fans des ambitionierten englischen Erstligisten und wohl auch bei Vlachodimos selbst. Doch diese Erwartungen sind schon nach wenigen Wochen der neuen Saison enttäuscht worden.

Denn statt um den Platz zwischen den Pfosten mit dem englischen Nationalkeeper Nick Pope zu kämpfen, befindet sich Vlachodimos auf dem Abstellgleis. Nicht ein einziges Mal schaffte er es bislang bei einem Pflichtspiel in den Kader der Nord-Engländer, im Gegensatz zu seinen zahlreichen Konkurrenten.

Denn Newcastle hat gleich fünf Torhüter unter Vertrag, die für die erste Mannschaft in Frage kommen - und in der internen Hackordnung belegt Vlachodimos aktuell nur den fünften Platz.

Nach Angaben von The Athletic wollte Newcastle den 30-Jährigen, der Anfang Juli bis angeblich 2029 unterschrieben hat, nur knapp zwei Monate später wieder zu einem Abschied überreden. Doch Vlachodimos habe sich nach seinem Jahr in Nottingham in England mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nun eingelebt und deshalb abgelehnt.

Aber warum holte Newcastle einen Torhüter für einen klubinternen Rekordbetrag, gab ihm keine Chance, sich zu beweisen, und wollte ihn sofort wieder loswerden? Die Antwort liefern die Finanzregeln der englischen Premier League.

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Der Fall Conor Gallagher: Auch Chelsea will ein Minus ausgleichen

Beim FC Chelsea sangen die Fans zum Saisonauftakt den Namen von Conor Gallagher - obwohl der im Duell mit Manchester City überhaupt nicht im Kader stand. Sie hatten mitbekommen, dass ihr Klub den Mittelfeldmann unbedingt verkaufen wollte und das schließlich auch an Atlético Madrid tat.

Voller Unverständnis dafür, dass ein Spieler, der seit seiner Kindheit das Blues-Trikot getragen und sich sportlich in den letzten Jahren stark entwickelt hatte, quasi durch die Hintertür abgegeben werden sollte, wurden sie laut. Auch hier waren die Finanzregeln der Liga, die "Profit and Sustainability Rules", kurz PSR, der Grund für einen dieser Deals, die schönfärberisch als "moderne Transfers" bezeichnet werden.

Die Ablösesumme, die ein im eigenen Klub ausgebildeter Spieler wie Gallagher einbringt, kann sofort als Gewinn verbucht werden. Und solch einen hohen Gewinn benötigte nicht nur Chelsea, sondern auch Newcastle United im Sommer, denn Ende Juni endete das Geschäftsjahr der Magpies.

Und laut The Athletic ging der Klub mit einem Minus von rund 60 Millionen Pfund (rund 71 Millionen Euro) für das Jahr in die letzten Juni-Tage. Über einen Zeitraum von drei Jahren dürfen die Premier-League-Klubs nur einen Gesamtverlust in Höhe von 105 Millionen Pfund anhäufen - es drohte den Magpies nach internen Berechnungen nun ein Abzug von zehn Punkten als Strafe.

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Newcastle United wird "die Pistole auf die Brust gesetzt"

Der Conor Gallagher von Newcastle United war Elliot Anderson. Nottingham Forest interessierte sich für den 21-Jährigen, der seit seiner Kindheit für die Magpies spielte. 35 Millionen Pfund bot der Klub - und zwang Newcastle, das unter großem Zeitdruck stand, auch noch Vlachodimos zu nehmen. Dessen Ablösesumme in Höhe von 20 Millionen Pfund belastete natürlich wieder die Bücher, doch den Verlust kann Newcastle nun in kleine Pakete über die Vertragslaufzeit bis angeblich 2029 aufteilen.

"Sie haben uns die Pistole auf die Brust gesetzt", sagte ein Verantwortlicher von Newcastle The Athletic über den Anderson-Vlachodimos-Deal. 35 Millionen Sofort-Gewinn in der Kasse standen vier Millionen pro Jahr als langfristige Ausgabe für den Keeper gegenüber. Da der Klub auch noch Yankuba Minteh für 30 Millionen Pfund nach Brighton verkaufte, stimmte am Ende die Bilanz wieder.

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Bei Forest läuft es für Odysseas Vlachodimos nicht gut

Der Leidtragende der Situation ist nun Odysseas Vlachodimos. Der gebürtige Stuttgarter, der für den VfB in der Bundesliga-Saison 2015/16 bei drei Niederlagen zwischen den Pfosten stand, entwickelte sich auf seinen weiteren Karriere-Stationen bei Panathinaikos (2016 bis 2018) und Benfica (2018 bis 2023) zu einem verlässlichen Top-Keeper.

Zweimal wurde er mit den Portugiesen Meister, für Griechenland hat er 44 Länderspiele absolviert und ist aktuell die Nummer eins. Immer wieder wurde er in den vergangenen Jahren mit einer Rückkehr in die Bundesliga in Verbindung gebracht - doch die Tribüne in englischen Stadien ist momentan seine harte Realität.

Schon bei Nottingham lief es für ihn in der Saison 2023/24 nicht gut. Dem Athletic-Bericht zufolge ging er zu Forest und davon aus, dass er die neue Nummer eins des Klubs wird. Doch von einem derartigen Versprechen wollte Trainer Steven Cooper später nichts mehr wissen und setzte auf Matt Turner als Stammkeeper. Als dann auch noch im Winter-Transferfenster ein weiterer Torhüter geholt wurde, zählte Vlachodimos in den letzten 15 Spielen der Saison als dritte Wahl nicht mehr zum Spieltagskader.

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Odysseas Vlachodimos "kämpft um seinen Platz"

Der Wechsel nach Newcastle sollte eine neue Chance werden, Vlachodimos wurde angeblich ein fairer Zweikampf mit Nick Pope um die Nummer eins versprochen. Martin Dubravka, die Nummer zwei der Vorsaison, die eigentlich verkauft werden sollte, blieb dann aber doch; mit John Ruddy wurde ein weiterer Torhüter ablösefrei von Birmingham City geholt.

Und so rutschte Vlachodimos in der internen Rangliste immer weiter nach hinten - bis auf Platz fünf. "Er kämpft um seinen Platz", lautete der knappe Kommentar von Trainer Eddie Howe, als er auf die Situation des teuren Neuzugangs angesprochen wurde.

Dass Newcastle den griechischen Nationaltorhüter eigentlich gar nicht haben wollte und am Ende trotzdem 23 Millionen Euro für ihn ausgab, spricht niemand im Klub offen aus. Der "moderne Transfer" hat für die Magpies den Zweck erfüllt. Jetzt warten die Engländer aller Voraussicht nach darauf, dass sich für Vlachodimos wieder ein Abnehmer findet und der Torhüter einem erneuten Wechsel zustimmt. Bleibt für den Keeper zu hoffen, dass dieser Klub dann nicht wieder nur ein Minus ausgleichen muss.

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