Der FC Barcelona verhandelt mit Paulinho und dessen Klub Guangzhou Evergrande über einen Transfer. Doch was macht den Mittelfeldmann aus, der bei den Tottenham Hotspur scheiterte und sein Glück in China fand?
Dem allgemeinen Konsens nach trifft man in der chinesischen Super League auf exakt zwei Arten von Spielern: Da sind auf der einen Seite die Chinesen und auf der anderen Seite eine Handvoll europäischer oder südamerikanischer Frührentner. Wer nach China wechselt, der beendet seine Karriere, so der Tenor.
Diese Ansicht könnte in wenigen Tagen allerdings enorm erschüttert werden. Der FC Barcelona, immerhin einer der größten Klubs des internationalen Fußballs, will tatsächlich keinen Spieler ins Reich der Mitte verkaufen und sich an einer üppigen Ablöse erfreuen, sondern vielmehr die üppige Ablöse in Richtung Asien überweisen.
Die Rede ist natürlich von Paulinho. Nachdem der Brasilianer einige Zeit mit dem FC Bayern München in Verbindung gebracht wurde, bestätigte er nun kürzlich Gespräche mit den Katalanen. Barcelona will Paulinho, das ist inzwischen offiziell. Ebenso offiziell ist die Absicht von Guangzhou Evergrande, nicht zu verhandeln sowie die Ausstiegsklausel von 40 Millionen Euro.
Tottenham landete eine Coup
Viel Geld für einen Ende Juli bereits 29-jährigen Mittelfeldspieler - selbst wenn dieser vom direkten Konkurrenten aus Spanien kommen würde. Er kommt allerdings aus China, dem vermuteten Land der Frührentner. Das Interesse Barcelonas legt jedoch nahe, dass Paulinho noch einiges vor hat in seiner Karriere.
Das sagte er schon, als er die Tottenham Hotspur in Richtung China verließ. Bitter enttäuscht gab er damals an: "Wenn es die Chance gibt, würde ich sie ergreifen. Dann schreibe ich eine neue Geschichte in Europa." Die alte Geschichte verlief schließlich alles andere als gut.
Als sich die Spurs die Unterschrift von Paulinho sicherten, war der Transfer ein Coup. Die Engländer setzten sich gegen namhafte Konkurrenz durch: Real Madrid, Manchester United, FC Chelsea. Der Mittelfeldspieler verabschiedete sich emotional von Corinthians und versuchte sich einmal mehr im kalten Europa.
Paulinho mehrfach nach Europa verliehen
Schon in jungen Jahren war Paulinho nach Vilnius in Litauen verliehen worden. Schwer getroffen vom örtlichen Rassismus kehrte er zurück, wagte aber ein Jahr später einen Versuch in Polen. Wieder fand er nicht sein Glück, fortan arbeitete er sich in Brasilien nach oben.
Bei Coimbra und Corinthians erreichte er schließlich den Höhepunkt. Es sollte lange der letzte bleiben. In England spielte Paulinho unter Andre Villas-Boas eine solide Rolle bei den Spurs, von Erfolg gekrönt waren die meisten Spiele aber nicht. Es folgte Tim Sherwood auf Villas-Boas und eine neue Kurve in der Karriere von Paulinho.
"Dieser Engländer", nannte der Mittelfeldmotor seinen neuen Trainer und erntete dafür Häme von den lokalen Medien. Eine Rotsperre und eine Verletzung warfen ihn endgültig aus der Bahn. Als dann Sherwood gegangen wurde und Mauricio Pochettino übernahm, war die Hoffnung endgültig dahin.
Kaum Einsätze unter Pochettino
"Pochettino hatte seine Optionen und er dachte nicht, dass ich die Beste sein würde. Ich hege keinen Groll, aber ich denke, wenn er mir eine Chance in meiner Rolle gegeben hätte, hätte ich ihn überzeugt", stellte Paulinho fest, nachdem sein Wechsel in Richtung China beschlossene Sache war.
Seine Rolle ist die Acht. Eine dynamische, sich durchs Mittelfeld wühlende Acht. Der Brasilianer ist torgefährlich, kopfballstark, physisch präsent und hat einen deutlichen Zug zum gegnerischen Tor. Mit zunehmender Lustlosigkeit bei den Spurs verschwand die eigentlich emsige Defensivarbeit.
23 Minuten bekam Paulinho in den ersten elf Spieltagen der neuen Saison unter Pochettino. Im Anschluss wurden es mehr, die Freiheiten für sein Spiel bekam er aber mit Christian Eriksen vor sich nicht. Gemeinsam versuchte man, Lösungen zu finden, doch auch Einsätze auf dem Flügel brachten keine Besserung.
Geld löst alle Angelegenheiten
Intern, so heißt es bis heute, habe sich der Brasilianer immer pflegeleicht gezeigt. Er revoltierte nicht, brachte dann aber doch einen Wechsel in Gang. Das Wort Flop tauchte dennoch regelmäßig in den Meldungen auf, die seine Zeit in England beendeten und die Zeit in China einläuteten.
Nun also soll es erneut Europa werden. Der FC Barcelona ruft nur einmal im Leben, das ist Paulinho klar. Er will die Chance ergreifen, das sagt er auch deutlich im Interview mit Mundo Deportivo. Guangzhou ließ seinerseits verlauten, seinen Schlüsselspieler nicht verkaufen zu wollen.
Nach letzten Aussagen von Sportdirektor Xu Jiayin sei ein Wechsel überhaupt nicht verhandelbar. Zwischen den Zeilen ist jedoch herauszulesen: Das entsprechende Geld könnte einem Transfer doch noch auf die Sprünge helfen. Trainer Luiz Felipe Scolari erklärte: "Seine Klausel liegt bei 40 Millionen Euro."
Paulinho im Spiel des FC Barcelona
Das Zeichen ist klar: "Kein chinesischer Klub wird aufgrund der neuen Regelungen seine besten Spieler freiwillig abgeben." Auf teure Transfers aus Europa wird in vielen Fällen inzwischen eine 100-prozentige Steuer erhoben, die dem chinesischen Jugendfußball zugutekommen soll.
Der FC Barcelona wird es also nicht leicht haben. Warum es ausgerechnet Paulinho sein muss, wird wohl erst die kommende Saison zeigen, denn auf dem internationalen Markt hätte sich wohl sicherlich ein ähnliches, auch jüngeres Profil finden lassen.
Paulinho passt mit seiner Spielweise sicherlich mehr in die Mannschaft, die Luis Enrique übergeben hat, als in die Mannschaften zuvor. Das Mittelfeld ist heutzutage mehr Autobahn als Kreisverkehr und kommt dem 28-Jährigen damit durchaus entgegen.
Inwiefern er allerdings in ein dominantes, auf Ballbesitz ausgerichtetes Spiel passt, ist fraglich. Auch nach einigen Jahren in China als Taktgeber ist das Spiel von Paulinho immer noch durchzogen von kleinen technischen Fehlern. Pässe in den Rücken seiner Mitspieler, Pässe in den falschen Fuß oder schlechte Ballannahmen sind keine Seltenheit.
Vieles kann, nichts muss
Doch immerhin hat der Spieler offenbar auch das OK des neuen Trainers Ernesto Valverde bekommen. Die Verhandlungen begannen laut letzten Medienberichten bereits vor dem Arbeitsstart des Spaniers, wurden aber mit dessen Einvernehmen fortgeführt. Valverde wird, er muss einen Plan haben.
Den Transfer, das kann niemand leugnen, begleitet ein nicht unwesentliches Risiko und könnte Paulinho im schlimmsten Fall erneut keine gute Zeit in Europa verschaffen. Dann wäre wohl nicht nur eine Menge Geld ins Nichts geflossen, der Spieler wäre auch endgültig reif für die Frührente.
Bis zu dieser Erkenntnis ist es freilich noch ein weiter Weg. Noch hat Paulinho nicht unterschrieben, wenngleich er dem Klub laut eigenen Aussagen schon zugesagt hat. Noch hat Paulinho kein Spiel absolviert. Und noch hat China keinen Europa-Flop in einen Barcelona-Star verwandelt.