Showdown auf der Zielgeraden

Frank Oschwald
13. Mai 201615:40
Der FC Barcelona und Real Madrid greifen am letzten Spieltag nach der Krone in der Ligagetty
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Am 38. Spieltag der Primera Division kommt es zum Showdown zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid. Zeitgleich gehen beide Teams ins letzte Ligaspiel und greifen nach der spanischen Krone. Während die Katalanen nach Granada reisen, muss Real bei Deportivo La Coruna (Samstag, ab 17 Uhr in der LIVESTREAM-KONFERENZ) antreten. SPOX beleuchtet die beiden Mannschaften vor der Meisterentscheidung und stellt die wichtigsten Punkte gegenüber.

Anders als in der letzten Saison entscheidet sich der Kampf um die Meisterschaft in Spanien erst am letzten Spieltag. Noch vor wenigen Wochen war Spitzenreiter Barca weit enteilt, der Ligatitel schien den Katalanen eigentlich nicht mehr zu nehmen. Doch eine historische Schwächephase machte aus dem Meisterrennen einen irren Dreikampf.

Erst am 37. Spieltag verabschiedete sich Atletico aus dem Titelkampf. Nur wenige Tage nach dem Einzug ins Champions-League-Finale scheiterte die Elf von Diego Simeone ausgerechnet beim Tabellenletzten UD Levante mit 1:2. Da in Spanien der direkte Vergleich zählt und dieser gegen Barcelona verloren ging, können sich die Colchoneros den Pott abschminken.

Trotz der Schwächephase führt Barca die Liga mit 88 Punkten weiter an. Nur einen Punkt dahinter liegen die Königlichen. Die Rechenspiele am 38. Spieltag sind folglich recht schnell erklärt. Real muss bei La Coruna auf jeden Fall gewinnen, um überhaupt noch eine Chance auf den Titel zu haben. Spielt Barca bei Granada zeitgleich lediglich Remis oder verliert gar, sind die Königlichen Meister. Gewinnen die Katalanen jedoch, feiern sie unabhängig vom königlichen Ergebnis die Meisterschaft.

Doch wer hält den Pott in am Samstag in den Händen und wer geht leer aus? SPOX stellt die wichtigsten Faktoren gegenüber.

Aktuelle Form: Barca schien die Meisterschaft eigentlich längst in der eigenen Tasche zu haben. Noch am 30. Spieltag hatten die Katalanen zehn Punkte Vorsprung auf den Drittplatzierten Real. Die 1:2-Pleite im Clasico wurde im Hinblick auf die Meisterschaft fast achselzuckend hingenommen. Doch diese Niederlage warf das Team von Luis Enrique komplett aus der Bahn. Eine historische Negativserie von drei Ligapleiten folgte und der Vorsprung vor Real schmolz innerhalb von drei Spieltagen auf einen winzigen Punkt. Das Aus im Champions-League-Viertelfinale gegen Atletico Madrid machte die Krise perfekt.

Seit der Heimpleite gegen Valencia am 33. Spieltag schießt Barca jedoch wieder alles kurz und klein und die Formkurve zeigt steil nach oben. Die Bilanz der letzten vier Spiele ist dementsprechend beeindruckend: vier Siege und ein Torverhältnis von 22:0. Gleich in der ersten Partie nach der Valencia-Pleite ballerte man sich mit 8:0 den Frust von der Seele, auch Espanyol wurde am letzten Wochenende mit 5:0 abgefertigt.

Bei den Königlichen hingen die Fahnen zwischenzeitlich ebenfalls auf Halbmast. Nach der vergleichsweise holprigen Hinrunde unter Trainer Rafa Benitez gab's bei der 0:1-Heimpleite gegen Atletico im Februar einen heftigen Schlag in die Magengegend. Bei 12 Punkte Rückstand auf Barca schrieb Neu-Coach Zinedine Zidane die Liga bereits ab.

Ähnlich wie Barca ist Real seitdem aber nicht aufzuhalten. Bis auf zwei Spiele in der Champions League (0:2 gegen Wolfsburg, 0:0 gegen Manchester City) räumten die Königlichen komplett alles aus dem Weg. In La Liga gewann die Zidane-Elf alle elf Spiele. Ein Blick in die Geschichtsbücher spricht dennoch gegen die Hauptstädter: Elfmal stand Real vor dem letzten Spieltag auf dem 2. Platz, der Sprung auf Platz eins blieb ihnen immer verwehrt.

Das Personal: Barcas Stammkeeper Claudio Bravo verletzte sich am 36. Spieltag gegen Real Betis an der Wade und musste ausgewechselt werden. Nachdem der Chilene auch im Derby gegen Espanyol passen musste, ist ein erneuter Torwartwechsel wohl nicht angedacht. Demnach wird Marc-Andre ter Stegen vermutlich beim Saisonfinale und im Pokalendspiel gegen den FC Sevilla im Tor stehen. Abgesehen von der Position zwischen den Pfosten kann Barca-Trainer Enrique jedoch die volle Kapelle aufbieten.

Wenig überraschend wird im Liga-Endspurt viel von El Tridente abhängen. Irrwitzige 86 von 109 Barca-Treffer erzielten Luis Suarez, Lionel Messi und Neymar. Speziell Suarez ist in der Form seines Lebens. In 34 Ligaspielen traf der 29-Jährige 37 Mal und bereitete weitere 19 vor. Er ist nach Hugo Sanchez, Zarra, Messi und Ronaldo erst der fünfte Spieler, der so häufig traf. Alleine in den letzten vier Partien erzielte er elf Tore. SPOX

Bei Real drückt ähnlich wie bei Barca ganz hinten der Schuh. Keylor Navas konnte im vorletzten Ligaspiel gegen Valencia nicht auflaufen und droht auch gegen La Coruna auszufallen. Mit Kiko Casilla steht der Ersatzmann bereit. Entscheidender könnte jedoch der Einsatz von Gareth Bale werden. Der Waliser musste zuletzt wegen Knieproblemen passen und konnte Anfang der Woche lediglich individuelles Lauftraining absolvieren. Sein Einsatz wird sich wohl erst kurzfristig entscheiden. Während Lucas Vazquez definitiv fehlt (Knieprellung), kann der zuletzt geschonte Luka Modric spielen.

Atmosphäre im Umfeld: Speziell nach dem Aus in der Champions League und dem drohenden Verlust der Meisterschaft war die Stimmung um das Camp Nou angespannt wie selten. Innerhalb von fünf Spielen wurde beinahe eine komplette Saison an die Wand gefahren. Die Katalanen stehen somit vor dem Ligafinale gehörig unter Druck. Sollte in letzter Sekunde auch die Meisterschaft flöten gehen, wäre der Schiffbruch perfekt. Daran würde auch ein möglicher Erfolg im Pokalfinale nichts ändern.

"Wir haben es uns verdient, die härteste Liga in Europa zu gewinnen", erklärte Barca-Coach Enrique: "Ich weiß allerdings auch, dass wir im letzten Spiel hellwach sein müssen. Auswärtsspiele sind immer schwierig, weil es Dinge gibt, die du nicht kontrollieren kannst."

Real Madrid hingegen wird die Reise nach Galizien deutlich entspannter angehen. Da Los Blancos in dieser Saison überhaupt nur vier Spieltag auf Platz eins übernachteten und zwischenzeitlich hoffnungslos hinter Spitzenreiter Barca lagen, wurde der Ligatitel vom königlichen Umfeld frühzeitig abgeschrieben. Die Liga gilt somit fast als eine Art Bonus.

Bei Real rückte vielmehr die Champions League in den Fokus. "Wir denken mehr an die Champions League. Denn das haben wir in der eigenen Hand", erklärte Verteidiger Alvaro Arbeloa: "Dennoch haben wir auch Chancen, die Liga zu gewinnen. Wir müssen auf uns schauen, konzentriert spielen und hoffen, dass wir Schützenhilfe aus Granada bekommen." Die verpasste Meisterschaft wäre somit kein Debakel. Vielmehr würde ein Triumph im CL-Finale gegen Atletico, der gleichbedeutend mit dem Gewinn von La Undecima wäre, die Pleite in La Liga bereits zwei Wochen später wieder vergessen machen.

Die Gegner: Barcas Gegner Granada steckte bis zuletzt tief im Abstiegsschlamassel. Am letzten Spieltag gelang dem Team von Jose Manuel Gonzalez jedoch der Big Point. Beim sonst starken FC Sevilla gelang Granada ein 4:1-Erfolg. Den Klassenerhalt haben die Andalusier bei drei Punkten Vorsprung auf die direkte Konkurrenz somit bereits sicher.

Ausgerechnet ein Ex-Barca-Spieler trumpfte zuletzt groß auf. Winter-Neuzugang Isaac Cuenca, der in La Masia das Kicken lernte, erzielte gegen Sevilla einen Doppelpack. Ähnliches plant der 25-Jährige auch gegen Barca. "Ich träume davon, in der 90. Minute das Tor zum Sieg zu schießen. Das wäre der Hammer", erklärte Cuenca bei Cadena Ser.

Auch Reals Gegner Deportivo La Coruna hat den Klassenerhalt bereits sicher. Das Team aus Galizien startete stark in die Saison und lag zwischenzeitlich auf Rang fünf. Zwar sicherte man sich dadurch frühzeitig den Ligaverbleib, in der Rückrunde läuft allerdings bislang wenig zusammen.

Im Pokal scheiterte die Elf von Victor Sanchez am Zweitligsten CD Mirandes, in der Liga gab's lediglich drei Siege aus den vergangenen 24 Spielen. Es folgte der Absturz auf Rang 15. Besonders interessant vor dem Heimspiel gegen Real: Kein Team aus La Liga ist vor heimischer Kulisse derart erfolgslos.