Philippe Christanval: Die Geschichte eines fast vergessenen Barca-Spielers

Von Maximilian Schmeckel
Bei seinem Wechsel zum FC Barcelona war Philippe Christanval siebtteuerste Spieler der Vereinsgeschichte.
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Der Beginn der Tortur

Er riss sich das Kreuzband, spielte nur noch fünfmal für die Blaugrana, wo er im Sommer 2003 keine Perspektive mehr sah. Es war nicht nur das Sportliche, das ihn zu einer Rückkehr in seine Heimat bewegte, sondern vor allem das Emotionale. Denn, sich durch die Reha zu quälen, nicht spielen zu können, nicht mehr nach dem nächsten Level zu streben, sondern zurückgeworfen worden zu sein, war für ihn, der immer nur die Richtung vorwärts kannte, eine Qual.

So wechselte er zu Olympique Marseille, wo er unter anderem auf Didier Drogba traf, der einmal sagte. "Mein bester Gegenspieler war Christanval. Jedes Training, in dem ich gegen ihn spielte, war eine große Herausforderung." Im Süden seiner Heimat wurde er mit 24 Kapitän, ein Zeichen für seine herausragenden Anführer-Qualitäten. Doch auch hier setzte die Tragik so manchen Fußballer-Schicksals ein. Das Knie streikte, er kam aus dem Tritt, verletzte sich nach mageren 13 Spielen so schwer, dass er monatelang aussetzen musste. Der emotionale Fall wollte nicht enden. Sein Körper, der ihm bis dato so treue Dienste geleistet hatte und auf den er sich blind verlassen konnte, sorgte dafür, dass sein Stern, der gerade erst leuchtend hell am Firmament erschienen war, rasend schnell verglühte.

Über Marseille und Fulham zum bitteren Ende

Er trainierte zeitweise mit der zweiten Mannschaft, das Geschäft machte weiter, die Zeitungen, die ihm hymnische Preisungen gewidmet hatte, vergaßen ihn. Neue Verteidiger erschienen auf der Bildfläche. Christanval galt bald als gescheitert - und war zu reflektiert, um das einfach so hinzunehmen. Er quälte sich mit Was-hätte-sein-können-wenn-Gedanken. Er wechselte nach England zum FC Fulham, spielte dort auch regelmäßig, das Leichte, Mutige und Innovative blitzte aber nur noch selten in seinem Spiel auf.

Immer wieder hatte er Kniebeschwerden oder aus dem Nichts auftauchende Hüftschmerzen. In der Saison 2007/08 brachte er es mit 29 nur zu einem einzigen Einsatz und wurde danach fallen gelassen. Er erhielt Angebote von Klubs, die sich mit dem Ruhm eines ehemaligen Nationalspielers und Megatalents schmücken wollten. Und in seinem Kopf kreisten immer weiter dunkle Gedanken, die ihm an manchen Tagen sogar das Aufstehen aus dem Bett unmöglich machten. Also zog er die Reißleine und beendete mit 30 Jahren seine Karriere. Sieben Jahre, nachdem ihm die Welt zu Füßen gelegen hatte, lag er nun selbst auf dem Boden, unfähig, aus eigener Kraft aufzustehen.

Durch eine Reise zur Rettung

Er ließ alles hinter sich und reiste um die Welt. Er las keine Zeitung, ließ den Laptop daheim. Es war eine Reise, die seine ganz persönliche Katharsis wurde. "Ich wollte mich vom Rest der Welt trennen. Der ganze Druck war verschwunden und es war so wichtig für mich, emotional und physisch wieder auf die Beine zu kommen. Es hatte die Jahre zuvor eine immerzu andauernde Müdigkeit eingesetzt. Ich brauchte diese Zeit, um mich selbst wieder zu erkennen", sagte er SO FOOT .

Er kehrte nie wieder in das Business zurück, das ihn groß gemacht hatte und dann fallen ließ. "Fußball ist ein Geschäft. Es geht um Leistung und finanzielle Werte der Spieler und nicht um ihre Persönlichkeit", sagte er. Heute arbeitet er als Immobilienmakler, hat ein Büro, eine Familie. Das Leben ist langsamer geworden. Nebenbei betreibt er eine Fußballschule für Waisen in Dakar. Der Grund: "Im Senegal geht es den Leuten noch viel schlechter, als es uns in Sarcelles ging, obwohl auch wir es nicht immer leicht hatten."

Action nur noch ganz selten

Er trägt Verantwortung. Für seine Kunden, seine Familie, die Kinder in Dakar. Er wird gebraucht. Und hat längst aufgegeben, immer nach dem höher liegenden Ast zu greifen. Der Traum, den er als Kind hatte, in der NBA mit Michael Jordan zu dunken und das Gefühl zu haben, fliegen zu können, hat er aufgegeben. Denn er musste lernen, dass es im Leben zwei Richtungen gibt.

Manchmal aber nimmt er sich eine Auszeit und sucht den kurzen Nervenkick. Dann springt er aus Flugzeugen und kann tatsächlich für einen Moment fliegen oder stürzt sich in Schlauchbooten Wildwasser-Flüsse hinunter. Dann ist es wieder kurz da, dieses Gefühl, das ihn immer begleitete und dessen plötzliches Ausbleiben die wahre Tragik seiner Karriere darstellt. Dann schließt er die Augen und spürt das Kratzen am Limit wieder. Immer höher, immer weiter, immer schneller.

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