Für die "Gazzetta dello Sport" ist das Team von Trainer Delio Rossi das "Arsenal Italiens". Warum? Nach Udinese sind die Rosanero mit einem Altersschnitt von 26 Jahren und vier Monaten das zweitjüngste Team der Liga, dazu begeistern sie mit einem spektakulären Offensivfußball, der die Großen Italiens mehr als nur geärgert hat: Gegen Inter, die Roma, Milan und Juve verloren die Sizilianer nur zwei der acht Saisonpartien.
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Die Europa League ist bereits eingetütet, der Traum heißt aber Champions League. Bei zwei Punkten Rückstand auf Sampdoria Genua und dem direkten Duell am Sonntag zuhause vor der Brust, haben es Fabrizio Miccoli und Co. selbst in der Hand, aus einer tollen Saison eine außergewöhnliche zu machen.
"Unsere Jungs sind unverkäuflich"
Klar, dass immer mehr Topklubs die Palermo-Spieler auf ihrem Radar haben. Klub-Boss Maurizio Zamparini, der vor lauter Anspannung während der Heimspiele mit dem Taxi durch die leergefegten Straßen Palermos gondelt und erst kurz vor Schlusspfiff ins Stadion kommt, gibt sich kämpferisch: "Wir werden alles tun, um unsere Juwelen zu halten."
Sportdirektor Walter Sabatini ist noch kategorischer: "Unsere begehrten Jungs sind alle unverkäuflich. Javier Pastore zum Beispiel wird noch mindestens zwei Spielzeiten bei uns bleiben."
Wer sind diese Juwelen? Welche Akteure lassen ganz Palermo von der Champions League träumen? Die Schlüsselspieler der Sizilianer:
Salvatore Sirigu:
Sirigu ist der Aufsteiger der Saison. Zu Beginn der Spielzeit noch die Nummer zwei hinter Rubino, hütet der 23-Jährige seit Ende September das Tor der Rosanero und spielte sich in dieser Zeit sogar in den erweiterten WM-Kader von Marcello Lippi. Anfangs der Woche war er beim zweitägigen Lehrgang der Azzurri dabei, er kämpft mit Napoli-Torhüter Morgan De Sanctis um den Platz als dritter Mann für Südafrika.
"Ich bin sprachlos und lebe einen Traum", sagt der gebürtige Sarde, der vor zwei Jahren noch in der dritten Liga auf der Bank saß, zu seinem kometenhaften Aufstieg. Aus welchem Holz er geschnitzt ist, zeigte er bereits bei seinem Europacup-Debüt für Palermo im Jahr 2006. Er debütierte im UEFA-Cup im Hexenkessel bei Fenerbahce Istanbul und bewahrte sein Team trotz der 0:3-Pleite mit spektakulären Paraden vor einer höheren Niederlage.
Den großen Durchbruch schaffte er in der laufenden Saison unter Torhüterlegende Walter Zenga, der das Team bis Januar coachte. Kurios: Palermos Ex-Torwart Jimmy Fontana gab ihm schon vor drei Jahren den Spitznamen "Walterino" - in Anlehnung an Zenga. Mittlerweile ist aus dem Talent ein gestandener Torwart geworden - trotz seines jungen Alters.
Simon Kjaer:
Palermos Abwehr verfügt mit Nationalspieler Matteo Cassani und Ex-Juve-Spieler Federico Balzaretti über zwei hervorragende Außenverteidiger, der unumstrittene Star der Verteidigung ist aber Simon Kjaer. Der Däne kam im Winter 2008 als potenzieller Nachfolger von Andrea Barzagli aus Midtjylland nach Sizilien. Im Sommer ging Barzagli dann nach Wolfsburg - und Kjaers Aufstieg begann.
Der 21-Jährige entwickelte sich in der laufenden Spielzeit zu einem der besten Innenverteidiger der Serie A und wird von halb Europa gejagt. "Kjaer ist ein sehr guter Spieler, der eine rosige Zukunft vor sich hat", sagte Alessio Secco - Sportdirektor von Juventus Turin - einem der vielen Topklubs, die hinter dem Dänen her sind, erst kürzlich. Billig ist er nicht, denn Palermo hat vorgesorgt: Kjaer hat eine festgeschriebene Ablösesumme von 12 Millionen Euro im Vertrag stehen.
Der blonde 1,89-Hühne verfügt über ein gutes Stellungsspiel, ist körperlich sehr robust und äußerst kopfballstark. Rino Foschi, Ex-Sportdirektor der Sizilianer, der unter anderen Luca Toni, Fabio Grosso und Andrea Barzagli zu Palermo gelotst hatte, sagt: "Kjaers Transfer ist bis heute eine der gelungensten Operationen des Vereins. Sein Transfer macht mich heute noch stolz."
Javier Pastore:
Ein Hauptgrund für Palermos spektakuläres Offensivspiel ist Javier Pastore. Zusammen mit Fabio Liverani, einem erfahrenen Spielmacher vor der Abwehr, lenkt und leitet der Argentinier das Spiel der Rosanero. Der 20-Jährige kam im Sommer von Atletico Huracan mit dem Etikett "der Kaka Argentiniens" nach Palermo und zeigte in den letzten Monaten nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten sein ganzes Potenzial.
Mittlerweile hat er dem routinierten Fabio Simplicio die Rolle des Kreativgeists des Teams abgeluchst. Pastore ist ein klassischer Zehner, der die Tiefe des Raums sehr gut nutzt, über eine außergewöhnliche Technik verfügt und mit einem tollen Auge ausgestattet ist. Roma-Coach Claudio Ranieri bezeichnte ihn als "wahres Juwel", Zamparini geht sogar noch weiter: "Pastore muss noch viel lernen, aber in zwei bis drei Jahren wird er von den ganz großen Klubs gejagt werden und 50 Millionen Euro wert sein. Ich wünsche ihm, dass er eines Tages bei Real oder Barca spielt."
Pastore kann sich so wie Sirigu noch Hoffnungen auf die WM machen, beim Länderspiel gegen Deutschland im Februar stand er im Kader von Diego Armando Maradona. "Gott hat ihm großes Talent gegeben, die hohe Erwartungshaltung von außen wiegt aber noch schwer auf seinen Schultern. Zum Glück ist er intelligent und sehr lernbegierig. Wenn er mir folgt, kann er Großes erreichen. Er hat bereits Fortschritte gemacht, aber von ihm erwarte ich mir viel mehr", sagt Trainer Delio Rossi über seinen Wunderknaben.
Fabrizio Miccoli:
Fabrizio Miccoli Superstar! Der Kapitän spielt die Saison seines Lebens, 18 Mal hat er in der Liga bereits getroffen. Vergangenes Wochenende erzielte er sein 40. Serie-A-Tor für Palermo und zog damit mit Klublegende Dante Di Maso gleich. Der nach seiner Heimatregion "Romario del salento" genannte Che-Guevara-Fan, der bereits für Juve und Benfica auf Torejagd ging, ist der Anführer der jungen Wilden.
"Fabrizio ist enorm gereift. Durch das Kapitänsamt ist er sich seiner Verantwortung dem Team gegenüber noch bewusster geworden", lobt Zamparini seinen Torjäger, der aufgrund seiner Größe (1,68 m) und Schuhgröße (38) auch den Spitznamen "Bomber tascabile" - Taschenbomber - hat. Auch abseits des Rasens steht der 30-Jährige im Fokus. Als ausgewiesener Maradona-Fan ("Ich habe meinen Sohn zu seinen Ehren Diego genannt") ersteigerte er über eine Mittelsfrau für 25.000 Euro einen zwangsversteigerten Ohrring der Legende. "Ich habe ihn ersteigert, um ihn Diego zurückzugeben. Er weiß, dass ich den Ring habe, bald werden wir uns treffen", erzählte Miccoli, der ein Riesen-Wrestlingfan ist.
Zum ganz großen Glück fehlt einzig ein Anruf von Marcello Lippi - verdient hätte er ihn. Italiens Nationalcoach scheint aber keinen Bedarf für den Mini-Bomber zu haben, was auch Miccoli nicht unverborgen geblieben ist: "Ich denke nicht an die Nationalef, denn ich fühle, dass ich nicht dabei sein werde. Das heißt, dass ich im Sommer mit meiner Familie zuhause sein werde. Die Familie ist mir eh viel wichtiger als die Nationalelf."
Neben Miccoli glänzen Edinson Cavani (11 Tore) und Abel Hernandez (7) - beide aus Uruguay. Zusammen hat das Trio 36 der 51 Palermo-Tore erzielt.
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