SPOX: Wie liegt Schalkes Nachwuchs im bundesweiten Vergleich? Ihre A-Jugend wurde letztes Jahr Deutscher Meister und steht in dieser Saison erneut im Halbfinale. Die B-Jugend erreichte zuletzt ebenfalls das Halbfinale und scheiterte nur knapp an Hertha BSC.
Elgert: Wir waren schon immer gut und sind aktuell sehr gut. Jedoch heißt das vor allem im Jugendfußball gar nichts. Die Vergangenheit zeigt, dass man besonders dann aufpassen muss, wenn man oben steht. Die Konkurrenz wird als Reaktion auf unsere Erfolge noch mehr forcieren und investieren. Andere Vereine scouten und sehen, wo es gute Fußballer gibt. Daher sind unsere Erfolge Chance und Gefahr zugleich. Wir müssen am Ball bleiben!
SPOX: Mit Tammo Harder, dem in 24 Spielen 20 Treffer und 10 Assists gelangen, wechselt Ihr bester Torjäger ausgerechnet zum Erzrivalen Dortmund. Ärgert es Sie? Oder ist es Teil des Geschäfts?
Elgert: Sie haben recht: Nachwuchsfußball ist ein Geschäft. Oder es wird immer mehr zu einem Geschäft. Für mich stehen die Liebe zum Fußball und das Menschliche im Vordergrund. Damit befasse ich mich lieber. Wenn ich die Realitäten verändern könnte, würde ich es machen, das ist nur nicht möglich. Daher versuche ich es nüchtern zu sehen. Wir wollten Tammo länger an uns binden. Wenn der Spieler sich anderweitig orientiert, können wir ihm nur vom Herzen alles Gute wünschen. Alles andere unterstütze ich nicht. Selbst Dortmund ist für mich eine positive Rivalität, in der Dinge wie Hass und Wut keinen Platz haben sollten, egal welche Spieler abgeworben werden oder nicht.
SPOX: Dortmund buhlte ebenfalls intensiv um Julian Draxler, als dieser in Ihrer A-Jugend spielte.
Elgert: Ich hatte damals keinerlei Bedenken. Julian wurde zwar schon damals gehypt, trotzdem konnte er damit umgehen, weil er bodenständig ist. Ich konnte und kann mir nicht vorstellen, dass er je zum Rivalen wechselt. Geschweige denn, dass er in näherer Zukunft wechselt. Ich glaube, dass er auf Schalke seine Ziele erreichen kann und ihm die nächsten paar Jahre hier sehr gut tun werden. Schalke ist ein Top-Klub, der sich sehr oft in der Champions League bewegt. Warum sollte er nicht lange bleiben?
SPOX: Was auffällt bei Schalke: Nach Draxler verfügt der Verein mit Max Meyer und Donis Avdijaj die nächsten beiden Supertalente für das offensive Mittelfeld und Sturm. Allerdings sind Meyer und Avdijaj mit ihrer kleinen Statur Spielertypen, die früher wegen der körperlichen Voraussetzungen wohl nicht gefördert worden wären. Was steckt dahinter?
Elgert: Das ist kein Schalke-spezifisches Phänomen, sondern ist in einem größeren Kontext einzuordnen. Bis vor einigen Jahren wurde in Deutschland kein Spieler unterstützt, der zwar fußballerisch herausragend war, dafür aber eine Zierlichkeit mitbrachte und nicht mithalten konnte. Ich habe es früher schon nicht verstanden, warum solche Spieler durchs Raster fallen. Das kommt heute Gott sei Dank nicht mehr so oft vor. Es gibt ein neues Bewusstsein und es wird mehr Wert auf Spielintelligenz, taktisches Verständnis und Antizipationsschnelligkeit gelegt. Es ist viel wichtiger geworden, dass man schlau ist.
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SPOX: Können Sie etwas über den bislang eher unbekannten Avdijaj erzählen? Der 16-Jährige verzeichnet in 25 B-Jugend-Bundesliga-Spielen unglaubliche 44 Tore und 14 Assists.
Elgert: So leid es mir tut: nein. Ich mache das Spielchen nicht mit und spreche nicht über einzelne Namen, weil gleichzeitig die anderen Spieler immer zu kurz kommen würden. Ich möchte den Hype nicht noch fördern. Ich bin überzeugt, dass ein Hype in jungen Jahren entwicklungshemmend ist, weil sich die Spieler weiter sehen, als sie sind. Um es klarzustellen: Ich spreche nicht über Max oder Donis, sondern ganz allgemein. Es ist immer besser, Schritt für Schritt zu gehen und sich die nötige Zeit in der A-Jugend zu geben. Wenn ein Ausnahmespieler dabei ist, ergibt sich ohnehin alles von allein.
SPOX: Sie hatten Ende 2010 nur grummelnd akzeptiert, dass Draxler vom damaligen Cheftrainer Felix Magath sehr schnell zu den Profis hochgezogen wurde. Woher kam die Skepsis?
Elgert: Mesut, Manuel Neuer und Benedikt Höwedes spielten die beiden A-Jugend-Jahre komplett durch und wurden zu internationalen Top-Fußballern. Ich behalte die Nachwuchsspieler lieber etwas länger bei mir und gebe ihnen Zeit, bevor etwas überstürzt wird. Es geht mir häufig alles zu schnell. Was die meisten unterschätzen: Bei den Profis zählt auch im Training nur das Gewinnen. Daher sage ich, dass es gut ist, wenn ein Fußballer lange bei mir bleibt. Deswegen hatte ich bei Jule Bedenken, als er zu Felix Magath sollte. Trotz aller Wertschätzung weiß man, dass das Training unter ihm extrem körperlich orientiert ist. Daher hatte ich Angst, dass uns Jule wegbricht. Umso schöner ist es zu sehen, dass es geklappt hat. Jule sagte damals, dass das Zirkeltraining unter Felix Magath nicht härter sei als unter mir. (lacht)
SPOX: Ein weiterer Ex-Spieler von Ihnen könnte nächste Saison eine wichtige Rolle zukommen: Philipp Hofmann kehrt nach der Leihe aus Paderborn zurück und bewirbt sich als erster Backup für Klaas-Jan Huntelaar. Es wäre die Fortsetzung einer erstaunlichen Karriere. Hofmann spielte noch in der C-Jugend in der sauerländischen Provinz und wurde sehr spät gefördert.
Elgert: An Philipp sieht man exemplarisch, dass jeder Karriereplan individuell ist. Und dass es egal ist, ob man mit 17, 18 oder 20 den ersten Profivertrag unterzeichnet. Es gibt eben Frühentwickler und Spätentwickler - und man muss situativ entscheiden, was das Beste ist. Die Ausleihe nach Paderborn erwies sich für Philipp als die richtige Entscheidung.
SPOX: Bringt er die Güte für den Spitzenfußball mit? An ihm werden der Antritt und die fehlende Beidfüßigkeit kritisiert.
Elgert: Philipp ist nun mal ein Spätstarter, der lange nicht einmal Elf-gegen-Elf gespielt hat. Daher gibt es einiges nachzuholen, vor allem bei der Häufigkeit der Ballkontakte. Deswegen ist sein linker Fuß ausgesprochen stark, dafür liegt am rechten Fuß einiges brach. Aber er ist mit 20 Jahren immer noch super jung und wird sich verbessern. Es kommt noch einiges bei ihm. Dennoch müssen wir erst einmal abwarten, wie er sich im Sommer-Trainingslager einfindet und wie er den Sprung aus der 2. Liga zu einer möglichen Champions-League-Mannschaft verkraftet. Möglich ist es.
SPOX: Zur kommenden Saison werden Hofmann und Ihr Kapitän Kaan Ayhan Teil des Bundesliga-Teams. Es werden die Elgert-Spieler Nummer acht und Nummer neun im aktuellen Kader. Wann versuchen Sie es selbst in der Bundesliga? Vor Ihnen glückten mit Mainz' Thomas Tuchel, Freiburgs Christian Streich und Leverkusens Sascha Lewandowski bereits drei A-Jugend-Trainern in kurzer Zeit der nahtlose Übergang.
Elgert: Wenn ich das gewollt hätte, wäre das schon längst passiert.
SPOX: Sie hatten Anfragen?
Elgert: Bei aller Bescheidenheit: Ich gehöre in jeder Hinsicht zur gleichen Klasse wie Tuchel, Streich und Lewandowski. Ich fühle mich in der Ausbildung sehr wohl und hatte nie das große Ziel "Bundesliga" vor Augen. Gleichzeitig muss ich deutlich sagen, dass die Wertschätzung für uns Jugendtrainer immer noch deutlich zu gering ist. Es gibt in Deutschland noch zahlreiche Trainertalente oder etwas ältere Trainer, die die Qualitäten für die Bundesliga mitbringen und unter dem Radar fliegen.
SPOX: Es klingt durch, dass Sie mittlerweile mehr Lust auf die Bundesliga haben.
Elgert: Ich habe den Vertrag als A-Jugend-Trainer erst kürzlich bis 2015 verlängert. Danach ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich etwas anderes mache. Und dann ist vieles möglich. Dazu gehört das eine oder andere Jahr Profifußball. Wobei es nicht so ist, dass mein Seelenheil davon abhängt, ob ich das schaffe oder nicht. Mir geht es vor allem um die generell fehlende Wertschätzung für die Jugendtrainer. Umso schöner ist es, wenn ich diese Wertschätzung von ehemaligen Spielern wie Mesut und seinem Vater spüre.
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