Er holte neun Meistertitel in den letzten elf Jahren. Er zählt zu den besten Stürmern der Welt und schießt spektakuläre Tore am Fließband. Mit dem Verb "zlatanieren" steht er mitterweile im schwedischen Duden. Als Fußballer ist Zlatan Ibrahimovic ein Genie, als Mensch wird er oftmals kritisch gesehen. SPOX traf Ibra in Paris und sprach mit ihm über sein Image, das "Projekt" PSG und die Bayern unter Guardiola.
SPOX: Ibra, Sie sind seit knapp einem halben Jahr in Paris. Wie gefällt es Ihnen hier?
Zlatan Ibrahimovic: Ich muss mich noch anpassen, wieder eine neue Sprache lernen. Sportlich ist es auch wieder eine neue Herausforderung. Aber Paris ist eine unglaubliche Stadt. Ich fühle mich sehr wohl.
SPOX: Wie groß ist die sportliche Herausforderung? Wo steht der französische Ligafußball im Vergleich zu den großen europäischen Ligen?
Ibrahimovic: Wir haben hier natürlich nicht das Niveau anderer Ligen wie in der Serie A oder der Primera Division. Aber in Frankreich wächst etwas und dafür tut Paris Saint-Germain viel. Durch unser Projekt werden mehr Leute auf die Ligue 1 aufmerksam und interessieren sich für französischen Ligafußball. Wir, Lyon und Marseille haben ein gutes Niveau und wir dürfen uns nicht viele Fehler erlauben, wenn wir die Meisterschaft holen wollen. Aber den Druck haben nicht Lyon oder Marseille, sondern wir. Wir müssen das Niveau steigern, die Welt schaut auf uns.
SPOX: Wie ist das "Projekt" PSG, wie Sie es nennen, angelaufen?
Ibrahimovic: Das ist alles sehr aufregend, vor allem für die Spieler, die schon länger in Paris spielen. Der Verein hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert. Ich bin von dem Projekt überzeugt, sonst wäre ich nicht gekommen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass es in den nächsten Jahren funktionieren wird. Ich hoffe, dass wir mit PSG Geschichte schreiben können in den nächsten Jahren und sich die Leute später daran erinnern, was wir mit diesem Klub, mit dieser Mannschaft geschafft haben.
SPOX: Wie definieren Sie die "Geschichte", die PSG schreiben soll?
Ibrahimovic: Geschichte schreibt man, indem man Titel holt. Wir sind Tabellenführer in der Liga, im Pokal noch dabei und in der Champions League im Achtelfinale. Dort treffen wir auf Valencia, was schwierig wird. Aber jede der 16 Mannschaften, die noch im Wettbewerb ist, kann die Champions League gewinnen. Also auch wir, obwohl wir in der Hinrunde auch ein paar Ausschläge nach unten hatten.
SPOX: Warum ist die Mannschaft trotz der vielen Stars im Kader noch nicht so stabil?
Ibrahimovic: Es kann ja nicht alles perfekt sein innerhalb von zwölf Monaten. Wir als Mannschaft können nicht nach einem Jahr perfekt funktionieren. Und es gibt ja nicht nur uns Spieler. Jeder, der für PSG arbeitet, soll Teil des Erfolgs werden. Da geht es um jede Menge Details, die zusammengebracht werden müssen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir open-minded, global denken. Das ganze Projekt erfordert Geduld. Und man muss mit dem Druck umgehen können, der zweifelsohne auf dem Verein lastet.
nikeSPOX: Haben Sie denn so viel Geduld?
Ibrahimovic: Ich will schnellstmöglich Ergebnisse sehen. Man kann nicht zu mir kommen und sagen: 'Das dauert hier ein paar Jahre, bis wir erfolgreich sind.' Ich bin jetzt hungrig, ich lebe im Hier und Jetzt und bin auf dem höchsten Niveau meiner Karriere. Es gab nie einen besseren Zlatan als in den letzten sechs Monaten. Ich lebe und spiele Fußball für den Moment. Und so wahnsinnig viele Jahre als Fußballer habe ich nicht mehr vor mir.
SPOX: Wie bei Ihren letzten Stationen in Barcelona und Mailand bestimmen Sie auch in Paris die Schlagzeilen. Sie sind ein Gesellschaftsphänomen, es wurde sogar ein Verb nach Ihnen benannt und in den schwedischen Duden aufgenommen ("zlatanieren" - stark dominieren, d. Red.). Wie gehen Sie damit um?
Ibrahimovic: Das ist für mich keine neue Situation. Das mit dem Verb ist neu, aber der Rest ist das gleiche. Ich spiele seit 19 Jahren auf einem sehr hohen Niveau Fußball. Und egal, wo ich gespielt habe, ich habe mich immer gleich verhalten.
Teil II: Ibrahimovic über Bayern mit Guardiola und sein Vorbild Muhammad Ali
SPOX: An Ihrer Seite war stets Ihr Berater Mino Raiola. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Ibrahimovic: Ich habe ihn kennengelernt, da war ich noch Spieler bei Ajax. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Wir haben schon eine ziemlich lange Strecke miteinander verbracht - mit vielen Auf und Abs, aber das ist normal. Er ist ein großartiger Kerl.
SPOX: Sie haben schon viel erlebt, mehr als andere in ihrem ganzen Leben. Sie sind 31 Jahre alt, aber wie alt fühlen Sie sich?
Ibrahimovic: Es ist jetzt über zehn Jahre her, seit ich Schweden verlassen habe. Ich habe viel Erfahrung gesammelt. Die Zeit ist sehr schnell vergangen und ich habe in diesen Jahren viel erlebt und viel gesehen, aber ich fühle mich noch nicht so alt. Ich bin sehr gut damit zurechtgekommen, für verschiedene Klubs zu spielen und mich immer wieder der Herausforderung zu stellen. Ich bin immer noch hungrig, Ziele zu erreichen.
SPOX: Wie sehen diese Ziele aus? Sie wurden in den letzten zehn Jahren fast jedes Jahr Meister mit Ihren Klubs.
Ibrahimovic: Ich will Champions-League-Sieger werden. Wir haben mit PSG die Möglichkeit dazu.
SPOX: Die Konkurrenz ist allerdings stark, auch aus Deutschland.
Ibrahimovic: Das stimmt, Bayern München ist ein fantastischer Klub. Er gehört zu den fünf besten Klubs der Welt. Ich habe im alten Olympiastadion gespielt und in der neuen Arena mit Schweden bei der WM 2006. Es war großartig, die deutschen Fans sind begeisterungsfähig und die Stadien sind immer voll.
SPOX: Das klingt euphorisch. Sind Sie Deutschland- bzw. Bayern-Fan?
Ibrahimovic: Die Denkweise der Deutschen ist speziell, eher nüchtern und berechenbar. Deshalb sind sie so gut organisiert und Bayern München ist in dieser Hinsicht vorbildlich. Die Deutschen arbeiten hart, das ist ihre Mentalität. Das gefällt mir sehr gut. Sie haben eine sehr gute Mannschaft und bekommen mit Pep Guardiola jetzt auch noch einen fantastischen Trainer.
SPOX: Sie haben ein Jahr unter Guardiola gespielt. Glauben Sie, dass er bei Bayern funktionieren wird?
Ibrahimovic: Jeder braucht Zeit, um seine Philosophie einzubringen. Guardiola hat alle Möglichkeiten, mit Bayern München erfolgreich zu sein. Er hat dort die gleichen Voraussetzungen wie in Barcelona und kann dort so arbeiten wie bei Barca. Dass die Bayern ihn bekommen haben, beweist die Macht des deutschen Fußballs.
SPOX: Sie haben in Holland, Italien und Spanien gespielt. Was ist mit der Bundesliga?
Ibrahimovic: Ich weiß nicht, was in der Zukunft passieren wird. Niemand weiß das. Aber warum nicht? Wer hätte gedacht, dass ich jemals in Frankreich spielen werde? Bayern ist ein großartiger Klub mit einer großen Geschichte und einer super Mannschaft.
SPOX: Sie nennen Muhammad Ali Ihr Vorbild. Was haben Sie von ihm gelernt?
Ibrahimovic: Als Ali geboxt hat, war ich noch nicht in einem Alter, um zu verstehen, was er erreicht hat und mit welchen Mitteln. Aber mein Vater hat mir viel von ihm erzählt und ich habe später viel über ihn gelesen. Er hatte einen ganz speziellen Charakter. Wenn er geredet hat, hat er sich inszeniert; dann hat er etwas veranschaulicht. Er hatte Persönlichkeit, er hatte Selbstbewusstsein und er hatte die richtige Einstellung. Das alles braucht man auch im Fußball. Und darüber hinaus muss man etwas draufhaben als Spieler. Persönlichkeit und Selbstvertrauen reichen nicht, wenn man kein guter Spieler ist.
SPOX: Ali war als Boxer Einzelsportler, Sie sind Mannschaftssportler. Sind Sie manchmal Boxer innerhalb des Teams?
Ibrahimovic: Manchmal wünsche ich mir, Einzelsportler zu sein. Aber ich übe einen Mannschaftssport aus und da zählt in erster Linie das Kollektiv. Als Individuum kann man im Fußball etwas erreichen, aber mit dem Kollektiv deutlich mehr. Das Kollektiv wird im Fußball immer erfolgreicher sein als der Einzelne.
SPOX: Ali sagte den berühmten Satz: "I'm the Greatest." Trifft das auch auf Sie zu?
Ibrahimovic: Um Gottes Willen, Ali war eine Legende.
SPOX: Wollen Sie das nicht auch werden?
Ibrahimovic: Ich will nur gut Fußballspielen. Ich überlasse es den Leuten, ob sie mich für eine Legende oder sonstwas halten. Wie sie mich beruteilen, ist ihre Sache. Ich hoffe, etwas Gutes für den Fußball zu tun. Darüber sollten die Leute reden, wenn ich meine Karriere beende.