Der Offenbarungseid der DFB-Elf beim 0:6 in Spanien (hier gibt es die Video-Highlights) zeigt, dass sich Joachim Löw im Hinblick auf die EM nicht einmal mehr der Unterstützung seiner Spieler sicher sein kann. Eine Beendigung der Ära Löw wäre mittlerweile für alle Beteiligten das Beste. Ein Kommentar.
Es ist ja nicht so, dass Kritik an Joachim Löw immer berechtigt war. Auch nach der WM in Russland 2018 nicht, als die deutsche Mannschaft sang- und klanglos in der Gruppenphase scheiterte.
Wenn einer eine zweite Chance verdiente, dann der Weltmeister-Trainer von 2014. Diese zweite Chance ist aber spätestens seit dem 0:6 in Sevilla am Dienstagabend, der höchsten Niederlage seit fast 90 Jahren, aufgebraucht.
Dabei geht es gar nicht um die Niederlage an sich, eine sich im Umbruch befindende Mannschaft kann und muss auch den einen oder anderen Rückschlag erleiden. Es geht um die Art und Weise, wie die Mannschaft unter Löw Fußball spielt: hinten behäbig und abenteuerlich positioniert, vorne planlos im Pressing und von individuellen Geistesblitzen zehrend. Als Kollektiv fragil und schlichtweg nicht zeitgemäß.
Das war auch schon lange vor dem Spanien-Spiel und dem Corona-bedingten Termin- und Nominierungschaos der Fall, bloß verfügten die Gegner in der EM-Qualifikation ebenso wie die jüngsten Kontrahenten Ukraine, Tschechien, Schweiz und Türkei nicht über die Qualität, um diese Schwächen so deutlich aufzuzeigen wie das Team von Luis Enrique.
DFB-Team: Kein Wir-Gefühl unter Joachim Löw
Eine einzige überzeugende unter vielen durchschnittlichen Vorstellungen bot die Mannschaft seit dem Neuanfang - beim 3:2 im März 2019 gegen die Niederlande. Zu wenig, um an Löw festzuhalten. Zumal das Spiel gegen Spanien den Eindruck erweckte, als habe er inzwischen auch sein wichtigstes Argument in seiner Funktion als Trainer verloren: die Kabine.
Selbst seine vermeintlichen Führungsspieler machten auch nach der Halbzeitpause beim Stand von 0:3 keinerlei Anstalten, sich für ihren Trainer um Schadensbegrenzung zu bemühen. Die Lücken zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen wurden eher noch größer, sodass es für die zuletzt ebenfalls in die Kritik geratenen Iberer ein Kinderspiel war, sich bis vor Manuel Neuers Tor zu kombinieren.
So kam es, dass Löw einen Großteil der 90 Minuten auf der Bank ähnlich wehrlos verbrachte wie seine Spieler auf dem Rasen. Kein Aufbäumen, kein Dazwischenhauen, kein Wir-Gefühl - nur so mancher Verzweiflungsschrei des bisweilen völlig auf sich allein gestellten Neuer war im Olympiastadion von Sevilla zu vernehmen. Da bringt es dann auch nichts, über Dreier-, Vierer- und Fünferketten und aussortierte Weltmeister zu diskutieren. Das große Ganze stimmt beim DFB-Team nicht mehr.
Joachim Löw: Der FC Bayern sollte dem DFB ein Beispiel sein
Aus diesem Grund wäre es das Beste für alle Beteiligten, wenn die Verantwortlichen um Oliver Bierhoff nun handeln würden anstatt länger die Augen vor der Realität zu verschließen: Löws Zeit, bei allem Respekt vor seinen großartigen Verdiensten in der Vergangenheit, ist abgelaufen.
Ein Trainerwechsel mag gewiss nicht das Allheilmittel sein, schon gar nicht für den mit vielen außersportlichen Problemen belasteten DFB. Am Beispiel des FC Bayern und Hansi Flick zeigt sich aber, was mit einem neuen Mann an der Seitenlinie mit neuen Ideen auch in kurzer Zeit und mit wenig Trainingseinheiten möglich sein kann.
Es braucht einen neuen Impulsgeber, der diese alles andere als schlechte Ansammlung von Einzelspielern in den kommenden Monaten spieltaktisch, aber auch mental zu einer verschworenen Einheit formt, bei der sich niemand der Verantwortung entzieht, den Adler auf der Brust zu tragen. Ansonsten droht - gerade mit Blick auf die Gruppengegner Frankreich und Portugal - ein zweites 2018.