Ferngesteuert in die falsche Richtung

Ben Barthmann
03. August 201718:21
Die Beweggründe für Neymars Wechsel vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain sind undurchsichtiggetty
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Neymar steht kurz vor einem Wechsel vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain. Die Umstände des Transfers werfen Fragen auf - gerade im Hinblick auf den Vater des Spielers. Und Neymar selbst? Der wirft sein Potenzial weg, findet SPOX-Redakteur Ben Barthmann.

Als Unterstützer des FC Barcelona muss man sich stets den Transfer von Neymar vorhalten lassen. Gerne bin ich in diesem Fall bereit gewesen, mich jeder Kritik zu stellen.

Der Wechsel vom FC Santos nach Barcelona war zu keiner Zeit in seiner Handhabe zu rechtfertigen und ist bis heute ein entlarvender Blick hinter die Kulissen des so pfleglich aufgebauten Mes-Que-Un-Club-Image.

Nur an einem wollte ich nie Kritik üben: am Spieler Neymar. Der heute 25-Jährige wirkte auf mich immer wie ein ordentlicher Junge, der viel Spaß am Fußball hat. Der in etwas geraten ist, was so nicht von ihm angestrebt wurde. Ich hatte in ihm immer eine Art neuen Ronaldinho gesehen.

Die gleiche Freude am Fußball, die mich als Kind dazu gebracht hat, Spiele des FC Barcelona zu verfolgen - notfalls auch per Teletext. Immer habe ich versucht, das Umfeld auszublenden und mich auf den Spieler zu konzentrieren. Dort sah ich einen guten Fußballer, einen stets gut gelaunten Zocker.

Neymar Sr. lebt auf Kosten seines Sohnes

Doch was für Ronaldinho die Verlockungen des Nachtlebens waren, ist für Neymar das familiäre Umfeld, ein Hemmschuh auf dem Weg zu noch großartigeren Leistungen. Neymar Sr. ist ein Spielervater, wie er im Buche steht, möchte man meinen. Überehrgeizig, überambitioniert und - das muss und kann man wohl so deutlich ausdrücken - raffgierig.

Schon der Wechsel von Brasilien nach Europa war geprägt von den Machenschaften Neymar Seniors. In jeder Zählung der investierten Summe wurde das Handgeld für den Vater und seine Unternehmen größer. Er lebt auf Kosten seines Sohnes, beutet das Talent und die harte Arbeit seines Sohnes aus.

Als die ersten Gerüchte um PSG auftraten, tauchte schnell auch wieder der Name Neymar Senior in den Berichten auf. Die treibende Kraft hinter dem Transfer sollte wieder der Vater und nicht der Sohn sein, PSG ein Handgeld von mehr als 40 Millionen Euro für den Transfer bereithalten.

Nicht der höchste Schwierigkeitsgrad

Tage später scheint alles beschlossen. Ronaldinhos designierter Nachfolger zieht weiter in Richtung Frankreich. Gewissermaßen in die sportliche Bedeutungslosigkeit. Den Ballon d'Or wollte Neymar gewinnen, das gab er einst als eines seiner großen Karriereziele an.

Er wird in Frankreich Tore erzielen, sehr gut spielen, wahrscheinlich gar herausragend spielen. Aber er wird die Tore nicht mehr gegen Real oder Atletico Madrid erzielen, sondern bestenfalls gegen Monaco oder Marseille. Die ganz große Bühne sieht er nur in der Champions League.

Er wirft seine Karriere nicht aus dem Fenster, soweit ist es nicht gekommen. Aber er geht auch nicht den Weg des höchsten Schwierigkeitsgrades, der doch aber erforderlich ist, um in einem Bericht Exzellenz zu erhalten.

Neymar wird in die Geschichte eingehen - das aber nicht unter der Rubrik, in die er eigentlich gehört.

Falsche Erwartungen an Neymar?

Es ist das verschenkte Potenzial, das mich am Transfer so stört. Natürlich geschieht das zu einem Preis, den wir alle uns gar nicht vorstellen können. Für 30 Millionen Euro im Jahr würde ich gänzlich andere Verträge unterschreiben als einen, der nur von mir verlangt, bei Paris Saint-Germain Fußball zu spielen.

Doch mein Vorwurf geht an Neymars Vater. Ist Geld auf diesem Niveau wirklich so wichtig? Muss der eigene Sohn so gemolken werden? Kann sich ein erfahrener Vater nicht auch für die Zukunft seines Sohnes aussprechen, ihm dabei helfen, einer der besten Fußballer der Geschichte zu werden?

Und doch ist Neymar erst 25 Jahre alt. Er wird hoffentlich zu diesem Theater seine eigene Meinung mitbringen. Wenn er selbst es ist, der den Transfer angestoßen hat, nehme ich alles zurück. Dann hatte ich wohl einfach die falschen Erwartungen.