Ismael Bennacer vor Mailand-Derby im Fokus: Der beste Sechser unter dem Radar?

Von Justin Kraft
Ismael Bennacer ist vielleicht der beste Sechser der Welt – zumindest unter den weniger bekannten Spielern.
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Vor dem Mailand-Derby im Halbfinale der Coppa Italia zwischen Inter und Milan stehen viele Geschichten und Spieler im Fokus. Ismael Bennacer zählt auf seiner Position vielleicht jetzt schon zu den besten Spielern der Welt. Der Profi des AC Mailand bringt Qualitäten mit, die viele Top-Klubs aktuell vermissen, findet aber dennoch kaum Beachtung.

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Ismael Bennacer ist vermutlich der kompletteste und beste Sechser der Welt - unter den Spielern, deren Namen in Deutschland noch gar nicht so bekannt sind, oder die zumindest kaum Beachtung finden. Dabei gibt es in etwa ein Dutzend an Gründen, warum man dem algerischen Nationalspieler Woche für Woche zusehen sollte.

Die nächste Gelegenheit bietet sich am Dienstagabend. Dann steigt das Mailand-Derby zwischen Inter und Milan im Halbfinal-Rückspiel der Coppa Italia (Hinspiel: 0:0). Bennacer wird abermals im Fokus stehen - oder auch nicht. Denn es ist ein Stück weit auch der Fluch seiner Rolle, die er im Mittelfeld der Rossoneri einnimmt.

Im Fokus stehen andere. Beispielsweise Theo Hernandez (24) als spektakulär auftretender Linksverteidiger. Oder Rafael Leao (22), der eine Position weiter vorne mit Spielwitz und Tempo die Fans zu begeistern weiß. Oder eben die Altstars Olivier Giroud (35) und Zlatan Ibrahimovic (40), die beide zusammen immerhin schon 19 Treffer erzielt haben.

Ismael Bennacer: Einer wie Xabi Alonso oder Sergio Busquets?

Wer oder was im Fokus steht, ist aber durchaus Definitionssache. Geht es darum, wer den Spielverlauf für Milan am meisten beeinflussen kann, dann führen eben nur wenige Wege an Bennacer vorbei. Der 24-Jährige wechselte 2019 in die italienische Modestadt. Seitdem ist er dort, solange er fit ist, auch Stammspieler.

Der gebürtige Franzose, der sich für die algerische Nationalmannschaft entschied, ist vielleicht einer der letzten tiefen Spielmacher im klassischen Sinne. Jeder Fußball-Fan kann etwas mit Namen wie Xabi Alonso oder Sergio Busquets anfangen.

Waren die Taktgeber und Spielmacher früher die Zehner, so entwickelte sich der Fußball immer mehr dahin, dass die Sechser die Zügel in die Hand nahmen - oder in diesem Fall an den Fuß. Diese Entwicklung lässt sich an Andrea Pirlo gut festmachen, der einst für Milan auf der Zehn begann und mit zunehmendem Alter weiter nach hinten rückte.

Im modernen Fußball sind diese tiefen Spielmacher seltener geworden. Auf der Sechs haben sich wieder mehr Abräumer und vor allem offensiv ausgerichtete Spieler etabliert. Joshua Kimmich ist zum Beispiel jemand, der viel Dynamik im Spiel nach vorn entwickeln kann und seine Position dafür oft verlässt. Ngolo Kante ist bekannt für seine robusten Zweikämpfe und klugen Pässe. Bennacer aber bringt Qualitäten aus der alten Schule mit, ohne dabei aus der Zeit zu fallen. Er verbindet beides miteinander.

Ngolo Kante und Joshua Kimmich repräsentieren zwei unterschiedliche, aber sehr moderne Spielertypen im Mittelfeld.
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Ngolo Kante und Joshua Kimmich repräsentieren zwei unterschiedliche, aber sehr moderne Spielertypen im Mittelfeld.

Kimmich? Bennacer muss sich vor niemandem verstecken

Er ist deshalb ein unglaublich spannender Fußballer. Im Mittelfeld reißt der Linksfuß das Spiel zuverlässig an sich. Den großen Mittelfeldspielern sagt man nach, dass sie mit einer derartigen Ruhe agieren, als würde sich um sie herum alles in Zeitlupe bewegen. In einem Bruchteil von Sekunden treffen sie zuverlässig die richtige Entscheidung.

Bennacer hat für eine solche Bewertung lange die Konstanz gefehlt - und auch die große Bühne, auf der er seine Qualität regelmäßig auf hohem Niveau beweisen kann. Zumindest das Konstanzproblem scheint er in den Griff bekommen zu haben. An der großen Bühne arbeitet er gemeinsam mit Milan, das in der Liga aktuell mit zwei Punkten, aber auch einem Spiel mehr vor Stadtrivale Inter auf dem ersten Platz liegt.

In der Regel hat Bennacer die meisten Ballkontakte seines Teams. Er spielt rund 67 Pässe pro 90 Minuten und bringt im Schnitt 88 Prozent davon zum Mitspieler. Ein Wert, der ohne den Kontext des Risikos, mit dem der Nationalspieler spielt, fast schon bedeutungslos wirkt.

Allerdings zeigt ein statistischer Vergleich mit Kimmich, was diese Quote wirklich Wert ist. Der Deutsche spielt insgesamt fast 30 Pässe mehr pro 90 Minuten (93,6). Spannend ist, dass er aber durchschnittlich nur zwei Pässe mehr spielt, die einen Raumgewinn von ungefähr zehn Metern erzeugen. Bei beiden ist in etwa jedes zehnte Zuspiel ein solches. Kimmichs Passquote liegt in dieser Saison bei nur 84,5 %.

SpielerPässe/90 Min.PassquoteVertikalpässeDribblings (erfolgreich)
Ismael Bennacer (AC Mailand)67,087,17,32,5 (87,5 %)
Joshua Kimmich (FC Bayern)93,684,59,51,4 (60,6 %)
Thiago (FC Liverpool)81,388,49,61,1 (64,3 %)

Bennacer: Statistiken auf Top-Level

Ligaübergreifende Vergleiche sind immer schwierig. Sie beweisen nicht, dass ein Spieler besser ist als der andere. Aber der Kontext zeigt, wie zuverlässig und dennoch raumgewinnend Bennacer agiert. Dafür nutzt er gerne auch kurze Dribblings.

2,55-mal geht der Milan-Star pro 90 Minuten ins Dribbling - mit einer Erfolgsquote von 87,5 Prozent. Kimmich (1,4-mal, 60,6 Prozent) und selbst Liverpools Thiago (1,06-mal, 64,3 Prozent) sind weit von solchen Werten entfernt. Ohnehin gibt es keinen Sechser auf diesem Niveau, der ihm hier das Wasser reichen kann.

Bennacer ist schnell, klug, technisch hochbegabt und in der Lage, das Tempo zu bestimmen. Vor allem aber verlässt er seine Position nicht undiszipliniert und bleibt dementsprechend immer eine gute Defensivabsicherung für sein Team. Sein bissiges Zweikampfverhalten und die seine Fähigkeit, gegnerische Angriffe zu lesen und zu antizipieren, machen ihn zu einem kompletten Sechser.

Er ist damit das Gesicht des neuen Milans. Seit der Klubübernahme durch Elliott Management im Jahr 2018 hat der Klub einen neuen Weg eingeschlagen. Unter der Leitung von Silvio Berlusconi, dessen Ära 2017 endete, baute der einstige Spitzenklub einen riesigen Schuldenberg auf, drohte sogar in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Milan arbeitet sich zurück an die Spitze

Seitdem die US-Investorengruppe das Sagen hat, wurde zwar nicht zwingend weniger Geld ausgegeben, aber deutlich intelligenter investiert. Junge Spieler wie Hernandez (2019 für 21,5 Millionen Euro von Real Madrid), Leao (2019 für 29,5 Millionen Euro von Lille) oder eben Bennacer wurden geholt - und würden heute ihre Ablösesumme bei einem Verkauf wohl übertreffen. Aktuell soll es Verhandlungen über einen weiteren Verkauf an eine private Finanzfirma in Bahrain geben.

Ob das die sportlichen Erfolge beeinflussen würde, bleibt abzuwarten. Fakt ist, dass Sportdirektor und Milan-Legende Paolo Maldini einen großen Anteil am Erfolg der letzten Jahre hat. Bennacer kam 2019 aus Empoli und kostete die Rossoneri rund 17 Millionen Euro.

In dieser Saison könnte sich der neue Milan-Weg erstmals auch in Form von Titeln bezahlt machen. In der Liga sind sie aktuell noch vorne. Inter hat allerdings ein Nachholspiel beim FC Bologna in der Hinterhand (27.4.). Gewinnen sie am kommenden Wochenende gegen die AS Rom und dann auch in Bologna, stehen sie an der Spitze der Serie A.

Doch das ist nicht der einzige Titel, um den Milan in dieser Saison noch kämpft. Denn am Dienstagabend können sie in das Finale der Coppa Italia einziehen - abermals mit Inter als großem Stolperstein.

AC Mailand kurz vor Verlängerung mit Bennacer?

In dieser Saison hat Milan gegen seinen großen Stadtrivalen noch nicht verloren. Bisher gab es zwei Unentschieden (1:1 und 0:0) sowie einen 2:1-Sieg der Rossoneri. Für den AC Mailand könnte es eine richtungsweisende Saison werden. Seit dem Supercup-Sieg 2016 ist man ohne Titel, Meister wurde man zuletzt 2011.

Aber auch Bennacer wird im Dezember 25 Jahre alt. Für ihn wird es so langsam Zeit, Titel zu gewinnen und aus dem Schatten herauszukommen, der ihn bisher so sehr unter dem Radar fliegen lässt. Bei Milan läuft sein Vertrag 2024 aus.

Zunächst wird er seinen Weg aber wohl dort weiter gehen. Schon seit Anfang des Jahres wird in Italien berichtet, dass er sein Arbeitspapier bis 2026 verlängern wird. Es ist bemerkenswert, dass die europäischen Topklubs bisher nicht Schlange standen bei einem Spieler, dessen Profil es in dieser Form nicht mehr oft gibt - und das viele Klubs dementsprechend auch vermissen.

Offenbar gibt es sie in der modernen Welt aber doch noch: Die Spieler, die vor den Augen aller Großartiges vollbringen und doch kaum Aufmerksamkeit bekommen. Ganz zur Freude des AC Mailand.

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