Keine Stars, aber trotzdem glänzend: Die heimlichen Helden der Premier League wie Jussi Jääskeläinen, Abdoulaye Diagne-Faye, Franck Queudrue oder Phil Jagielka verblassen neben all den Rooneys, Ballacks oder Torres'. Unauffällig, aber unverzichtbar. Unspektakulär, aber effektiv. Sie sind immer da, auch wenn man sich später vielleicht nicht an sie erinnern wird.
Wer hier gerne viel zu schnell durch die Gegend brettert, kauft sich im Internet eine bestimmte Folie und klebt sie auf seine Nummernschilder. Schon ist man unsichtbar, zumindest für die knallgelben Geschwindigkeitsmesser auf der Autobahn: die Kennzeichen reflektieren den Blitz.In der Premier League gibt es ebenfalls Spieler, die auf keinem Radar auftauchen, in Wahrheit aber sehr zügig und gut unterwegs sind. Im Gegensatz zu den Methoden der getarnten Raser bleibt dabei alles im legalen Rahmen, aber man muss schon sehr genau hinschauen, um diese Art von Kicker neben all den Stars und Sternchen zu identifizieren.
"Unsung heroes" nennt man sie auf der Insel, frei übersetzt: heimliche Helden. Wie wichtig diese anonymen Dauerbrenner sind, merkt man meistens erst, wenn sie einmal doch fehlen und dann plötzlich die ganze Mannschaft auseinander fällt.
Hier ist die wie immer eindeutig subjektive Liste der zehn Unverzichtbaren. Männer, die immer spielen, aber (fast) nie auffallen.
Blog von Mutu77: Die heimlichen Stars der Primera Division
Franck Queudrue (Birmingham City)
Es ist nicht lange her, da war der Lieblingskicker aller Stadt-Land-Fluss-Spieler ("berühmte Person mit Q"?) noch persona non grata bei den Blues. Queudrue, 31, gab mit seinem Ohrring, dem starken französischen Akzent und der blondierten Strähne in den Haaren den perfekten Sündenbock ab, als City 2008 in die zweite Liga abstieg.
Vereinsboss David Sullivan bezeichnete den linken Verteidiger als "größte Enttäuschung" in dem "Haufen Dreck", den Trainer Steve Bruce gekauft hatte.
Queudrue wurde auf die Transferliste gesetzt, aber ließ sich davon nicht beirren. Überragende Leistungen verhalfen dem Klub zum Wiederaufstieg und Sullivan entschuldigte sich öffentlich bei dem unheimlich soliden, nach vorne mit Flanken und Freistößen gefährlichen Franzosen.
Queudrue wurde im Sommer sowohl von den Fans als auch den Mitspielern zum Spieler des Jahres gewählt. An guten Tagen erreicht der Mann internationale Klasse, an schlechten ist er immer noch besser als die meisten City-Spieler.
Scott Parker (West Ham)
Der 28-Jährige ist dafür verantwortlich, dass die Hammers trotz finanzieller Probleme und wenig Erfahrung in der Mannschaft weiter Nägel mit Köpfen in der Liga machen.
Scotty, wie sie ihn in der Kabine nennen, ist kein Mann, der das Spiel seiner Mannschaft unbedingt auf den nächsten Level beamt, bringt dafür aber Geometrie und Stabilität ein. Wenn es sein muss, langt er auch mal hin: gelb ist seine Lieblingsfarbe. Als er in der Schlussphase der vergangenen Saison ausfiel, bekam United sofort Probleme, besonders gegen Spitzenmannschaften.
Für Trainer Gianfranco Zola ist Parker so wichtig, dass er einen Mitarbeiter aus der medizinischen Abteilung mit ihm in den Sommerurlaub schickte, um seine Genesung zu überwachen. Der geborene Londoner könnte bald wieder Nationalspieler sein.
Abdoulaye Diagne-Faye (Stoke City)
Bis vor kurzem war der Senegalese einer dieser No-Name-Ausländer, bei denen man nie genau weiß, warum sie eigentlich in der Premier League ihr Geld verdienen; Spieler, die ihr Engagement in erster Linie wahrscheinlich den, ähem, guten Beziehungen ihrer Agenten zu bestimmten Trainern verdanken.
Bei den Bolton Wanderers machte der 31-Jährige anfangs als Mittelfeldspieler Furore und wurde nach einer besonders eindrucksvollen Partie gegen den FC Arsenal schon als Nachfolger von Patrick Vieira gehandelt. Doch später wurde er ein 08/15-Verteidiger, der bei Newcastle United kaum positiv in Erscheinung trat.
Umso überraschender ist die Konstanz, mit der Faye seit 2008 bei Stoke brilliert.
Der Brocken in der Innenverteidigung ist ein Kultstar im Britannia Stadium; "Abdoulaye, My Lord, Abdoulaye" singen sie dort zur Melodie von "Kumbaya". Kapitän Faye, der in dieser Saison neben Robert Huth spielt, war der Garant für den Klassenerhalt und wurde von den Fans und Kollegen zum Spieler des Jahres gewählt.
Phil Jagielka (Everton)
Der Verteidiger fehlt seinem Team seit seinem Kreuzbandriss im April an allen Ecken und Enden. Der Engländer polnischer Abstammung war 2008/09 zeitweise der beste Defensivmann der Liga und stand kurz vor seinem ersten Pflichtspiel in der Nationalmannschaft, bevor das Malheur passierte.
Mit ihm hätte Everton das FA-Pokal-Finale gegen den FC Chelsea vielleicht gewonnen, wer weiß. Jagielka, 27, ist dabei ein klassischer Spätstarter. Bis zur Vorsaison war eher einer Unsicherheitsfaktor bei den Toffees, doch auf einmal erwies sich als enorm stellungssicher, ruhig am Ball und hoch konzentriert.
Ein Fanzine rühmte ihn als "majestätisch", so elegant spielt er mittlerweile. Wenn man ganz genau hinschaut. Jagielka, der im Schatten von Marouane Fellaini und Tim Cahill glänzt, ist wahrscheinlich der am meisten verbesserte Spieler (MIP) der vergangenen drei Jahre.
Gary Cahill (Bolton Wanderers)
2008 war der 23-Jährige Boltons Newcomer des Jahres, 2009 dann schon der Spieler des Jahres. Niemand blockte in der abgelaufenen Spielzeit mehr Schüsse ab, fast niemand zerstört die gegnerischen Angriffsbemühungen so ruhig und unaufgeregt wie Cahill.
Unter anderem interessierte sich der FC Arsenal für die Dienste des Engländers, doch Bolton-Coach Gary Megson ließ sich nicht einmal von 20 Millionen Pfund in Versuchung bringen. "Ich wäre verrückt, ihn zu verkaufen". Viel länger werden die Wanderers den Jungen aber nicht halten können.
Gegen die Ukraine oder Weißrussland könnte Cahill demnächst sein England-Debüt geben, spätestens dann wird Bolton sein Talent nicht länger geheim halten können. "Ich bin bereit dafür", hat er gesagt.
Weitere Unverzichtbare auf der nächsten Seite
Michael Turner (Sunderland)
Nur ein Eigentor von Anton Ferdinand verhinderte am vergangenen Samstag Sunderlands Auswärtssieg bei Manchester United. Es wäre auch Michael Turners persönlicher Triumph gewesen; der Verteidiger hatte gegen die Angriffsmaschine des Meisters 90 Minuten lang eine ausgezeichnete Leistung abgeliefert.
Bescheiden wie er ist, verwies er sofort auf die gute Arbeit seiner Mitspieler Lorik Cana und Lee Cattermole: "Das Mittelfeld hat uns unterstützt", sagte Turner.
Es fällt schwer zu glauben, dass der 25-Jährige vor drei Jahren noch beim (damaligen) Viertligisten FC Brentford Angreifer abkochte.
Sein nationaler Durchbruch gelang ihm bei Hull City, wo er mit Auszeichnungen überhäuft wurde und im vergangenen Jahr der einzige Spieler war, der nach der Winterpause nicht vollkommen unter seinen Möglichkeiten spielte.
Sunderland erlöste ihn mit einem sieben Millionen Euro-Transfer. Ein echtes Schnäppchen.
Aaron Hughes (Fulham)
Hughes ist der Hasan Salihamidzic der Premier League. Der Nordire kann überall in der Viererkette und überall im Mittelfeld spielen und er spielt überall, und zwar immer. Seit der 1:2-Niederlage gegen den FC Chelsea am 1.1.2008 hat der 29-Jährige kein Premier-League-Spiel mehr verpasst.
In einer Mannschaft, die eigentlich nur aus unscheinbaren, aber äußerst widerstandsfähigen Profis besteht, fühlt sich der Vertreter von Kapitän Danny Murphy sehr wohl: bei einer polizeilichen Gegenüberstellung würde ihn selbst ein Großteil der eigenen Fans kaum von anderen Aarons und Hughes' von der Straße unterscheiden können.
Jussi Jääskeläinen (Bolton)
Den Namen kann auf der Insel niemand buchstabieren - das ist einer der Gründe, warum der Finne so gerne übersehen wird. Die ausländischen Torhüter (Cech, Reina, van der Sar) bekommen all die Schlagzeilen, die der gute Jussi seit langem verdient hätte, aber der hütet ja bei Bolton das Tor, einem Team, dem man nur zuschaut, wenn man unbedingt muss.
Seit 1997 gehört der 34-Jährige zu den besten Schlussmännern auf der Insel, es gibt auch keinen Ausländer, der länger als er in der Premier League spielt. Alle Jahre wieder wird er mit einem Wechsel zum FC Arsenal in Verbindung gebracht, aber Jussi hält den Wanderers die Treue - sicher zur großen Freude des Mitarbeiters, der in Lancashire für die Beflockung der Trikots zuständig ist.
Graham Alexander (Burnley)
Das Wort "Routinier" wird der Erfahrung des Schotten nur ungenügend gerecht. Der Mittelfeldspieler hat 765 Profispiele auf dem Buckel und wird am Samstag 38 Jahre alt. 37 Jahre musste er auf sein erstes Spiel in der englischen Premier League warten, doch nach dem Aufstieg hat er diese Saison noch keine Partie verpasst.
Alexander, der in der Nationalmannschaft meistens Innenverteidiger spielte, ist das klassische Kampfschwein, kann aber auch vernünftig mit dem Ball umgehen. Ohne seine Souveränität und Führungsqualitäten wäre Burnley nie aufgestiegen, ohne ihn würden sie mit Sicherheit wieder absteigen.
Ein von Grund auf ehrlicher Kicker für alle Jahreszeiten, dem für die ganz große Bühne das Talent nicht reichte, der aber zum Abschluss zur Belohnung für sein Lebenswerk noch einmal ein paar Weltstars umgrätschen darf.
Sebastian Bassong (Tottenham)
Seit Sol Campbell sich 2001 zu den verhassten Lokalrivalen vom FC Arsenal verabschiedete, war die Spurs-Abwehr im Grunde ein Witz, der keine Pointe mehr brauchte. Doch das scheint sich zu ändern, dank Bassong: der 23-Jährige spielt diese Saison phänomenal stark.
Gemerkt haben das noch nicht viele, weil sich alles wie immer auf die Stürmer und Mittelfeldspieler konzentriert, aber der Franzose, der für Kamerun aufläuft, ist neben Arsenals Thomas Vermaelen bisher die Defensiv-Entdeckung der Saison und dieser Form nicht zu ersetzen.
Eine erstaunliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass Bassong in der vergangenen Saison noch beim unfreiwillig komischen Absteiger Newcastle United in der sogenannten Abwehr dillettierte.
Alle Informationen zur Premier League
Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 34-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.