Lionel Messis Ära beim FC Barcelona endet nach fast 21 Jahren mit einem unschönen Knall. Wieso Barca den Superstar gehen lassen musste, was das für Sergio Agüero bedeutet und was die Super League mit dem spektakulärsten Abgang des Jahres zu tun haben könnte.
Sogar Luisa Neubauer hat sich geäußert. Die Klima-Aktivistin und Deutschlands bekannteste Vertreterin von Fridays for Future, bisher nicht unbedingt als fußballaffin bekannt, machte Lionel Messi das Angebot, sich ablösefrei der Klimabewegung anzuschließen.
Sein Gehalt müsste der Vielflieger dann vermutlich aber selbst zahlen.
Aber bevor es an dieser Stelle zu random wird: Die Fragen und Antworten zu Messis Ende beim FC Barcelona.
Wieso konnte Barca Messi doch nicht unter Vertrag nehmen?
Am Donnerstagabend hatte der Klub die Bombe noch in einer dürren, drei Sätze langen und irgendwie beleidigt klingenden Mitteilung begründet und vor allem den spanischen Ligaverband und seine Regularien für das Ende der Traum-Ehe nach fast 21 Jahren verantwortlich gemacht. "Obwohl zwischen dem FC Barcelona und Leo Messi eine Einigung erzielt wurde und beide Parteien die klare Absicht hatten, heute einen neuen Vertrag zu unterzeichnen, kann dieser aufgrund wirtschaftlicher und struktureller Hindernisse (Bestimmungen der spanischen LaLiga) nicht finalisiert werden", hatte es geheißen.
Am Freitag relativierte Präsident Joan Laporta die Mitteilung etwas. "Wir haben keinen Handlungsspielraum. Unser Gehaltsniveau ist auch ohne Messi zu hoch", sagte er und ratterte im Laufe der fast 90-minütigen Pressekonferenz (LIVETICKER zum Nachlesen) mit einer gewissen Schonungslosigkeit die Horror-Zahlen herunter:
- Der FC Barcelona habe in der vergangenen Saison 110 Prozent seiner Einnahmen für Spielergehälter ausgegeben. Barca zahlt den Spielern also mehr, als der Klub überhaupt eingenommen hat.
- Der Verlust in der vergangenen Spielzeit werde zudem nicht 200 Millionen Euro betragen, mit denen Laporta und seine Leute aufgrund der vom Vorgänger-Präsidium präsentierten Zahlen gerechnet hatten, sondern 487 Millionen Euro. "Die Verluste sind viel größer, als wir erwartet hatten und man es uns gesagt hatte. Und wir geben mehr aus als erwartet", sagte Laporta.
- Auch ohne Messi und obwohl zahlreiche Spieler einem Gehaltsverzicht bereits zugestimmt hätten, würde man nach aktuellem Stand 95 Prozent der Einnahmen an die Spieler zahlen müssen.
- Um die Regeln des ligainternen Financial Fairplays einzuhalten, müsste Barca, um einem neuen Spieler beispielsweise 25 Millionen Euro zahlen zu können, zunächst 100 Millionen Euro einsparen.
Laportas Fazit: "Es gibt objektive Gründe, warum wir diese Entscheidung treffen mussten, es geht um die ökonomische Situation des Klubs. Wir hätten den Verein in große Gefahr gebracht."
Messis Vertrag doch nicht zu verlängern und die vorher erzielte Einigung doch noch zu brechen, sei "die einzige Möglichkeit" gewesen. "Leo wollte bleiben, wir wollten, dass er bleibt. Aber wir konnten es nicht machen", sagte Laporta.
"Der Klub ist über 100 Jahre alt und steht über allem und jedem, auch über dem besten Spieler der Welt, dem wir für immer dankbar sein werden", sagte der Präsident.
Verantwortlich für das Schlamassel machte Laporta, der vor seiner Wahl im März immer wieder versprochen hatte, dass Messi unter ihm seinen Vertrag verlängern werde, seinen Vorgänger Josep Bartomeu und seine Leute. "Hauptschuldig an der Situation ist die katastrophale Führung des vorherigen Vorstands. Es sind schreckliche Entscheidungen getroffen worden."
Er selbst fühle sich "nicht verantwortlich. Ich habe lediglich gesagt, dass wir alles tun werden, damit Messi bleibt - im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Wir hatten ja eine Einigung erzielt."
Lionel Messi: Seine Statistiken für FC Barcelona in jedem Wettbewerb
Wettbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen |
LaLiga | 520 | 474 | 217 |
Champions League | 149 | 120 | 42 |
Copa del Rey | 80 | 56 | 36 |
Supercopa | 20 | 14 | 6 |
Klub-WM | 5 | 5 | 1 |
UEFA Super Cup | 4 | 3 | 3 |
Auf was für einen Vertrag hatte sich der FC Barcelona mit Messi geeinigt?
Laut Laporta hatten sich die Verhandlungspartner zunächst auf einen Vertrag über zwei Jahre geeinigt. Das Gehalt hätte Barcelona dann in fünf Jahren abgestottert. "Wir waren überzeugt, dass es eine gute Vereinbarung für das Financial Fair Play war, aber La Liga hat sie nicht akzeptiert", sagte Laporta. Daraufhin habe man sich auf einen Fünfjahresvertrag zu entsprechend reduzierten Konditionen geeinigt mit der Option, sich nach zwei Jahren noch einmal zusammenzusetzen und die Konditionen zu besprechen; Messi habe ursprünglich für die Zeit nach 2023 "etwas anderes im Kopf" gehabt.
Messi soll für seinen am 30.6.2021 abgelaufenen Vertrag 555 Millionen Euro seit 2017 kassiert haben. Zuletzt war über ein Gehaltsvolumen von 50 Millionen Euro pro Jahr spekuliert worden.
Messi hat alles versucht, "um es uns so leicht wie möglich zu machen", sagte Laporta am Freitag und lobte auch Messis Vater und Berater Jorge. "Er hatte eine sehr korrekte Haltung, es wurde nie etwas verlangt, was in Verhandlungen nicht üblich ist. Es gab Hochs und Tiefs, aber nie eine Situation, in der ein Vertrag nicht möglich war", sagte Laporta.
Doch auch der Fünfjahresvertrag habe nicht den Regularien des Ligaverbands entsprochen. Daher entschied Laporta am Mittwoch, Messi gehen zu lassen. Am Donnerstag teilte er dies Jorge Messi, der eigentlich nach Barcelona gereist war, um den neuen Vertrag zu unterschreiben, mit.
Was hat es mit dem La-Liga-Vertrag mit Investor CVC auf sich?
Am Mittwoch hatte LaLiga bekanntgegeben, dem Private-Equity-Unternehmen CVC, dem unter anderem die Formel 1 gehört, für 2,7 Milliarden Euro zehn Prozent der Anteile verkaufen zu wollen. 90 Prozent der Kaufsumme sollten unter den Klubs aufgeteilt werden, Barca würde mit rund 250 Millionen Euro partizipieren.
Am Donnerstag hatte sich erst Real Madrid, dann auch der FC Barcelona gegen den Anteilsverkauf ausgesprochen.
"Barca hätte einer Operation zustimmen müssen, die Einfluss gehabt hätte auf die Fernsehrechte der nächsten 50 Jahre", sagte Laporta. Im Lauf der Pressekonferenz kam er immer wieder auf das Thema zurück. "Wenn wir den Vertrag mit LaLiga abgeschlossen hätten, hätten wir 50 Prozent mehr an Gehaltsspielraum gehabt, aber Kontrakte gehabt, aus denen wir nicht mehr herausgekommen wären", ergänzte er etwa. Oder später: "LaLiga wollte Messi in der Liga halten, aber es gibt Klubs, die wollen, dass die Regeln eingehalten werden. Es kann keine Ausnahme gemacht werden, auch wenn das bedeutet, dass Leo die Liga verlässt. Wir waren über dem Salary-Cap-Limit, so einfach ist das. Wir werden das nicht ändern, indem wir unsere audio-visuellen Rechte für die nächsten 50 Jahre verkaufen."
Real Madrid will offenbar Klage einreichen gegen LaLiga und CVC, Laporta kündigte an, dass "wir wegen der Kurzfristigkeit handeln müssen".
Der Widerstand der beiden Großklubs gegen den Deal dürfte mit den eigenen Bestrebungen zusammenhängen: sowohl Real Madrid, als auch der FC Barcelona verfolgen weiterhin den Plan, die Super League zu gründen. Und was könnte man möglichen Investoren dieses Projekts besseres anbieten als audio-visuelle Rechte? Am Ende könnte indirekt auch der Konflikt um die Super League dazu geführt haben, dass Messi künftig nicht mehr beim FC Barcelona spielt und LaLiga nach Cristiano Ronaldo, Neymar und Sergio Ramos das nächste Aushängeschild verliert. Absurde Pointe? Willkommen im modernen Fußball.
Könnte es doch noch zu einer Einigung kommen zwischen Barcelona und Messi?
Das scheint ausgeschlossen. "Ich möchte keine falschen Hoffnungen machen. Diese Verhandlung ist abgeschlossen", sagte Laporta. Die finanzielle Situation lasse das nicht zu, das Gehaltsvolumen sei zu hoch. "Die Einigung, die wir mit Leo Messi erzielt hatten, entsprach leider nicht den Anforderungen der Liga", sagte Laporta. "Wir müssen die Situation akzeptieren. Wir brauchen Zeit, um unsere finanzielle Situation zu lösen."
Auch ohne Messi liege noch "viel Arbeit" vor dem Klub. "Er hat Geschichte geschrieben, ist der Spieler mit dem größten Erfolg in der Geschichte des Klubs. Ich hoffe, dass wir über die Situation hinwegkommen, jetzt startet eine neue Ära. Er hat uns viel Freude gegeben und Erfolg."
In der vergangenen Saison hatte Messi angenommen, durch seine mittlerweile legendäre Kündigung per Burofax der 700 Millionen Euro teuren Ablöseklausel zu entkommen und somit ablösefrei zu Manchester City (oder Paris Saint-Germain) wechseln zu können. Da er seinen Klub nicht verklagen wollte, blieb er doch, erklärte er damals in einem exklusiven Interview mit SPOX und Goal.
Nun ist er ohnehin seit Juli ohne Vertrag, er hatte sich bewusst entschieden, bei Barca zu bleiben. "Er hatte Angebote von anderen Klubs, die ihm mehr geboten hatten als wir", sagte Laporta.
Kann Barcelona Memphis Depay, Eric Garcia und Sergio Aguero unter Vertrag nehmen?
Ganz sicher ist das nicht. "Nach unseren Berechnungen können wir Memphis Depay, Eric Garcia and Kun Agüero registrieren. Ich hoffe, es gibt keine Probleme, auch weil die Spieler Anstrengungen unternommen haben, um sich Barca anzuschließen", sagte Laporta.
Klar ist aber auch: Momentan ist das Gehaltsvolumen weiterhin zu hoch.
Die bereits feststehenden Abgänge von Junior Firpo, Francisco Trincao, Konrad De La Fuente, Jean-Clair Todibo und Matheus Fernandes - alle höchstens Ergänzungsspieler - reichen bei Weitem nicht aus, um das Niveau entscheidend zu drücken.
Die Großverdiener Samuel Umtiti, Philippe Coutinho und Miralem Pjanic stehen auf der Verkaufsliste oder sollen zumindest verliehen werden. Einsparpotential angeblich: 90 Millionen Euro - eigentlich immer noch zu wenig.
Womöglich wäre es zumindest einem der Neuzugänge gar nicht mal so unrecht, sollte die Registrierung bei Barca doch nicht klappen: Agüero war laut eigener Aussage im Sommer vor allem deswegen von Manchester City zu Barca gekommen, um mit seinem Nationalmannschaftskapitän endlich auch im Klub zusammenzuspielen.
Wie geht es jetzt mit Messi weiter?
Laut The Athletic soll Messi bereits am Donnerstag Abend Kontakt zu Mauricio Pochettino aufgenommen haben, was der Trainer von Paris Saint-Germain am Freitag jedoch dementierte. Gerüchten aus Frankreich zufolge soll sich Messi aber bereits für PSG entschieden haben. Erste Vertragsdetails kursieren bereits im Netz. PSG, das diesen Sommer unter anderem schon Real-Legende Sergio Ramos ablösefrei unter Vertrag nahm und wo Messi zusammen mit seinem alten Barca-Kollegen Neymar zusammenspielen könnte, ist im Grunde auch die einzige ernsthafte Option für den 34-Jährigen.
Manchester City verabschiedete sich bereits von einer möglichen Messi-Verpflichtung: "Wir haben 114 Millionen Euro für Jack Grealish ausgegeben. Er wird die Nummer 10 tragen, weil wir von Grealish überzeugt waren und weil wir davon überzeugt waren, dass Leo bei Barcelona bleiben würde, deshalb denken wir im Moment nicht an ihn", stellte Pep Guardiola am Freitag klar.