Der Schock über den ersten Abstieg in die 3. Liga nach 19 Jahren war in Rostock noch nicht verdaut, als sich an anderer Front bereits ein neuer Hoffnungsschimmer abzeichnete.
Nur zehn Tage nachdem die erste Mannschaft in der Relegation gegen den FC Ingolstadt den Klassenerhalt verpasst hatte, holte sich die U 19 der Rostocker die deutsche Meisterschaft. Mit einem 1:0-Sieg über Bayer Leverkusen gelang dem Team von Ex-Profi Michael Hartmann Historisches: Es ist der erste Jugend-Meistertitel für eine Mannschaft aus dem Osten der Republik. Zufall ist dieser Titelgewinn allerdings nicht. In den vergangenen Jahren hat sich Hansa Rostock zu einem erfolgreichen Ausbildungsverein entwickelt.
Neue Ausrichtung vorgegeben
Die Spieler aus den Jahrgängen 1991 und 1992 krönten die herausragende Nachwuchsarbeit an der Ostsee nun mit dem U-19-Meistertitel - und gaben dadurch sogar eine neue Ausrichtung für die erste Mannschaft vor: Mannschaftliche Geschlossenheit, geprägt durch eine hohe Identifikation mit dem Verein, dem Umfeld und der Region; das sollen die Eckpfeiler für den Erfolg in der 3. Liga sein.
Dafür war allerdings ein Umbruch nötig. 20 Spieler haben den Klub bereits verlassen, darunter gestandene Profis wie Enrico Kern, Tim Sebastian und Bradley Carnell. Im Gegenzug wurden zwölf Neue verpflichtet, die Bekanntestem unter ihnen sind Sebastian Pelzer und Mohammed Lartey, die aus Ahlen kamen.
"Lieber ein Team der Namenlosen"
"Wir wollten lieber eine Mannschaft der Namenlosen, die funktioniert, als Stars, die den Kampf nicht annehmen", sagt der neue Sportdirektor Stefan Beinlich, der die schlechte Stimmung in der Mannschaft als Hauptursache für die schwache letzte Saison ausgemacht hat.
Auch deshalb setzt Hansa gezielt auf den eigenen Nachwuchs. Zum neuen Profi-Kader gehören mit Final-Torschütze Lucas Albrecht und Keeper Kevin Müller auch zwei Spieler aus der eigenen U 19, die den Sprung aus der Meistermannschaft ohne Umwege geschafft haben.
Bereits im letzten Jahr waren Kevin Pannewitz und Felix Kroos, ebenfalls Jahrgang 1991, fester Bestandteil des Profi-Kaders. Zusammen mit Albrecht und Müller schafften damit vier Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in den letzten Monaten den Sprung oben. "Das ist ein absoluter Spitzenwert. Vier von acht Spielern sind jetzt im Profigeschäft, das sind 50 Prozent des Jahrgangs", erklärte der neue Vorstandschef Bernd Hofmann.
Ganzheitlicher Ausbildungsansatz
Insgesamt tummeln sich sogar neun Spieler in der ersten Mannschaft, die verschiedene Phasen ihrer Ausbildung in der Rostocker Nachwuchsakademie absolviert haben. Bereits 1998 intensivierte Hansa mit dem Bau eines der ersten Jugendinternate in Deutschland die Jugendarbeit. Internatsleiter Gerd Ehlers kümmert sich dort mittlerweile seit über zehn Jahren um die 25 Bewohner zwischen 14 und 18 Jahren.
Unterstützt wird er von Sozialpädagoge Thomas Engels, der sich neben der psychologischen Betreuung auch um die Freizeitgestaltung der Nachwuchshoffnungen kümmert.
Da stehen nicht nur Medientraining und Benefizveranstaltungen auf dem Programm, sondern auch gemeinsames Kochen, Berufsorientierung und Arbeit mit Behinderten. "Das machen wir jedes Jahr einmal, damit unsere Jungs kennenlernen, wie lebenswert es auch auf der scheinbaren Schattenseite sein kann", erklärt Engels die Zusammenarbeit mit behinderten Menschen.
Hansa-Nachwuchs soll auf dem Boden bleiben
Hansa besitzt an der Ostsee zwar nicht die neuesten Materialen und modernsten Trainingsanlagen, ist aber dennoch außergewöhnlich gut organisiert und strukturiert. Den Nachwuchshoffnungen werden schon sehr früh wichtige Werte und Normen vermittelt, die sie auf den Profi-Alltag vorbereiten und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen auf dem Boden bleiben.
Heimlicher Vater des Erfolgs ist Nachwuchsleiter Juri Schlünz. Der 49-Jährige, der als Spieler selbst über 350 Partien für Hansa absolvierte, hat sich komplett der Jugendarbeit verschrieben und leistet "seit Jahren großartige Arbeit" (Beinlich).
50 weitere Mitarbeiter kümmern sich sieben Tage pro Woche um die Jungs von der Ostsee. Und trotzdem bleibt der Sprung vom Jugend- in den Herrenbereich natürlich groß.
Roland Kroos übernimmt
Michael Hartmann warnte deshalb bereits, dass es für die Youngster Albrecht und Müller im Profi-Kader nicht leicht werden würde, "den Anschluss zu finden". Der ehemalige Chefcoach der U 19 rückt ebenfalls in die erste Mannschaft auf und kann seine beiden Schützlinge und die zahlreichen anderen jungen Spieler als Co-Trainer des neuen Chefcoachs Peter Vollmann ein wenig unterstützen.
Hartmanns Platz bei der U 19 übernimmt Roland Kroos, Vater von Toni (Bayern) und Felix (Werder Bremen), der zuletzt als Trainer der B-Jugend tätig war. Natürlich soll sich die Erfolgsgeschichte der Jugend fortsetzen, doch der Fokus liegt auf der 3. Liga.
Etat drastisch reduziert
Vor allem finanziell kann sich Hansa dort kaum aus dem Fenster lehnen. Der Etat wurde im Vergleich zur vergangenen Saison um mehr als die Hälfte auf sieben Millionen Euro reduziert. Die 752.000 Euro an Fernsehgeldern wirken wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
"Die 3. Liga ist für uns finanziell und sportlich eine ganz neue Herausforderung, doch wir werden uns damit arrangieren", sagt Beinlich. Für ihn ist dennoch klar: "Dieser Verein gehört weiter nach oben." Neuerdings wirbt der Klub mit dem Motto "Neues Team - neues Spiel - neue Chancen".
Familien statt Chaoten
Besonders Familien sollen sich angesprochen fühlen und in die DKB-Arena kommen. Beinlich: "Wenn die sehen, da ist eine Mannschaft, in der sich jeder für den anderen zerreißt, dann kommen sie auch wieder."
Randalierende Chaoten, die Bengalos zünden und systematisch Polizisten angreifen, wie im letzten Zweitliga-Punktspiel gegen Düsseldorf, werden strengstens verfolgt. Dafür gibt es sogar Fördermittel vom Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung.
Nach dem Hoffnungsschimmer durch die eigene U 19 soll nun schon bald auch die Profi-Mannschaft, das zuletzt zerkratzte Aushängeschild Mecklenburg-Vorpommerns, wieder in neuem Glanz erstrahlen. Mit dem souveränen 3:0 am ersten Spieltag gegen den VfR Aalen wurde zumindest ein Anfang gemacht.