"Puyol ist wie ein Vater"

Oliver Wittenburg
16. Januar 201414:29
Gerard Pique kehrte 2008 von Manchester United zum FC Barcelona zurückgetty
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Erst über den Umweg Manchester United startete Gerard Pique beim FC Barcelona richtig durch. Seit Jahren ist er eine tragende Säule bei Barca und in Spaniens Nationalmannschaft und gewann alle nur erdenklichen Titel. Im Interview spricht der 26-Jährige über sein Selbstverständnis, Papa Puyol, die Rolle der Medien und die große Liebe seines Lebens.

Frage: Gerard Pique, Sie sind schon eine gefühlte Ewigkeit ein Fixpunkt beim FC Barcelona und in der spanischen Nationalmannschaft. Sie gelten auch als Führungsspieler. Wie lässt sich diese Rolle als Innenverteidiger mit Leben füllen?

Gerard Pique: Das geht sehr gut. Als Innenverteidiger hast Du einen guten Blick auf das ganze Spiel, die Positionen der Mittelfeldspieler, der Stürmer und der Außenverteidiger. Jedes Team braucht eine gute Organisation und für diese sind Leute zuständig, die das Spiel lesen und verstehen können und die richtigen Anweisungen geben. Ich denke, das ist eine der zentralen Aufgaben eines Innenverteidigers.

Frage: Wie sehr hat Sie Carles Puyol in Ihrer Entwicklung beeinflusst?

Pique: Er spielt schon so lange auf dem höchsten Niveau und ist ein Vorbild für alle jungen Spieler, die nachkommen. Ich war einer von ihnen, als ich mit 21 Jahren zu Barca kam. Er hat mir sehr viel beigebracht, so wie er auch den anderen Jungen viel beigebracht hat. Er ist für alle so etwas wie eine Vaterfigur. Er hat Führungsqualitäten, aber auch etwas von einem Rebellen an sich. Gerade wenn es nicht so läuft und wenn der eine oder andere vielleicht den Kopf hängen lässt, dann ist er da und rüttelt alle wieder wach und pusht uns.

Frage: Sie sind zwar nicht Kapitän, tragen aber viel Verantwortung. Gehen Sie in dieser Rolle auf?

Pique: Absolut. Für mich war Fußball von klein auf immer eine Herzensangelegenheit und ich glaube fest daran, dass man immer alles geben muss, um seine Ziele zu erreichen, sei es in einem Pokalspiel, wenn es um die nächste Runde geht, wenn du in einem Finale stehst oder wenn es im letzten Spiel der Saison um alles oder nichts geht. Und schließlich haben wir auch gegenüber den Fans, die das Spiel lieben und viel Geld dafür bezahlen, eine große Verantwortung.

Frage: Wie bereiten Sie sich auf ein großes Spiel vor?

Pique: Ich versuche, so gut wie möglich abzuschalten. Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht so viel nachdenke, sagen wir: eine Stunde vor Spielbeginn. Aber wenn ich dann in die Kabine komme, dann bin ich hundertprozentig fokussiert. Auf den Gegner, auf unseren Gameplan, auf die 1000 Dinge, an denen wir gearbeitet haben, um das perfekte Spiel zu spielen. Am Tag davor zum Beispiel, im Teamhotel, ist es wichtig, dass wir nicht zu viel an das Spiel denken, dass wir über andere Sachen reden, Karten spielen, was auch immer. Du kannst noch so viel im Kopf durchgehen, am Ende entscheiden das Talent und der Einsatz, den du auf dem Platz zeigst.

Frage: Wie ist Ihr Verhältnis zur Presse? Wie gehen Sie zum Beispiel mit schlechten Kritiken um?

Pique: Ich versuche, nichts an mich heran zu lassen. Die Presse ist doch für die Fans, für die Millionen von Menschen, die für den Fußball leben. Wir Spieler können die Journalisten weder kontrollieren, noch sollten wir uns davon beeinflussen lassen, was geschrieben oder berichtet wird. Dabei ist es völlig egal, ob gut oder schlecht über dich geschrieben wird. Gute Presse kann sogar sehr gefährlich sein. Sie lässt dich vielleicht glauben, jemand oder etwas zu sein, was du nicht bist.

Seite 2: Rückkehr zu Barca, Elfmeterschießen, große Liebe

Frage: Gerade 2011 waren die Spannungen zwischen Barcelona und Real Madrid sehr extrem. Wie sind Sie damit umgegangen und haben Sie dazu beigetragen, dass sich die Animositäten nicht auf die Nationalelf übertragen?

Pique: Ich erinnere mich, dass es Spannungen gab und gerade nach unserem 5:0 im Camp Nou gegen Real war die Stimmung nicht die beste. Aber das war alles vergessen, sobald wir wieder im Kreis der Nationalmannschaft zusammen kamen. Alle Spieler haben kapiert, dass es um eine nationale Sache geht und wir unsere Ziele nur erreichen können, wenn wir zusammenhalten. Die EM stand vor der Tür, also haben wir uns darauf konzentriert. Es ist auch klar, dass manche Spieler besser miteinander können und manche weniger, aber das ist eben so in jeder Mannschaft. Das Ziel muss es sein, gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Frage: Lassen Sie uns über Ihren Werdegang sprechen. Sie gingen zuerst zu Manchester United, dann nach Saragossa, ehe sie wieder bei Barca landeten. Hätten Sie sich träumen lassen, als Sie Barcelona verließen, dass Sie irgendwann zurückkommen und so erfolgreich sein würden? SPOX

Pique: Es müssen schon viele Dinge zusammenpassen. Zunächst mal muss dich Barca überhaupt im Auge behalten. Dann musst du natürlich Leistung bringen. Und schließlich müssen sich die Klubs einig werden. Du hoffst natürlich, wieder bei Barca zu landen, aber eine Garantie gibt es dafür nicht. Seit ich wieder in Barcelona bin, läuft es großartig. Ich bin jetzt im sechsten Jahr hier und wir haben in jeder Saison mindestens einen Titel gewonnen, häufig sogar mehr. Unsere Ausbeute ist außergewöhnlich und wir haben ein Team, das so weitermachen kann.

Frage: Glauben Sie, die Leute können sich vorstellen, wieviel Arbeit es bedeutet, Spieler beim FC Barcelona zu sein?

Pique: Vielleicht. Manche sehen in uns aber wahrscheinlich nur die Fußballer, die 90 Minuten auf dem Platz stehen und dann ihren Job erledigt haben. Es gehört aber noch viel mehr dazu. Ich bin davon überzeugt, dass die Leute, die den Fußball intensiv verfolgen und ein gewisses Verständnis haben, einschätzen können, dass viel mehr dazugehört, als nur zu spielen und zu trainieren.

Frage: Im EM-Halbfinale 2012 gegen Portugal haben Sie den ersten Elfmeter Ihrer Profikarriere geschossen. Man muss schon sehr viel Selbstvertrauen haben, um seine Premiere in so einem Moment zu feiern.

Pique: Ja. Selbstvertrauen musst du als Sportler haben, egal ob du Fußball, Basketball oder Tennis spielst. Letztlich entscheidet das Selbstvertrauen. Hast du nicht die nötige Sicherheit, dann packst du es nicht, ganz gleich, wie talentiert du auch bist.

Frage: Sergio Ramos hat seinen Elfmeter im Krimi gegen Portugal im Panenka-Stil geschossen. Was haben Sie sich damals gedacht, als Sie das sahen? SPOX

Pique: Ich wusste nicht, dass er dieses Variante wählen würde, aber er hat's gemacht. Der Ball ging rein und wir kamen weiter. Das war natürlich riskant, aber es ist schon ein Risiko, überhaupt einen Elfer zu schießen, weil ihn der Torwart halten kann oder man daneben schießt und man am Ende der Trottel ist. Zum Glück ist es aber anders gekommen: Er hat seinen getroffen, ich meinen und wir haben gewonnen.

Frage: Wie möchten Sie gerne in Erinnerung bleiben?

Pique: Als ein leidenschaftlicher Mensch, der immer alles gegeben hat. Ich bin bis über beide Ohren in den FC Barcelona verliebt. Schon als kleiner Junge bin ich ins Camp Nou gegangen und bin mit der Liebe zu diesem Verein aufgewachsen. Ich verdanke Barca alles.

Gerard Pique im Steckbrief