Messis Verbleib wieder wahrscheinlicher? Die Folgen des Bartomeu-Rücktritts

Kerry Hau
28. Oktober 202011:45
Beim FC Barcelona herrscht nach dem Bartomeu-Rücktritt das blanke Chaos.spox
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Das Führungsbeben beim FC Barcelona hat seinen Höhepunkt erreicht: Der stark in die Kritik geratene Josep Bartomeu legt sein Amt als Präsident nieder, mit dem 57-Jährigen treten auch die restlichen Vorstände zurück. Wie geht es nun weiter? Fragen und Antworten zu den Folgen des Bartomeu-Rücktritts.

Wer übernimmt bis zur Bestimmung eines neuen Präsidenten das Ruder bei Barca und was sind seine Aufgaben?

Ein Verwaltungsausschuss vertritt fortan interimsweise die Interessen des Klubs. An dessen Spitze: Carles Tusquets, der bisherige Vorsitzende des Wirtschaftskomitees. Der 69-Jährige kennt sich bestens bei Barca aus. Tusquets wurde bereits im Alter von 27 zum Schatzmeister ernannt und leitete unter anderem die Verpflichtung von Diego Maradona im Jahre 1982 in die Wege.

Um Transfers wird er sich nun aber nicht kümmern: Seine Hauptaufgabe wird sein, die Wahl des neuen Präsidiums in die Wege zu leiten. Nebenbei muss Tusquets auch noch dafür sorgen, dass die gesamte Mannschaft dem Corona-bedingten Gehaltsverzicht zustimmt. Zuletzt verweigerten sich mehrere Topverdiener wie Lionel Messi.

Eine weitere Herausforderung für den Interimsvorstand deutete Bartomeu ganz nebenbei im Rahmen seiner Abschiedspressekonferenz an. Eine seiner letzten Amtshandlungen sei nämlich gewesen, der Gründung einer europäischen Superliga zugestimmt zu haben, in der die absoluten Top-Klubs des Kontinents gegeneinander antreten sollen. Was es damit genau auf sich hat, ist bisher nicht überliefert. "Mit seinen Aussagen zu dieser Superliga hat Bartomeu auch innerhalb des Vereins viele überrascht", sagt Ignasi Oliva, Barca-Korrespondent für Goal in Spanien.

Wann wird ein neuer Präsident gewählt?

Den Klubstatuten zufolge muss innerhalb der nächsten drei Monaten ein Nachfolger für Bartomeu bestimmt werden, also bis Ende Januar.

Barca-Experte Oliva: "Man kann davon ausgehen, dass die Wahlen allein wegen der Corona-Krise erst im neuen Jahr stattfinden. Es ist auch noch nicht klar, wer bereit ist, sich zur Wahl zu stellen. Die Vorbereitungen werden noch ein paar Wochen in Anspruch nehmen."

Ursprünglich sollten die Wahlen übrigens im Sommer 2021 stattfinden, Bartomeu wollte sie vor seinem Rücktritt aber bereits auf April vorverlegen.

Welche Kandidaten gibt es?

Eine offizielle Kandidatenliste hat der Klub noch nicht veröffentlicht. Bisher haben aber fünf Personen in verschiedenen Interviews angegeben, sich zur Wahl stellen zu wollen.

  • Victor Font (48): Der CEO des auf Telekommunikation spezialisierten Dienstleistungsunternehmens Delta Partners Group kündigte bereits 2018 an, sich zur Wahl stellen zu wollen. Ihm werden gute Chancen attestiert. Sein Versprechen: Er will Xavi Hernandez zum neuen Trainer machen.
  • Lluis Fernandez Ala (53): Ein im Barca-Kosmos weniger bekannter Kandidat, der unter anderem als Betriebswirtschaftsberater in Sant Cugat del Valles, einem Vorort von Barcelona, tätig ist. Er verspricht "ein großes Projekt mit großen Namen". Welche Namen, das ist bisher nicht bekannt.
  • Jordi Farre (45): Der Ingenieur aus L'Hospitalet de Llobregat machte sich bei vielen Barca-Mitgliedern beliebt, indem er das Misstrauensvotum gegen Bartomeu kurz nach der historischen 2:8-Pleite gegen den FC Bayern in die Wege leitete. Seither gibt er fast jede Woche ein Interview, in dem er großspurig versichert, Barca vor dem wirtschaftlichen Ruin retten und sportlich wieder salonfähig machen zu wollen. Er habe gar Kontakt zu Top-Trainern wie Jürgen Klopp aufgenommen.
  • Toni Freixa (52): Ein Name, der jedem Barca-Socio geläufig ist. Freixa arbeitete viele Jahre als Sprecher und Funktionär im Verein, 2015 stellte er sich schon zur Wahl. Im Interview mit SPOX und Goal Ende August kündigte der katalanische Anwalt an: "Ich stelle gerade ein starkes Team mit Leuten zusammen, deren Identifikation mit dem Verein groß ist."
  • Agusti Benedito (56): Der Unternehmer aus Barcelona stellte sich bereits 2010 und 2015 zur Wahl, hatte jedoch das Nachsehen. Als bekennender Bartomeu-Gegner versuchte Benedito, den inzwischen zurückgetretenen Präsidenten auch schon 2017 zu stürzen, sein Misstrauensvotum stieß unter den Mitgliedern jedoch auf wenig Gehör. Wie Freixa verspricht auch er ein Projekt, "mit dem sich jeder Cule identifizieren kann".

Zudem mehren sich in Spanien die Spekulationen, wonach der von 2003 bis 2010 als Präsident fungierende Joan Laporta an einer Rückkehr arbeite. Sollte der 58-Jährige tatsächlich kandidieren, hätte er die wohl besten Chancen. Wie Font soll auch Laporta ein Projekt mit Xavi als Trainer anstreben. "Es wurde auch Zeit", schrieb Laporta nur wenige Minuten nach Bartomeus Aus am Dienstagabend auf seinem Twitter-Kanal. "Endlich ist der Weg frei, um den Klub wiederaufzurichten."

Wie geht es mit Messi weiter?

Mit seiner spätsommerlichen Drohung, Barca zu verlassen, brachte Messi die Lawine der Kritik an Bartomeu endgültig ins Rollen. Der Superstar war intern der größte Gegner des Präsidenten und machte aus seiner Unzufriedenheit über dessen Entscheidungen keinen Hehl.

Die Ankunft eines neuen Präsidenten könnte helfen, dass Messi seinen im kommenden Juni auslaufenden Vertrag verlängert. Eine Garantie dafür ist diese aber nicht.

"Es hängt davon ab, welcher Präsident kommt und was er ihm bietet", sagt Barca-Experte Oliva. Zu Laporta pflegt Messi seit vielen Jahren ein enges und freundschaftliches Verhältnis, mit den restlichen möglichen Kandidaten hingegen hatte der Argentinier bis dato kaum oder keine Berührungspunkte.

"Ein Problem", glaubt Oliva, "ist die Zeit". Messi kann ab 1. Januar mit anderen Vereinen verhandeln.

"Bis dahin wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch kein neuer Präsident da sein, der ernsthafte Verhandlungen mit dem Spieler aufnehmen kann. Es kommt also auch darauf an, ob Messi bereit ist, geduldig zu sein", so der Barca-Kenner. Eine seriöse Prognose zur Zukunft von "La Pulga" lässt sich also wohl erst im Frühjahr abgeben.