Wenn der viel zu früh verstorbene langjährige Apple-Chef Steve Jobs etwas zu verkünden hatte, sagte er am Ende seiner Keynotes "One more thing". Und dann stellte der legendäre Visionär quasi nebenbei noch die tollsten Gadgets vor, die alle haben wollten und unser Leben verändert haben.
Als Josep Maria Bartomeu Dienstagabend endlich seinen viel zu späten, aber immerhin sofortigen Rücktritt als Präsident des FC Barcelona verkündete, sagte er am Ende, er könne "außergewöhnliche Neuigkeiten mitteilen".
Und kündigte nebenbei die Teilnahme Barcas an einer künftigen europäischen Superliga an. Eine Idee, ungefähr so innovativ wie Uli Hoeneß' Faxgerät daheim am Tegernsee und ungefähr so aufregend wie ein abgestandener Altherrenwitz. Aber leider ebensowenig totzukriegen.
Gedankenspiele über eine Superliga, in der sich die besten, reichsten und gierigsten Fußballklubs zusammenschließen, um dann endlich unter sich sein zu können, gibt es bereits seit den 1980er Jahren.
Superliga ist ein Phantomwettbewerb
Bevorzugt werden die im Grunde immer gleichen Pläne mit immer neuen Namen - aktuell soll der Zombie European Premier League genannt werden - immer dann herausgeholt, wenn mal wieder neue Verhandlungen über die Verteilung der Geldtöpfe anstehen.
2018 etwa, als vor allem Real Madrids Präsident Florentino Perez und die spanische Investmentfirma Key Capital Partners bei den Eliteklubs der europäischen Eliteklubvereinigung ECA für den elitären Zirkel Superliga trommelten, verschwanden die Pläne sehr schnell wieder in der Schublade. Denn die UEFA kam den Klubs beim neuen bis 2024 laufenden Champions-League-Vertrag weiter entgegen.
Die Superliga ist ein Phantomwettbewerb. Ein Projekt, das man sich nur um 5 Uhr morgens an der Bar überlegen und gut finden könne, wie es der spanische Ligachef Carlos Tebas zuletzt formulierte. Erdacht von erschreckend gedankenarmen sportpolitischen Wiedergängern, die ablenken wollen vom eigenen Versagen. Ein vegiftetes Erbe, nach dem Diktatoren-Motto: Nach mir die Sintflut!
Superliga: Corona könnte Dynamik verschärfen
In einigermaßen normalen Zeiten wäre jedes weitere Nachdenken über das billige Ablenkungsmanöver von Bartomeu und Co. eigentlich nicht die Mühe wert. Unter Bartomeus Führung wurde der Verein finanziell an den Rand des Ruins geführt. Unter Bartomeus Aufsicht wurde mit Klubgeldern eine Schmutzkampagne finanziert, um in den sozialen Netzwerken mit Fake Accounts kritische Klublegenden zu diffamieren.
Der Präsident hat den Klubheiligen Lionel Messi beinahe vertrieben und dann zum Bleiben gezwungen. Mehr als 20.000 Mitglieder haben ein Referendum über seine Absetzung angestrengt. In normalen Zeiten könnte man froh sein, dass Bartomeu Geschichte ist und sich dann noch empörungswürdigeren Dingen widmen.
Doch die Zeiten sind leider nicht mal annähernd normal. Corona hat dazu geführt, dass sich jahrelange Misswirtschaft nun auch im Fußballgeschäft rächen könnte. Barca etwa steht das Wasser wirklich bis zum Hals.
Wehe, wir gewöhnen uns daran!
Die Grenzen des Wachstums könnten erreicht sein. Zumindest mit den etablierten Wettbewerben und den bekannten Vermarktungsmöglichkeiten. Die Geisterspiele verändern außerdem die Art, wie wir - und die Akteure - Fußball erleben: Das Produkt ist schon jetzt synthetischer geworden. Wehe, wir gewöhnen uns daran!
Niemand mit einem Funken Restverstand kann eine privat organisierte Superliga wollen. Ohne Auf- und Abstieg, finanziert durch womöglich ähnliche Gestalten wie jenen, denen FIFA-Boss Gianni Infantino gerade Wettbewerb um Wettbewerb zuschachert. Noch weniger braucht es eine solche Liga mitten in einer Pandemie, die nicht mal eben bald wieder verschwinden wird. Jedoch hat dieses Virus schon ganz anderen, weniger gierigen Menschen den Verstand geraubt.
Bartomeus Ablenkungsmanöver darf darum nicht zum Sündenfall werden. Sonst wird aus dem Fußball ein Zombie.