Präsident Josep Maria Bartomeu spricht gerne über die Jugendarbeit beim FC Barcelona. "Wir kämpfen jeden Tag weiter dafür, das beste Jugendsystem der Welt zu haben", gab er bei der alljährlichen Präsentation der 20 klubeigenen Jugendmannschaften zu Protokoll. "Unser Konzept bleibt immer das Gleiche. Die Besetzung wird sich ändern, aber die Idee bleibt bestehen", fasste er die Trainingsarbeit in Katalonien zusammen.
Denn Barca geht einen anderen Weg. In der Altersklasse "Prebenjami" beginnt der Weg vom Sechsjährigen zu den Profis, während andere Klubs oft erst eigene Jugenden ab der U 12 oder U 13 anbieten. Die Kinder sollen von Beginn an die Förderung erhalten, die man sich wünscht - sportlich wie persönlich. Das Prinzip geht auf: Derzeit spielen 151 Spieler in ersten Ligen weltweit, die aus La Masia stammen.
Guardiola setzt neue Maßstäbe
15 von insgesamt 26 Spielern in der ersten Mannschaft entstammen momentan der eigenen Jugend, der Cantera wie die Nachwuchszentren in Spanien genannt werden. Sie alle haben es über mehr oder weniger Umwege aus La Masia in eine Mannschaft geschafft, die in jedem Jahr um den Gewinn der Champions League mitspielen möchte. Eine Tatsache, die natürlich gerne betont und bisweilen auch ausgeschlachtet wird.
Dass dies jedoch mit gut 57 Prozent die schwächste Quote seit Jahren ist, blendet man aus. Denn unter Luis Enrique stehen zwar so wenige Spieler aus der eigenen Jugend im Kader wie schon lange nicht mehr, erhalten aber auch so viele Minuten wie schon lange nicht mehr.
Während Pep Guardiola alte Werte nach seiner Amtsaufnahme 2008 erst wieder aufleben ließ und in seiner ersten Saison gleich zahlreiche Spieler aus der zweiten Mannschaft installierte, ließen es seine Nachfolger etwas ruhiger angehen. Verteilte Guardiola in seinen vier Jahren 4866 Spielminuten an Spieler ohne Vertrag für die erste Mannschaft, waren es bei Nachfolger Tito Vilanova immerhin noch 565 Minuten in einer Saison.
Martino enttäuscht Fans
Gerardo Martino, inzwischen Cheftrainer der argentinischen Nationalmannschaft, schien komplett über die Jugendarbeit hinwegzusehen. Eine Tatsache, die bei Fans und Verantwortlichen mehr als einmal zur Debatte stand. Prüfte er in den ersten Testspielen noch ausführlich junge Spieler wie Adama Traore oder Jean-Marie Dongou, waren es am Ende einer kompletten Saison nur magere 54 Minuten für die beiden Stürmer und Verteidiger Patric.
Zahlen, die undenkbar wirken unter Enrique. Der Trainer machte schnell klar, vollstes Vertrauen in jeden Spieler zu haben und nicht nach Namen zu urteilen. "Jordi Masip" war seine Antwort auf die Frage eines Journalisten, ob er auf Marc-Andre ter Stegen oder Claudio Bravo setzen würde - einfach, weil er wisse, woran er sei. Er habe weder den Chilenen, noch den Deutschen schon trainieren sehen.
Einsatz vor Namen
Trainingsarbeit geht vor beim 44-Jährigen. "Es reicht nicht mehr aus, nur Qualität und Talent zu besitzen. Die läuferische Leistung muss auch stimmen", machte Dani Alves nach den ersten Einheiten klar, was Enrique dem Team abverlangt: "Wir müssen hart arbeiten und viele Opfer bringen, um erfolgreich zu sein." Dann vertraut er - im Gegensatz zu Martino - auch den ganz jungen Spielern im Kader: Schon jetzt, nach neun gespielten Spielen, sind es fast 700 Spielminuten, die sich Sandro Ramirez, Munir El Haddadi und Sergi Samper teilen.
Besonders schnell von sich reden machte Munir. Der Stürmer hatte in der vergangenen Saison erst langsam begonnen Fuß in der zweiten Mannschaft zu fassen und wurde so von Enrique mehr oder weniger direkt aus der A-Jugend übernommen. Dass er dort in zehn Spielen der UEFA Youth League elf Tore erzielte und Barcelona fast im Alleingang zum Titel schoss, sollte Warnung genug gewesen sein an die nationale Konkurrenz.
El Haddadi statt Pedro
Dennoch dürfte kaum jemand mit der aktuellen Entwicklung gerechnet haben. Angesichts der Neymar-Verletzung startete Munir an der Seite von Lionel Messi und Rafinha als drittjüngster Debütant in der Geschichte Barcelonas. Direkt nach Bojan Krkic und eben jenem Messi, als dessen Nachfolger ihn schon bald einige Medien ausgemacht hatten. Nur wenige Tage später folgten die ersten Minuten mit der spanischen Nationalmannschaft - ehe er sich noch für Vaterland Marokko entscheiden konnte.
Enrique gefällt besonders die direkte Art, mit der der 19-Jährige spielt. Im Gegensatz zu Martino setzt der Spanier auf eine sehr enge Dreieroffensive, die Breite wird über die Außenverteidiger hergestellt. Alle nominellen Stürmer agieren näher am Tor, was Munir merklich besser zu Gesicht steht, als Konkurrent Pedro.