Vom Popstar zum mächtigen Fußball-Boss: Als neuer Chef von Saragossa ist Gerhard Poschner plötzlich ein Big Player im Geschäft - und der erste Deutsche, der eine solch wichtige Position im Ausland innehat. Poschi über Kontakt zu Real Madrid, Jermaine Pennant, die Vergangenheit als Spielerberater und Stefan Raabs Eisfußball.
SPOX: Sie standen bis zum Schließen des Transferfensters Ende August in engen Verhandlungen mit Real Madrid, um Alvaro Negredo, Ezequiel Garay oder Miguel Torres zu verpflichten. Wie ist es, mit Florentino Perez an einem Tisch zu sitzen?
Gerhard Poschner: Es ist nicht so aufregend, wie es klingt. Florentino Perez führt ja auch nicht die Verhandlungen, dafür hat er seine Leute. Ab und zu kam er vorbei, um Smalltalk zu führen. Mein wichtigster Ansprechpartner war Reals Generalsekretär Jose Angel Sanchez.
SPOX: Saragossa war eines der aktivsten Teams im Transferendspurt. Wie stressig kann man sich die letzten Tage und Stunden vor dem Schließen des Wechselfensters vorstellen?
Poschner: Das Handy hat am Ende fast schon am Ohr geklebt und es war schon stressig - dennoch hielt sich die Belastung einigermaßen in Grenzen. Ich lebe noch. Von den Medien wird die Hektik potenziert, in Wahrheit geht es aber gemächlicher zu. Es gab einige Gespräche mit anderen Vereinen, aber man sieht relativ schnell, ob es sich rentiert, die Verhandlungen zu vertiefen oder sich komplett aus dem Geschäft zu ziehen.
ImagoSPOX: Sie befanden sich auch in einer komfortablen Situation, weil Ihnen als Aufsteiger früh gelungen ist, gute Spieler wie Jermaine Pennant, Ikechukwu Uche oder Juan Carrizo zu verpflichten. Wie haben Sie es angestellt?
Poschner: Überredungskunst (lacht). Das alleine reicht natürlich nicht, aber zum Glück zählen für viele Spieler auch andere Argumente als Geld. Es geht darum, jemandem eine Perspektive aufzuzeigen.
SPOX: Klingt abstrakt. Können Sie es am Beispiel von Jermaine Pennant illustrieren, der immerhin zu Englands größten Talenten gehört und dennoch nach Saragossa gekommen ist?
Poschner: In England steckte Jermaine Pennant nach seinen nicht unbedingt positiven Schlagzeilen in einer Schublade fest. Daher habe ich ihm gesagt: 'Pass auf, schließe das Kapitel England vorläufig ab. Du bist jung und musst raus aus der Knochenmühle. Komm in Saragossa wieder auf die Füße, finde die Freude am Sport und am Leben wieder, und dann schauen wir weiter. Wir bieten dir eine Plattform.' Der Schlüssel ist, die Probleme von jedem einzelnen zu kennen und auf sie einzugehen.
SPOX: Dennoch erstaunte der Coup mit Pennant. Wann haben Sie geglaubt, so einen Hochkaräter holen zu können?
Poschner: Ich habe mich natürlich informiert, wer ablösefrei auf dem Markt zu haben ist, und Pennant war einer der interessantesten Namen. Mein Glück war, dass ich mit Paco Herrera, dem ehemaligen Assistenten von Liverpools Trainer Rafa Benitez, sehr eng befreundet bin, seit Paco damals in Ejido mein Coach war. Und so konnte ich Kontakt zu Benitez aufnehmen und nachfragen, was er von dem Jungen hält. Der Transfer war vom Entstehungsprozess her nichts Außergewöhnliches.
SPOX: Half es Ihnen womöglich, dass Sie mit Ihrem Schützling Ewerthon einen Beweis dafür anführen konnten, wie Sie einer stockenden Karriere wieder Leben einhauchen können?
Poschner: Ich glaube nicht, dass es für Jermaine Pennant eine Rolle gespielt hat. Man darf meine Person auch nicht zu wichtig nehmen. Es liegt immer am Spieler selbst, ob man bereit ist, einen Neuanfang zu starten. So wie Ewerthon, der nach eher enttäuschenden Jahren letzte Saison nicht umsonst Torschützenkönig der zweiten Liga wurde. Am Ende ist immer der Spieler selbst verantwortlich für seine Entwicklung. Das Einzige, was ich und der Verein machen können, ist, einem Spieler Vertrauen zu schenken und das nötige Umfeld bereitzustellen.
SPOX: Bevor Sie von Real zum Generaldirektor berufen wurden, haben Sie sich als Spielerberater um Ewerthon und Marko Babic gekümmert. Pikanterweise spielen beide in Saragossa. In Hamburg könnte eine ähnliche Konstellation eintreten, wenn Trochowski-Agent Roman Grill tatsächlich zum Sportdirektor berufen wird - was die deutsche Öffentlichkeit und sogar einige HSV-Spieler kritisch beäugen. Verstehen Sie die Skepsis?
Poschner: Das ist eine typische deutsche Diskussion. Natürlich muss ganz klar geregelt sein, dass beide Funktionen nicht gleichzeitig ausgeführt werden dürfen. Ansonsten? Als ehemaliger Spielerberater habe ich viele Facetten von der anderen Seite des Fußball-Geschäfts kennengelernt, und dieses Wissen kommt mir jetzt als Generaldirektor sehr zugute. Ich kann auf sehr gute Marktkenntnisse und ein großes Netzwerk zurückgreifen, zudem sind mir die Verhandlungsmethoden der Agenten geläufig. Ich sehe nicht, warum meine berufliche Vergangenheit ein Nachteil sein soll.
SPOX: Weil womöglich ein Interessenkonflikt droht?
Poschner: Inwiefern?
SPOX: Ein Beispiel: Dass Sie ein gutes Verhältnis zu Ewerthon pflegen, ist bekannt. Wenn er mehrere Wochen schlecht spielt und dennoch seinen Stammplatz nicht verliert...
Poschner: ... aber ich bin nicht der Trainer. Ich verstehe, worauf sie hinauswollen, nichtsdestotrotz können Sie davon ausgehen, dass ich mir bewusst bin, unter großer Beobachtung zu stehen. Wer immer diesen Job ernsthaft ausüben möchte, muss doppelt vorsichtig sein, damit man sich nicht selbst ein Ei ist Nest legt. Ich weiß ja auch, dass die Kritiker zwei und zwei zusammenzählen können. Daher hätte ich auch nie Babic nach Saragossa geholt, wenn ich nicht hundertprozentig davon überzeugt wäre, dass er der Mannschaft weiterhilft. Ich weiß es besser als jeder andere, dass ich der Erste bin, der sich mit so einem Transfer angreifbar macht.
SPOX: Immerhin sind Sie die alles entscheidende Person des Klubs. Können Sie den Posten des Generaldirektors beschreiben?
Poschner: In Deutschland ist beispielsweise der Sportdirektor ausschließlich für die sportliche Abteilung zuständig. Als Generaldirektor hingegen zeichnet man für das gesamte Unternehmen verantwortlich. Ich bin der direkte Stellverteter des Klub-Eigentümers Agapito Iglesias, wobei dieser keiner ausführende Tätigkeit nachgeht, sondern einfach nur die Mehrheit der Aktien besitzt. Für den gesamten operativen Bereich, das Tagesgeschäft, bin ich zuständig.
SPOX: Ihre Karriere als ehemaliger Fußball-Profi und erfolgreicher Spielerberater deutet Ihre sportliche Kompetenz an. Aber was ist mit ihrem Finanz-Know-how?
Poschner: Ich sage mit aller Deutlichkeit: Ich traue mir nicht zu, Bilanzen zu erstellen. Aber darum geht es nicht. In jedem anderen Unternehmen ist es so, dass für jede Abteilung ein Spezialist den Hut aufhat, zum Beispiel als Finanzdirektor. Daher muss ich kein Studium absolviert haben. Meine Hauptaufgabe liegt darin, das gesamte System zu koordinieren und zu überwachen.
SPOX: Dennoch die Nachfrage: Wie gelang es Saragossa, trotz eines angeblichen Schuldenstands von rund 100 Millionen Euro einen Spieler wie Uche für 5,5 Millionen Euro zu kaufen?
Poschner: Die 100 Millionen Euro werde ich nicht kommentieren. Wenn Sie das sagen, wird es wohl so sein, aber ich möchte es weder bestätigen noch kommentieren. Wir sind sicherlich nicht auf Rosen gebettet, aber es gibt immer Möglichkeiten. Es geht um verschiedene Finanzierungsmodelle. Wenn wir fünf Millionen auf einmal hätten zahlen müssen, wäre es schwierig geworden. Aber mit Ratenzahlungen lässt sich einiges realisieren.
SPOX: Es heißt, Sie wurden als Generaldirektor ausgesucht, weil Sie sich exzellent auf dem europäischen Transfermarkt auskennen würden. Was zeichnet Sie im Vergleich zu anderen Ex-Profis aus?
Poschner: Die Frage kann eigentlich nur der Klub-Eigentümer beantworten, immerhin hat er die Entscheidung getroffen. Aber ich glaube nicht, dass Kontakte die alles entscheidende Rolle gespielt haben. Vielmehr geht es bei einer solchen Wahl um Vertrauen. Das ist das entscheidende Kriterium. In den letzten zwei Jahren als externer Berater von Saragossa hat der Besitzer miterlebt, wie ich arbeite und was ich für ein Mensch bin. Das hat ihm wohl gefallen.
SPOX: Was sind Sie denn für ein Mensch?
Poschner: In Spanien gelte ich als ziemlich deutsch - was mich überrascht, weil ich in Deutschland eigentlich als südländisch abgestempelt bin. Was wohl stimmt: Ich habe die deutsche Disziplin und den deutschen Ordnungssinn. Andererseits mag ich das typisch Südländische. Das Impulsive, die Improvisation, die Fantasie. In Spanien gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch verschiedene Grautöne. Ich bin die Mischung aus beiden Mentalitäten, und das ist bei meiner Arbeit von Vorteil.
SPOX: Als Fußballer haben Sie sich vom launischen Spielmacher zum zuverlässigen defensiven Mittelfeldspieler entwickelt. Ist das sinnbildlich?
Poschner: Ja. Mir wurde früh der Stempel des Sunny Boys aufgedrückt, und aus der Schublade kam ich nicht raus, da konnte ich dagegen strampeln, wie ich wollte. Irgendwann habe ich aufgegeben, und nicht mehr versucht, es zu widerlegen. Daher haben mir der Positionswechsel und der Umzug nach Spanien geholfen, zumindest im Ausland anders wahrgenommen zu werden.
SPOX: Haben Sie darüber mit Pennant gesprochen?
Poschner: Wir arbeiten zwar seit etwas mehr als vier Wochen zusammen und wir haben uns häufiger unterhalten, soweit sind unsere Gespräche jedoch noch nicht gediegen. Ein solch wichtiges Thema geht in die Tiefe und braucht Zeit.
SPOX: Aus Poschi wurde der seriöse Herr Poschner. Demnach nehmen Sie zukünftig keine CD auf wie 1997 mit Fredi Bobic und Marco Haber? Oder verzichten auf die Teilnahme beim Eisfußball-Event von Stefan Raab?
Poschner: Meine Popstar-Ambitionen sind seit langem ad acta gelegt. Wenn überhaupt, nur noch im privaten Umfeld (lacht). Aber für Aktionen wie dem Eisfußball bin ich immer zu haben. Man muss doch ein bisschen Spaß im Leben haben, das gehört dazu. Freude und Arbeit schließen sich ja Gott sei Dank nicht aus.
SPOX: Und bringen Sie nächstes Jahr Madrids Jorge Valdano oder Barcelonas Joan Laporta mit zum Eisfußball?
Poschner: Warum nicht? Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Es sind alles nettes Leute, mit denen ich in Spanien arbeite.
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