Kein Profiklub der Welt hält sich eine größere Leihspieler-Armee als Atalanta Bergamo. Es handelt sich um ein Geschäftsmodell, das auch die neuen FIFA-Regularien kaum stoppen wird.
Am 1. Juli vergrößerte sich der Kader von Atalanta Bergamo auf einen Schlag um 58 Spieler: Sie alle kehrten von Leihen zurück und kamen eher nicht, um zu bleiben. Sie kamen, um schnellstmöglich weitergereicht zu werden. Viele europäische Klubs halten sich Leihspieler-Armeen - in Sachen Mannstärke ist Atalantas schon seit Jahren die mächtigste.
Die berühmtesten Rückkehrer dieses Sommers waren wohl Stürmer Sam Lammers, der bei Eintracht Frankfurt enttäuschte. Und Keeper Pierluigi Gollini, dem es bei Tottenham Hotspur nicht besser erging. Lammers hat in der Zwischenzeit noch keinen neuen Klub gefunden, Gollini bei der AC Florenz unterschrieben.
Von NEC Nijmegen machte ein Deutsch-Brasilianer namens Rodrigo Guth eine Stippvisite in Bergamo und wurde direkt an Fortuna Sittard weitergereicht. Ein Ivorer mit dem lustigen Namen Emmanuel Latte Lath kam von SPAL Ferrara und verschwand dann zum FC St. Gallen. Mit 23 Jahren ist es bereits die achte Leihe des Stürmers.
Atalantas Leihspieler-Armee ist ein Geschäftsmodell. Dank eines guten Scoutings und einer herausragenden Akademie sammelt der Serie-A-Klub haufenweise talentierte Spieler, die so lange verliehen werden, bis sie die Profimannschaft verstärken oder eine Ablösesumme abwerfen. Die vier teuersten Abgänge der Klubgeschichte stammen alle aus der eigenen Jugend und waren alle zunächst verliehen, ehe sie verkauft wurden: Dejan Kulusevski (heute Tottenham), Franck Kessie (FC Barceleona), Alessandro Bastoni (Inter Mailand) und Andrea Conti (Sampdoria Genua).
Atalanta Bergamo: Zahlen zur Leihspieler-Armee
In diesem Sommer gelang Atalanta, das in der vergangenen Saison als Tabellenachter die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb verpasste, bisher noch kein großes Geschäft: Insgesamt sieben Leih-Rückkehrer wurden verkauft, nur bei den Eigengewächsen Filippo Melegoni und Enrico Del Prato sprangen Gewinne in niedrigen Millionenhöhen heraus. Die in jungen Jahren von extern verpflichteten Matteo Lovato und Arkadiusz Reca verkamen sogar zu Verlustgeschäften.
Seit Beginn dieser Transferperiode hat Atalanta 26 Spieler verliehen, nur an neun der bisherigen 24 Juli-Tage hat der Klub keinen Leih-Wechsel abgeschlossen. Dazu kommen sechs bereits bestehende Leihen. Innenverteidiger Cristian Romero wurde beispielsweise vergangenen Sommer für zwei Jahre abgegeben. Ein gewisser Tommaso Cavalli spielt bereits seit drei Jahren per Leihe beim Drittligisten US Fiorenzuola.
Mit einer Mannstärke von 32 hat Atalanta aktuell die größte Leihspieler-Armee aller Profiklubs weltweit. Und sie dürfte in den kommenden Tagen weiter anwachsen, denn aktuell umfasst der Profikader noch 40 Spieler.
Zweiter in der Leihspieler-Weltrangliste ist derzeit Inter Mailand mit 20. Vorne dabei sind ansonsten noch einige russische und ukrainische Klubs, deren Spieler wegen des Krieges unter vereinfachten FIFA-Konditionen wechseln dürfen. Der in dieser Hinsicht lange äußerst engagierte FC Chelsea hat aktuell nur drei Spieler verliehen. Deutscher Spitzenreiter ist übrigens RB Leipzig mit acht.
Die neuen Leihspieler-Regeln der FIFA
Der Weltverband FIFA setzt sich unterdessen für ein Leihspieler-Abrüsten ein. Seit dem 1. Juli darf ein Klub nur noch acht Leihgeschäfte pro Saison abschließen, ab 2023 sieben und ab 2024 sechs. Spieler bis zum Alter von 21 Jahren sowie vom verleihenden Klub selbst ausgebildete Spieler sind von den Beschränkungen aber ausgenommen. Bei Atalanta trifft diese Ausnahme auf die meisten potenziellen Kandidaten zu.
Eine weitere neue FIFA-Regel besagt, dass Klubs höchstens drei Profis gleichzeitig an einen bestimmten Verein verleihen dürfen. Für Atalanta dürfte auch das kein Problem sein: Mehr als vier Spieler verlieh Atalanta in der vergangenen Saison an keinen anderen Klub - so viele waren es bei US Cremonese, das übrigens auch dank dieser Unterstützung in die Serie A aufstieg.
Viel eher trifft diese Regelung Klubs mit Kooperationspartnern oder internationale Konstrukte wie die City Football Group mit seinem weltweiten Imperium um Flaggschiff Manchester City. Auch bei den Gedankenspielen des FC Bayern München über einen möglichen Kooperationsklub ist diese Regelung Thema. Gute Beziehungen pflegt der FC Bayern beispielsweise zum österreichischen Bundesligisten Austria Klagenfurt, an den aktuell das chinesische Torwart-Talent Shaoziyang Liu verliehen ist.