0:4 hieß es im Clasico gegen den FC Barcelona. Für Real Madrid läuft es in dieser Saison noch nicht so, wie man es sich vorgestellt hatte. Rafa Benitez ist mehr als nur angezählt, eine Entlassung scheint greifbar. SPOX beantwortet die wichtigsten fünf Fragen zur aktuellen Situation der Königlichen.
Wie steht es um den Job von Rafa Benitez?
Ganz schlecht. Benitez war schon vor dem Clasico nicht auf dem sichersten aller Stühle gesessen, die 0:4-Demütigung durch die Katalanen hat nochmals ordentlich an den Stuhlbeinen gesägt. Die Marca berichtete am Sonntag, dass die Führungsebene der Madrilenen sich gerne von ihrer Neuverpflichtung trennen würde, einzig das Datum der Entlassung sei noch nicht geklärt. Weitere Gerüchte setzten zudem Fox Sports und die Gazzetta dello Sport in die Welt, die berichteten, Ronaldo hätte Präsident Florentino Perez vor ein Ultimatum gestellt: "Ich oder er."
Wer von der spanischen und internationalen Presse dermaßen an den Abgrund geschrieben wird, hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten seinen Job nicht mehr lange ausführen dürfen. Benitez steht mit einem Bein im Aus. Glaubt man den Medien, ist jede Minute, die Benitez als Trainer der Königlichen investiert eine Minute, die den Verantwortlichen nicht gefällt. Zudem auffällig: Es fehlt jede öffentliche Rückendeckung aus Reihen der Spieler oder der Führung.
Kaum ein anderer Zeitpunkt wäre einfacher, als ihn nun nach dem 0:4 freizustellen. Gewinnt Benitez, wie zu erwarten, die nächsten Partien (Donezk, Eibar, Cadiz, Getafe, Malmö) sammelt er einerseits Argumente für sich, auf der anderen Seite wird aber jeder bei dem kleinsten Patzer danach auf die mangelnde Konkurrenzfähigkeit dieser Gegner hinweisen. Einen Trainer, der dermaßen wackelt, bis zum Saisonende durchzuschleppen, ist eigentlich keine Option für einen Verein wie Real Madrid. Dafür sind die Erwartungshaltungen von Fans, Vorstand und auch den Spielern deutlich zu groß.
Andererseits ist Perez nicht dafür bekannt, Trainer während der Saison auszutauschen. Dazu kommt die schwierige Situation auf dem Trainermarkt, einzig eine riskante Lösung mit Zinedine Zidane als Nachfolger scheint möglich. Die Madrilenen ließen den Sonntag vorbeiziehen, Zidane selbst nahm sich aus der Bahn - es sieht vorerst nach einer weiter bestehenden Zweckgemeinschaft aus.
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Seite 2: Wer sind die Alternativen bei einem Trainerwechsel?
Seite 3: Hat der Trainer die Mannschaft verloren?
Seite 4: Wie steht es sportlich um Real Madrid?
Seite 5: War das nicht eigentlich alles abzusehen?
Wer sind die Alternativen bei einem Trainerwechsel?
Erst einmal Zinedine Zidane. Der Franzose macht in der Castilla momentan einen guten Job und hat natürlich seinen Status als große Legende nicht nur in der spanischen Hauptstadt inne. Somit scheint er eine gute und logische Wahl, wäre da nicht die Tatsache, dass es sich um Real Madrid handelt. Schon Benitez war ein Experiment, dem viele nicht trauten, direkt als Nachfolger ein noch größeres Experiment mit einem Trainer ohne große Erfahrung auf höchstem Niveau zu wagen, erfordert sehr viel Mut.
Auf der anderen Seite hat Zidane große Ausstrahlung und - ganz besonders wichtig - die Rückendeckung von Fans, Ex-Spielern und der Presse. Wer wie Benitez schon vor seinem ersten Training als unfähig betitelt wird und sich bei jeder Entscheidung von Ehemaligen aus dem Lager der Blancos kritisieren lassen muss, hat keine guten Voraussetzungen. Genau dieses Problem dürfte Zidane nicht haben. Sein Wort hat enormes Gewicht, zusammen mit einem erfahrenen Team könnte er durchaus zu einer guten Lösung werden.
Der Franzose nahm sich aber nach einigen Gerüchten selbst aus dem Favoritenkreis heraus: "Benitez ersetzen? Dafür fehlt mir noch einiges. Ich bin Trainer der Castilla und das ist gut so. Ich bin im Moment hier und werde auch hier bleiben", so der 43-Jährige: "Ich mache Schritt für Schritt."
Andere Möglichkeiten sind rar gesät. Einerseits werden die meisten Trainer hellhörig werden, wenn sie den Namen Real Madrid hören, auf der anderen Seite ist ein Engagement dort auch immer mit einem gewissen Risiko verbunden. Das spricht gegen Namen wie Roberto Martinez (FC Everton), Unai Emery (FC Sevilla) oder Jorge Sampaoli (Chile), die alle eine Mannschaft zurücklassen müssten, die sie selbst aufgebaut und entwickelt haben.
Lenkt Real seine Aufmerksamkeit auf vertragslose Trainer, wird es schnell wild. Carlo Ancelotti ist angesichts seines Abgangs im letzten Jahr nur in den kühnsten Träumen jedes Madridistas eine Option, danach folgen schon Gedankenspiele wie Jupp Heynckes als Interimscoach bis zum Saisonende.
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Hat der Trainer die Mannschaft verloren?
Das ist zumindest der Vorwurf, der sich seit Wochen, wenn nicht Monaten beharrlich hält. Die Marca stellte gar in den Raum, er habe das Team nie von seinen Vorstellungen überzeugen können. Führungsspieler wie Sergio Ramos sind laut verschiedenen Gerüchten vor dem Duell mit dem FC Barcelona an ihren Coach herangetreten, um ihn um eine andere taktische Ausrichtung zu bitten. Er dementierte dies in der Pre-Match-Pressekonferenz und lieferte sich daraufhin ein denkwürdiges Duell mit einem AS-Reporter. "Ich habe Respekt für ihre Arbeit, aber diese Berichte sind komplett falsch. Es gab kein Treffen, ich manage Teams seit 25, 30 Jahren und habe das immer gut getan", begann Benitez zu erklären, als sich der Journalist verständnisvoll zeigte und meinte, es wäre nur logisch, dass er diese Frage nun dementieren würde.
Die Reaktionen seiner Spieler auf den verlorenen Clasico lassen ebenfalls auf eine gewissen Unzufriedenheit innerhalb des Teams deuten. Luka Modric war der Spieler, der am meisten zu denken gab: "Wir haben nicht erwartet, so schlecht zu spielen. Wir haben nicht aus unseren Fehlern gelernt, wir spielen sehr, sehr schlecht. Es liegt nicht an der Einstellung. Wenn du gegen Barcelona kein Team bist, nicht kompakt bist, passiert genau das." Der Kroate legte noch nach: "Wir ließen Barcelona viele Räume aber wussten doch, dass sie in diesen sehr gut sind. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert." Worte, deren Brisanz sich der Kroate bewusst gewesen sein dürfte, sind sie doch schnell als Kritik am Trainer interpretiert.
Schon Vorgänger Carlo Ancelotti und Jose Mourinho sollen die Kabine Reals gespalten haben. Bei Mourinho etwa soll Iker Casillas den Trainer hinterfragt und interne Informationen über seine Frau, die TV-Journalistin Sara Carbonero, an die Öffentlichkeit weitergegeben haben. Ancelotti hatte wohl ebenfalls nicht nur Freunde im Kader, letztlich kämpften aber einige Spieler um seinen Verbleib, selbst Ronaldo äußerte sich ungewohnt klar gegen die Entscheidungen des Präsidenten und setzte sich für einen Verbleib des Italieners ein. Dass dieser dennoch gehen musste und anstatt dessen Benitez kam, könnte sich von Anfang an negativ auf die Beziehung Spieler-Trainer ausgewirkt haben - wobei das Spekulation ist.
Definitiv keine Spekulation ist allerdings die zunehmende Unzufriedenheit im königlichen Lager mit den sportlichen Entscheidungen der Führung. Perez wurde während dem Clasico mehrmals mit Fangesängen zum Rücktritt aufgefordert, besonders in der Halbzeit waren die Pfiffe und Rufe deutlich zu vernehmen. Der Präsident wird von den Anhängern als Hauptschuldiger ausgemacht. Einer Umfrage der Marca zufolge sind 42 Prozent der Fans davon überzeugt, das 0:4 gehe auf die Kappe des Präsidenten. 32 Prozent sahen die Schuld beim Trainer, rund 26 Prozent bei den Spielern.
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Wie steht es sportlich um Real Madrid?
Wie die Diskussion rund um Benitez erahnen lässt, nicht allzu gut. Derzeit hat Real Madrid nach zwölf Spieltagen sechs Punkte Rückstand auf den FC Barcelona, dabei war die Stimmung nach der Verletzung von Lionel Messi eigentlich in Katalonien deutlich pessimistischer gewesen als in der Hauptstadt. Zwei Niederlagen in Folge (0:4 gegen Barcelona, 2:3 gegen Sevilla) stehen zehn Spielen ohne Niederlage gegenüber. Sieben Siege und drei Unentschieden sind allerdings auch nicht die Ausbeute, die man sich zu diesem Zeitpunkt erhofft hatte, stehen doch die Duelle mit Villarreal und Valencia noch aus. PSG brachte die Madrilenen in der Champions League zweimal ins Schwitzen, blieb aber beide Male ohne Erfolg.
Was die Ergebnisse betrifft, ist zwar Steigerungspotenzial vorhanden, doch hat es aber auch schon schlechtere Saisonstarts gegeben. Die Kritik zielt besonders auf die Spielweise Benitez'. Versprach er bei seinem Amtsantritt noch ein aggressives und sehr hohes Spiel gegen den Ball, hat sich das nie wirklich umsetzen lassen. Real dümpelt mit seiner Spielidee in einer grauen Mischform umher, die derzeit noch immer ihre Basis sucht. Soll das Team nun früh attackieren oder eher abwartend spielen? Ist das Ziel schnelles Umschaltspiel, Ballbesitzspiel oder ist das je nach Spielsituation und Spielermaterial völlig freigestellt? Der Trainer zog Gareth Bale ins Zentrum und sorgte so für Verwirrung.
Einerseits stellte der Waliser mit diagonalen Läufen in die Tiefe eine Gefahr für gegnerische Abwehrreihen dar, andererseits konzentrierte sich Madrid damit zusehends auf Flügelspiel und Hereingaben, was angesichts der möglichen Zentrumsbesetzung mit Toni Kroos, Luka Modric, James Rodriguez oder Isco Potenzial brachliegen lässt. "Offensichtlich habe ich die falsche Aufstellung gewählt", gab Benitez nach dem Clasico zu und tat sich damit selbst keinen Gefallen. Seine Mannschaft zeigte gegen den Erzrivalen enorme Verbindungsprobleme, die in einzelnen Spielsituationen in kopflosen 4-1-5-Formationen oder - wie direkt vor dem 0:2 - mit vier Spielern gleichzeitig im Abseits gipfelten.
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War das nicht eigentlich alles abzusehen?
Das ist genau die Fragestellung, die Perez im Moment jede Menge Kritik einbringt. Vom ersten Moment an war Benitez als Real-Coach angezählt. Nicht aufgrund der sportlichen Basis und nicht aufgrund der Vergangenheit im Klub, sondern aufgrund seiner Außendarstellung und seines Erscheinungsbilds. Ein ungerechtes Urteil, das bereits weit vor der ersten Pleite gefällt wurde. Die Trainer-Diskussion läuft bereits seit dem 15. Juni, die erste Niederlage in einem Pflichtspiel setzte es dagegen am 8. November. Die Relation dazwischen fehlt, muss aber für eine Diskussion dieser Art gar nicht erst gegeben sein.
Benitez hat nie eine faire Chance erhalten. Die bekam er nicht von den Fans, nicht von der Presse und ganz offensichtlich auch nicht von seiner Mannschaft oder wenigstens den Führungsspielern. Perez selbst, der zuversichtlich in die Zusammenarbeit ging, begann die ersten Stiche zu setzen, als er seinem eigenen Trainer öffentlich eine Diät nahe legte. Was folgte, würde in anderen Arbeitswelten schnell als Mobbing betitelt werden. Fernsehbilder fingen den Trainer beim Essen auf der Trainerbank ein, zahlreiche Karikaturen stellten ihn so da, wie ihn gegnerische Fans gerne besingen: Als dicken, spanischen Kellner.
Es wurde ein Bild kreiert, das ihm einiges an Glaubhaftigkeit in Außen- wie Innendarstellung nahm und letztlich wohl auch den Job als Real-Trainer kosten wird. Somit war diese Entwicklung eigentlich abzusehen, ist allerdings aus rein sportlichen Gründen nicht zu erklären. Benitez hat bis jetzt keinen schlechten Job gemacht, Niederlagen wie diese gegen Barcelona oder die vor der Länderspielpause gegen Sevilla sind auch Meistertrainern mit Madrid unterlaufen. Die Manita, das 0:5 gegen den FC Barcelona in seinem ersten Clasico, brachte Jose Mourinho auch nicht zu Fall.
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