Der kriminelle Herr Costa

Von Lukas Zahrer
Diego Costa hat einen eigentlich unmöglichen Wechsel zu Atletico Madrid durchgebracht
© getty

Disziplin-Fan trifft auf südamerikanische Diva: Die Saga von Diego Costa bei Antonio Contes FC Chelsea konnte auf Dauer nicht gut gehen. Costa schaffte es, einen eigentlich unmöglichen Transfer zu Atletico Madrid durchzusetzen. Am Mittwochabend (20.45 Uhr im LIVETICKER) kann er seinen alten und neuen Arbeitgeber im direkten Duell beobachten.

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Diego Costa griff voller Verzweiflung zu drastischen Maßnahmen: "Ich habe keinen Zugang zur Kabine und keinen Kontakt zu den Jungs", sagte er gegenüber der Daily Mail. "Das ist unfair - ich bin doch kein Krimineller!"

Mit Aussagen wie diesen versuchte Costa im Sommer, sich in die Opferrolle zu reden.

Der Trainer des FC Chelsea, Antonio Conte, habe ihm am Ende der letzten Saison per SMS mitgeteilt, dass man in London nicht mehr mit ihm plane. Der Spanier mit brasilianischem Pass war beleidigt, einen Star wie ihn stellt man nicht einfach so aufs Abstellgleis.

Atletico-Boss: "Pyjamas haben viele Farben"

In der Vorbereitung zur aktuellen Saison wurde die Situation immer kurioser: Costa verbrachte den gesamten Sommer bei seinen Verwandten in Brasilien, anstatt mit Chelsea ins Trainingslager zu fahren. Er zeigte sich auf sozialen Netzwerken öfter im Trikot von Atletico als in dem der Blues.

Angesprochen auf den offenkundigen Flirt mit einer Rückkehr nach Madrid erklärte Atletico-Präsident Enrique Cerezo der AS wenig beeindruckt: "Pyjamas gibt es in allen möglichen Mustern und Farben. Jeder darf das tragen, was er möchte."

Für die Rojiblancos hatte Costa bereits von 2012 bis 2014 gestürmt.

Atletico Madrid: Transfersperre bis 2018

Fakt ist, Cerezo hätte gar nichts anderes sagen dürfen. Atletico wurde von der FIFA wegen Verstößen gegen Auflagen im Zusammenhang mit Transfers von Minderjährigen mit einem Transferstopp für das gesamte Jahr 2017 belegt. Während dieser Sperre hätten öffentliche Aussagen bezüglich Transfers die FIFA weiter ermutigt, streng gegen Atletico vorzugehen.

Nun, da sich Chelsea mit Atletico auf einen Transfer im kommenden Januar geeinigt hat, wird immer klarer, dass sich Costa seine Situation beim FC Chelsea selbst eingebrockt hat.

Diego Costa: Interesse aus China

Bereits inmitten der vergangenen Saison war Costa in Gespräche mit Tianjin Quanjian eingetreten, einem Verein aus der Chinese Super League. Mit einem unwiderstehlichen Angebot wollte man Costa im winterlichen Transferfenster nach Asien locken, doch Chelsea verwehrte ihm damals die Freigabe.

Der 28-Jährige verpasste zwei Matches aufgrund der unklaren Situation. Conte wollte Costa nicht auflaufen lassen, während dieser nebenbei mit anderen Vereinen liebäugelte. Die Beziehung der beiden erlitt einen Dämpfer, Conte spricht heute von Vertrauensbruch.

Dieses Intermezzo schien sich auch auf die Leistungen Costas auf dem Platz auszuwirken: Erzielte Costa vor dem Winter noch 14 Tore in 19 Spielen, waren es im Frühjahr nur noch 6 Tore in 16 Matches. Bereits in der zweiten Ära unter Jose Mourinho hatten Unstimmigkeiten mit dem Trainer einen Leistungseinbruch bei Costa zur Folge gehabt.

Costa will Abgang von Chelsea erzwingen

Nach einer immer noch soliden Rückrunde war plötzlich auch Costa klar, dass er auf einen Transfer zu seinem Lieblingsverein noch warten müsste. Er bekam kalte Füße, war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob Atletico ihn nach einem halben Jahr Urlaub in Brasilien überhaupt noch verpflichten möchte. Daher versuchte er, einen Transfer zu erzwingen.

Der Angreifer entschied sich dazu, gegen Chelsea zu wettern und so öffentlich Druck zu machen: Die klare Absage per SMS sei unfair. Man werde alle rechtlichen Optionen überprüfen, um den Klub für sein Verhalten verantwortlich zu machen, ließ Costas Anwalt Anfang August ausrichten.

Dabei waren auch die Blues selbst an einem Transfer von Costa interessiert. Der energische Stürmer war für Conte auf Dauer mehr Übel als Wohl für die Mannschaft. Dem italienischen Trainer wird nachgesagt, dass er von seinen Spielern höchste Disziplin verlange.

Eine Eigenschaft, die als Spieler in Italien von ihm selbst immer eingefordert wurde. "Als ich noch aktiv war, hatten Lippi, Trapattoni, Ancelotti und Sacchi die absolute Kontrolle über die Kabine," sagt Conte, der überzeugt ist, dass Strenge zum Erfolg beiträgt: "Der Trainer muss das Sagen in der Umkleide haben, sonst herrscht Anarchie."

Antonio Conte froh, wenn Morata "Tochter heiraten würde"

Zudem hatte Chelsea für die nächste Saison ohnehin schon einen Ersatz für Costa gefunden. Die Blues ließen sich die Fähigkeiten von Alvaro Morata 62 Millionen Euro kosten. Aber auch menschlich ist Conte beeindruckt vom spanischen Neuzugang: "Er ist ein super Typ. Wenn du eine Tochter hast, wärst du froh, wenn einer wie er sie heiraten würde!"

Deshalb steckten die Verantworlichen von Chelsea und Atletico die Köpfe zusammen, um sich über Möglichkeiten eines verfrühten Transfers auszutauschen. Letztlich einigten sie sich auf einen Vorvertrag, der es Atletico erlaubt, Costa im Januar für ebenfalls 62 Millionen Euro von Chelsea loszulösen. Conte hat Costa mittlerweile öffentlich für seine Leistungen gedankt, Costa spricht davon, dass mit Conte "alles cool" sei.

Cesc Fabregas findet für den Wechsel seines Nationalteam-Kollegen klare Worte: "Es ist eine Schande. Diego wusste: Wenn er bei Atletico unterschreibt, kann er mehrere Monate nicht spielen," so Fabregas gegenüber Marca. "Es war sowohl für ihn als auch für Chelsea eine schwierige Situation. Es ist falsch gewesen."

Atleticos Sturm: Griezmann, Costa, Torres

Zusammen mit seiner Familie ist Costa schon nach Madrid übergesiedelt und wird sich bis Januar bei den Rojiblancos fit machen. Ein Transfer in der transferfreien Zeit, wenn man so will. Im Juli hatte sich Atletico bereits die Dienste von Vitolo vom FC Sevilla gesichert, ihn aber aufgrund des Transferverbots sofort bis Jahresende an UD Las Palmas weiterverliehen. Regeln sind da, um umgangen zu werden.

Atletico absolvierte alle Spiele in dieser Saison mit einem 4-4-2. In dieser Formation würde der zweikampfstarke Costa mit dem agilen Antoine Griezmann ein bärenstarkes Duo formen. Derzeit stürmt Angel Correa neben Griezmann, Luciano Vietto ist die Nummer drei in der Hackordnung von Trainer Diego Simeone. Zudem kam Kevin Gameiro nach überstandener Leistenverletzung im letzten Ligaspiel zu seinem zweiten Einsatz der Saison.

Für den Fanliebling Fernando Torres wird die Luft mit seinen 33 Jahren nach dem Costa-Transfer immer dünner. Er könnte aber vor allem dann wieder eine Rolle spielen, wenn die Gerüchte eines möglichen Abgangs von Griezmann wieder angeheizt werden.

Costa fürchtet Trainings, Präsident findet Urlaubsspeck normal

In Madrid freut man sich schon auf den Heimkehrer. "Diegos Ankunft macht uns alle sehr glücklich", sagte Trainer Diego Simeone. Costa selbst spricht davon, überglücklich zu sein, dass er wieder zu Hause ist, wenn auch ein kleiner Wermutstropfen mitschwingt: "Ich habe Angst vor den berüchtigten Trainings von Fitnesscoach Oscar Ortega!"

Costa wird nachgesagt, bei seinem Brasilien-Aufenthalt einige Kilos zugenommen zu haben. "Soviel ich weiß, ist Costa ein ausgezeichneter Profi," macht sich Atletico-Boss Cerezo wenig Sorgen um die Fitness seines Neuzugangs und schiebt hinterher: "Im Urlaub ist es normal, wenn man ein bisschen fett wird."

Keine Spur mehr von Verzweiflung bei Diego Costa. Eventuell braucht es weitere drastische Maßnahmen, um sich in Form zu bringen. Dann könnte er im stark besetzten Sturm von Atletico auch wieder kriminell gut funktionieren.

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